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2022 14 Mai

Das Schweigen im Walde

von: Ursula Mayr Filed under: Blog | TB | 17 Comments

 

 

Hier ist wohl jemand zusammengeklappt, vermutlich eine gehorsame Tochter unter der Last des familiären Gefühlserbes.

Ich wohne übrigens nicht freiwillig in der Ludwig-Ganghoferstrasse!

Das Schweigen im Walde und auf der grünen Heid‘ dröhnte einem seinerzeit förmlich in den Ohren, es wurde geschwiegen, geschwiegen, geschwiegen, alle Konflikte wurden totgeschwiegen, insbesondere zwischen Kindern und ihren Eltern. Zumindest so lange bis die Jugend begann zu diskutieren; ging man ins Kino oder las einen Liebesroman wurde man prompt wieder an das Schweigegebot erinnert. Die Tochter erfährt von einer kriminellen Vergangenheit oder sonstigen dunklen Punkten in der Vita ihres Vaters (z.B. einem aus dem Sudetenland geflüchteten Grossgrundbesitzer der heimlich wildert). Der in sie verliebte junge Förster ist dem Mordgesellen schon auf der Spur, aber das ebenfalls verliebte Mädel weist ihn zurück um den Vater zu decken und loyal mit ihm verbunden zu bleiben bzw den braven jungen Bewerber nicht mit der Unehre ihrer Familie zu belasten. Oder wird gezwungen und willigt ein einen reichen Schnösel zu heiraten um die Existenz der Familie zu sichern. Der Förster ist bitter enttäuscht, so im Pilotfilm Grün ist die Heide, und mich trieb das Geschehen damals schier in den Wahnsinn – Kinder sind pragmatisch – es war mir unbegreiflich dass man nicht sprechen konnte, die Dame dem Herrn nicht den Konflikt klarmachen konnte und man dabei gemeinsam ihre Eignung als künftige Ehefrau – oder eben lieber nicht – feststellen konnte. Daneben trat immer eine sudetendeutsche Gesangsgruppe in Tracht auf und besang die verlorene Heimat (Du mein liebes Riesengebirge – damals ein Mittwochabend – Wunschkonzert-Renner). Das Leid der Deutschen am Krieg konnte problemlos thematisiert werden – nicht schimpfen, uns gings doch auch so schlecht!

Statt Auseinandersetzung wurde in diesen Geschichten ein Popanz an Verwirrung, Kränkung und Nichtverstehen aufgebaut der seinesgleichen suchte. Bis zum doch glücklichen Ende – wobei vorher noch jemand angeschossen wurde –  erfolgte die Aufklärung der verworrenen Situation dann eher zufällig durch einen Dritten oder eine anderswie günstige Fügung, die Tochter musste ihre Loyalität nicht aufgeben.

Die kriegstraumatisierten Eltern rekrutierten ihre Kinder als Unterstützer und Lebenskrücken oder wünschten sich das zumindest. Wer sich einmal den Text von „Oh mein Papa“ auf der Zunge zergehen lässt, spürt etwas davon. Im gleichnamigen Film singt es Lilly Palmer (mit der Stimme von Lys Assia, bei YouTube zu bewundern) in einem Kreise darob entzückter älterer Herren. Ähnlich wie Sissi beim ersten Treff mit Franz Joseph von ihrem Pappili schwärmt.

Mütter wünschten sich desgleichen von den Söhnen.

Beispiel: Ein Mann, der seinem Wunschberuf nachgehen möchte schleicht sich heimlich aus dem Haus um das tun zu können was er möchte, bekommt aber wöchentlich Post von der Mutter die ihn wieder bei sich zuhause haben möchte. Wer wars? Auflösung:

 
 

Ich weiss noch wie die erste Fahrt verlief.
Ich schlich mich heimlich fort als Mutter schlief,
Als sie erwachte war ich auf dem Meer.
Im ersten Brief stand: Komm doch bald wieder her!
Junge, komm bald wieder,
bald wieder nach Haus …
usw .

 
 

Freddy Quinn, der Mann im ewigen Nirgendwo, in der Ferne von Heimweh geplagt, in der Heimat von Fernweh traf so präzise den Zustand der Deutschen, die ihr zerstörtes und schuldbeladenes Land nicht mehr affektiv mit Heimatliebe zu besetzen vermochten, das Fremde aber auch nicht, das war immer noch verachtetes Feindesland, abgesehen von den deutschsprachigen Nachbarländern, die ja auch nicht Kriegsparteien waren. Demgemäss spielten die meisten Heimatfilme in Tirol oder der Schweiz. Die Deutschen im geographischen und psychischen Nowhere. Da konnte der sich permanent sehnende Freddy punkten, zerrissen zwischen Mutter und dem blauen Meer, der ewigen fernen Geliebten mit der nie erlahmenden Anziehung (aber auch ihren bedrohlichen und verschlingenden Aspekten, womit es wiederum der Mutter ähnelte) und dazu den am Kai wartenden Mädels rund um den Globus die er immer wieder verliess und ein bisschen traurig war und dann wieder aufsuchte wenn die Mama ihn kurz von der Gefühlsleine liess.

 

 

 

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17 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Von Freddy bekam ich als Kind eines meiner ersten Autogramme, per Post. Kleine Abschweifung / Assoziation. Meine frühe Heldin war Manuela. Freddys berühmtesten Song sang ich zwar gerne, aber Manuela hatte einen anderen Zauber. Vielleicht erinnern sich einige. Das Lied „Schuld war nur der Bossa Nova“ ruft jedoch die Sprachkritiker auf den Plan – Manuela singt, als hätte sie einen englischen Akzent, dadurch bekommt das Lied jenen internationalen Flair, der dem deutschen Schlager zu jener Zeit so schmerzlich abgeht. Auch die Jugendschützer sind empört: wegen der Zeile „Doch am nächsten Tag fragte die Mama: ‚Kind, warum warst du erst heut’ morgen da?‘“ wird die Single vom Bayrischen Rundfunk auf den Index gesetzt. Okay, Manuela war leider nicht bei mir, nur manchmal in den Träumen eines 12-Jährigen. Emma Peel löste sie dann ab. Die einstige Schlagersängerin starb mit nur 57 Jahren an Krebs. Man hört von dem Tod, und einem kommmt etwas aus der Kindheit in den Sinn.

  2. Ursula Mayr:

    Bitte die schlechte Bildqualität zu verzeihen, ich knipse oft von der Leinwand ab. Bilder aus dem Netz sind oft lizensierbar oder lassen sich nicht runterladen. Oder ich greife auf meine alte Sammlung von Filmprogrammen zurück. Ist aber auch eine schöne Patina …

  3. Ursula Mayr:

    Hey, ich hatte mit 10 J. auch eins von Freddy gekriegt, nachdem ich ihm geschrieben hatte. Da ist ihm der Kuli ein bisschen verrutscht. Hab ich noch!!

  4. Michael Engelbrecht:

    Tja :) Wichtiger war mir dann aber das persönlich nach der Schule abgeholte, von Hans Tilkowski.

  5. Ursula Mayr:

    Und Rex Gildo. Der wohnte auch in Schwabing.
    Manuela mochte ich auch.

  6. Anonymous:

    Was für eine Zeit, die da wieder zurückkommt. Ich fühlte mich stark den Eltern verpflichtet, das stimmt.

    Und sie haben nicht gesprochen. Oder haben wir nichts hören wollen? Der Krieg war so weit weg von uns. Eine Freundin von mir ist Jüdin, die Eltern haben Dachau überlebt. Darüber wurde auch nicht gesprochen, sie wollten nur nach vorne schauen.

  7. Ursula Mayr:

    Ich war als Schulmädchen mit dem späteren Schauspieler Towje Kleiner befreundet, seine Eltern haben auch Dachau überlebt, er ist in einem Lager für displaced persons aufgewachsen. War ein rechter Schlingel und bekam oft zu hören: Bist halt a Jud! Hat er tapfer getragen.

  8. Littlejack:

    Gute Charakterisierung des Phänomens Freddy, man kann hier wirklich von einem Phänomen sprechen – eine derartige Festlegung auf einen Charakter und auf eine bestimmte Konfliktlage hatte kein anderer Schauspieler oder Sänger. Vielleicht Heintje, aber nur kurz. Ist bald rausgewachsen. Glück gehabt!

  9. Ursula Mayr:

    Huch, den hatte ich ganz vergessen, die Bonsai – Ausgabe von Freddy bezüglich Mutterverehrung. Der fuhr nicht mal übers Meer, der blieb gleich zuhause.

  10. Michael Engelbrecht:

    Manchmal kommen die fliegenden Assoziationen früher als die genaue Lektüre des Textes.

    Ja, so war es. Wobei ich schon früh den Heimatfilmen aus dem Weg zu gehen versuchte :)

  11. Ursula Mayr:

    Ja, bei Dir gabs ja auch schon andere Filme. Ich konnte nicht ausweichen. Erster Kinobesuch 1952, noch Schwarzweiss im Pantoffelkino, ich glaube Luis Trenker, schwerblütige Bauerndramen. Hollywood erst ab ca 1958 – „Brennender Sand“ mit Daliah Lavi. Das war vielleicht was … ich wollte gleich nochmal rein.

  12. Ursula Mayr:

    Ich werd wirklich tüdelig, Brennender Sand war nicht Hollywood, sah nur so aus. Es war eine deutsch- israelische Koproduktion die dank der moderneren Berliner Aero – Filmgesellschaft möglich war – die UFA hätts nicht gemacht – und der Konflikt zwischen Israel und Jordanien war in die Handlung verwoben, also für die Zeit (1960) revolutionär. Kennt demgemäss auch keiner. Revolutionär auch eine Tanzszene mit Dahlia im Bodysuit, total gähn, aber für damals reiner Porno.

  13. Michael Engelbrecht:

    Brennender Sand – nie gesehen. Den spür ich aber unter den Füssen, wenn ich auf Lanzarote vom Wasser über den schwarzen Sand zu meinem Handtuch laufe!

  14. Ursula Mayr:

    Es gibt Leute die sind damals noch mit der Trommel um den Christbaum gerannt.
    Dahlia Lavi hatte überigens die erste Nacktszene im Trivialfilm ein paar Jahre später in OLD SHATTERHAND. Das hat uns Realschulmädels sehr beschäftigt. Erst vor ein paar Jahren stellte sich heraus dass sie ein body- double hatte.

  15. Ursula Mayr:

    Eine Mitschülerin aus Sachsen, die den Film als erstes sah, verkündete also: De Dolioh Lowi is da gans nacksch!!!

  16. Michael Engelbrecht:

    Im Oberen Bayerischen Wald, als ich da arbeitete, zwischen 1980 und 82, da hätte ich für einige Patienten fast einen Sprachkurs gebraucht:)

    Sah ich Gila Weitershausen kurz nackt, unten rum, in Charlies Tante? Schwammige Erinnerung.

    Sehr scharf fand ich neben Emma Peel später auch Diana Körner, die wohl was mit Vaterfiguren hatte, und einen seriösen älteren Herrn heiratete, der auch länger Kommissar war im Vorabendprogramm des ZDF. Auf einmal tauchte Diana, statt in Filmen der Neuen Deutschen Welle und harmlosem Fernsehfilmchen, in BARRY LYNDON auf, der sich mit der Zeit zu einem unangenehmen Opportunisten entwickelte. Aber diese Begegnung mit der schönen Diana … da hätte ich gerne mit ihm getauscht für eine Nacht … übrigens ist BARRY LYNDON ein Film, der mich damals sehr faszinierte im Kino … das Drehen bei Kerzenlicht, ohne künstliche Lichtquellen … das Fallen der Masken … … die hohlen Popanze … die Langsamkeit … das schreckliche Sterben im Krieg … komplettes Desillusionierungskino, wie man es sich in der BRD früher gewünscht hätte.

    https://www.manafonistas.de/2020/12/06/das-frueheste-und-fuer-die-traumgehalte-entscheidende-haus-muss-seine-daemmerung-behalten/

    Aber ich schweife ab.

    Emma, Gila, Manuela. Achachach. Die schönsten Bilder von Manuela fand ich in Bravo – schade, von ihr gab es keinen Starschnitt.

  17. Ursula Mayr:

    Aber von den Beatles!😜


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