Hier ist wohl jemand zusammengeklappt, vermutlich eine gehorsame Tochter unter der Last des familiären Gefühlserbes.
Ich wohne übrigens nicht freiwillig in der Ludwig-Ganghoferstrasse!
Das Schweigen im Walde und auf der grünen Heid‘ dröhnte einem seinerzeit förmlich in den Ohren, es wurde geschwiegen, geschwiegen, geschwiegen, alle Konflikte wurden totgeschwiegen, insbesondere zwischen Kindern und ihren Eltern. Zumindest so lange bis die Jugend begann zu diskutieren; ging man ins Kino oder las einen Liebesroman wurde man prompt wieder an das Schweigegebot erinnert. Die Tochter erfährt von einer kriminellen Vergangenheit oder sonstigen dunklen Punkten in der Vita ihres Vaters (z.B. einem aus dem Sudetenland geflüchteten Grossgrundbesitzer der heimlich wildert). Der in sie verliebte junge Förster ist dem Mordgesellen schon auf der Spur, aber das ebenfalls verliebte Mädel weist ihn zurück um den Vater zu decken und loyal mit ihm verbunden zu bleiben bzw den braven jungen Bewerber nicht mit der Unehre ihrer Familie zu belasten. Oder wird gezwungen und willigt ein einen reichen Schnösel zu heiraten um die Existenz der Familie zu sichern. Der Förster ist bitter enttäuscht, so im Pilotfilm Grün ist die Heide, und mich trieb das Geschehen damals schier in den Wahnsinn – Kinder sind pragmatisch – es war mir unbegreiflich dass man nicht sprechen konnte, die Dame dem Herrn nicht den Konflikt klarmachen konnte und man dabei gemeinsam ihre Eignung als künftige Ehefrau – oder eben lieber nicht – feststellen konnte. Daneben trat immer eine sudetendeutsche Gesangsgruppe in Tracht auf und besang die verlorene Heimat (Du mein liebes Riesengebirge – damals ein Mittwochabend – Wunschkonzert-Renner). Das Leid der Deutschen am Krieg konnte problemlos thematisiert werden – nicht schimpfen, uns gings doch auch so schlecht!
Statt Auseinandersetzung wurde in diesen Geschichten ein Popanz an Verwirrung, Kränkung und Nichtverstehen aufgebaut der seinesgleichen suchte. Bis zum doch glücklichen Ende – wobei vorher noch jemand angeschossen wurde – erfolgte die Aufklärung der verworrenen Situation dann eher zufällig durch einen Dritten oder eine anderswie günstige Fügung, die Tochter musste ihre Loyalität nicht aufgeben.
Die kriegstraumatisierten Eltern rekrutierten ihre Kinder als Unterstützer und Lebenskrücken oder wünschten sich das zumindest. Wer sich einmal den Text von „Oh mein Papa“ auf der Zunge zergehen lässt, spürt etwas davon. Im gleichnamigen Film singt es Lilly Palmer (mit der Stimme von Lys Assia, bei YouTube zu bewundern) in einem Kreise darob entzückter älterer Herren. Ähnlich wie Sissi beim ersten Treff mit Franz Joseph von ihrem Pappili schwärmt.
Mütter wünschten sich desgleichen von den Söhnen.
Beispiel: Ein Mann, der seinem Wunschberuf nachgehen möchte schleicht sich heimlich aus dem Haus um das tun zu können was er möchte, bekommt aber wöchentlich Post von der Mutter die ihn wieder bei sich zuhause haben möchte. Wer wars? Auflösung:
Ich weiss noch wie die erste Fahrt verlief.
Ich schlich mich heimlich fort als Mutter schlief,
Als sie erwachte war ich auf dem Meer.
Im ersten Brief stand: Komm doch bald wieder her!
Junge, komm bald wieder,
bald wieder nach Haus …
usw .
Freddy Quinn, der Mann im ewigen Nirgendwo, in der Ferne von Heimweh geplagt, in der Heimat von Fernweh traf so präzise den Zustand der Deutschen, die ihr zerstörtes und schuldbeladenes Land nicht mehr affektiv mit Heimatliebe zu besetzen vermochten, das Fremde aber auch nicht, das war immer noch verachtetes Feindesland, abgesehen von den deutschsprachigen Nachbarländern, die ja auch nicht Kriegsparteien waren. Demgemäss spielten die meisten Heimatfilme in Tirol oder der Schweiz. Die Deutschen im geographischen und psychischen Nowhere. Da konnte der sich permanent sehnende Freddy punkten, zerrissen zwischen Mutter und dem blauen Meer, der ewigen fernen Geliebten mit der nie erlahmenden Anziehung (aber auch ihren bedrohlichen und verschlingenden Aspekten, womit es wiederum der Mutter ähnelte) und dazu den am Kai wartenden Mädels rund um den Globus die er immer wieder verliess und ein bisschen traurig war und dann wieder aufsuchte wenn die Mama ihn kurz von der Gefühlsleine liess.