„Hinter der vorgeblichen Abwehr von Angriffen Putin-Russlands auf die westliche Demokratie verbirgt sich ein globaler Konflikt um Märkte und Ressourcen und damit einhergehend um Führungsansprüche, Begehrlichkeiten und Bündnisse.“
(Yana Milev, Europa im freien Fall)
„Fuck the EU!“
(Victoria Nuland, US-Diplomatin)
Ich war sehr neugierig, wie S die Verhältnisse in Kasachstan und in der Ukraine sieht. Die junge Psychologin mit tatarischem Blut kam als Russlanddeutsche. Sie erzählt, Putin sei um Hilfe gebeten worden und habe bei den Unruhen in ihrer Heimatstadt im Februar als willkommener Schutzpatron geholfen. Die Stadt sei ein gefundenes Fressen für allerlei Banditen in den umliegenden Dörfern, eine stabile Lage ohne Direktive von oben sei nicht möglich. In den westlichen Medien würde oft ein verfälschtes Bild verbreitet hinsichtlich der Verhältnisse. Sie habe viele Freunde sowohl in Russland als auch in der Ukraine, es gebe viele Unvereinbarkeiten und Konflikte. In manchen Landesteilen sei es verboten, Russisch zu sprechen, was viele verstört hätte. S berichtete auch vom Anspruchsdenken vieler Geflüchteter, sie mögen doch bitte alsbald eine schöne Wohnung in Deutschland bekommen, das sei wohl selbstverständlich. Ihr selbst wurde das heimatliche Studium in Deutschland nicht anerkannt. Nun aber sollen Ukrainer:innen problemlos in den Arbeitsmarkt integriert werden. Schon vor dem Krieg gab es in deutschen Großstädten zu wenig bezahlbaren Wohnraum, auch für Deutsche. Warum habe man sich nicht dort schon intensiv um diese missliche Lage gekümmert? Eine andere Frage sei die Bewertung, wer letztendlich der Kriegstreiber sei. Stecken die USA dahinter, denen eine Allianz aller Staaten auf dem europäischen Kontinent, also der Allianz von Russland und Europa, langfristig zu mächtig wäre? Sind wir hier in Deutschland etwa ein Spielball der Amerikaner? Ich habe Anton Hofreiter und Marieluise Beck lange und freundlich zugehört. Mir scheint, sie sind etwas einseitig orientiert. Die Bildzeitung mutiert zur Kriegstreiberpresse. Olaf Scholz wurde Besonnenheit als Schwäche angelastet. Mehr Waffen in die Ukraine hiesse Feuer machen im Kamin. Cui bono – wem nützt es? Dass Putin eine persona non grata geworden ist, ein Kriegsverbrecher und Massenmörder, der nicht mehr an einen Verhandlungstisch gehört, klare Sache. Klar ist ebenso, dass Deutschland kein Interesse hat, das gesamte russische Volk als seinen Feind zu sehen. Ich selbst mag das Wort „Interessenspolitik“, für mich persönlich als Manager meiner eigenen Angelegenheiten und auch für mein Land. Meine Meinungsbildung befindet sich in einem stetigen Prozess, ich höre anderen gerne zu, versuche mir ein Urteil zu bilden mittels mehrwertiger Logik. Peter Sloterdijk erwähnte einst Gotthart Günther, den Erfinder des ersten Computers, als einen wichtigen Einfluss. Jenseits des starren Entweder-Oder entfalten sich Grautöne, Nuancen und Zwischenbereiche: der Ort, an dem man selber denkt. Den rigiden Behauptungen vieler Querdenker (beispielsweise der, wir seien alle fremdgesteuert) halte ich gern mal mit Herrn Grönemeier entgegen: „Hör auf mit der Laberei, wir feiern hier ’ne Party und du bist nicht dabei!“