In wenigen Stunden erscheint diese autorisierte Biografie von Bill Frisell. Ich habe sie dann als e-book vorliegen, und Michael Rüsenberg wird sie in meiner nächsten Ausgabe der JazzFacts am 5. Mai besprechen. Ich kenne Michael R. bislang nur von seiner alten Radiosendung „In Between“ aus den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts. Anders als heute, waren bestimmte Radiosendungen damals die beste Chance, etwas aus anstehenden Neuveröffentlichungen zu hören, und so sind mir einige radio memories seltsam präsent, wenn eine Musik, auf die ich gespannt war, von den Gedanken und Worten eines Jazzjournalisten ihren ersten Rahmen erhielten, den Kontext des ersten Hörens. Unvergesslich, wie er sich für das allerfeinste Album „Lookout For Hope“ (produced by Lee Townsend) begeisterte – das Quartett erlebte ich live Jahre später im alten Domicil in Dortmund. Und später, als er sein gesammeltes Pastell der Jan Garbarek Band zur Verfügung stellte. Ein Rumtreiber mit vollem Terminkalender!
Einige Male traf ich Bill Frisell, einmal in einem Hotel, im munteren Gespräch mit dem Trio Paul Motian – Joe Lovano – Bill Frisell, dann bei einem Abendessen mit den „wilden Kerlen“ von „Naked City“ in Darmstadt, ein anderes Mal, als ich ihn mit Fragen löcherte zu einem meiner Top-5-Frisell-Werke, „Unspeakable“, das einen gewissen Hal Wilner in grosser Experimentierlaube als Produzenten auswies.
Ein ruhiger sympathischer Geselle, kein grosser Geschichtenerzähler – und ich bin fast erstaunt, dass diese Biografie mit weit über 500 Seiten die Länge eines „ausgewachsenen Schmökers“ besitzt. Aber klar, auf unendlich vielen Alben ist er zu hören. Ohne bislang eine Zeile gelesen zu haben, bin ich sicher, dass es ein spannendes Buch ist, lohnend allemal für die, welche Frisell aus bestimmten Winkeln und Phasen seines umfangreichen Werkes schätzen. Ein kurzes Huschen über eine review im Mojo Magazine – und ich ahne, das Buch ist vielstimmig angelegt.
Nur beim Untertitel rolle ich etwas mit den Augen – da ist er wieder, der Schachzug des Marketing – (man kennt das von der Musikdokumentarserie über das Jahr 1971, von Michael Pollans Buch über den Kaffee, und sonstwo her) – „The Guitarist That Changed The Sound Of American Music“. Ohne, dass irgendwas die Welt verändert, geht es kaum noch, und das ist dann doch übertrieben, ein Hauch von Marktplatz. Solche Sockelsetzerei braucht es nicht, „he‘s just a normal guy with a gift“.
Zudem hat Bill Frisell, der in frühen Jahren exzessiv zu hören ist mit seinen fliessenden Sphärensounds (legato), als stimmungsvoller background bei Marianne Faithfull und anderen Sänger*innen – in Reinkultur zu hören auf seinem ECM-Debut „In Line“ (zu der Story dieses Albums hat Ingo ein sehenswertes Interview gedreht) – sich schon in jeder Nische zwischen Stille und Noise herumgetrieben, zwischen altem Jazz und wildem Rock (toll, wie er sich in die Songs von Lucinda Williams einmischt), sein Markenzeichen der frühen Jahre in alle Richtungen aufgelöst, verwandelt und vervielfältigt.
Manches schüttelte er dabei aus dem Ärmel, manches war wagemutig, dann wieder easy going (seine Country-Obsessionen), das eine virtuose Hausmusik, das aufregend altmodisch (wie sein Spiel auf Lee Konitzs Schwanengesang), manches wiederum einfach nur endlos fesselnde, wendige Textur (wie auf betörenden Alben von Altmeister Andrew Cyrille).
Ein Allrounder, ein Chamäleon, mit einer Handschrift, die ihre besonderen Noten variantenreich hervorzaubert. Gavin Bryars ist auch ein Fan. Und auf diesem einen Bryars-Album, das ich einst zusammen mit Markus Mueller in der Jazzthetik abfeierte („After The Requiem“, produced by Manfred Eicher) in einer Doppelrezension, da klang er in Momenten fast wie Terje Rypdal.