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Archives: Januar 2022

2022 12 Jan.

Nachrichten aus Hörnum

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An der Hörnumer Südspitze entdecken Ausflügler immer wieder stumme Zeitzeugen, auch viel größere als Geldstücke. Im Herbst 2016 zum Beispiel hat das Meer die Überreste eines alten Holzschiffs aus dem 18. Jahrhundert freigelegt. Immer wieder wird auch Geschirr gefunden, das von Soldaten der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg verwendet worden ist. Im November 2021 etwa hat ein Ausflügler eine halbe Untertasse aus dem Sand gefischt, Aufdruck: „Hutschenreuther Hohenberg Germany 1936“. Eine Internet-Recherche hat schnell zum Museum Wolmirstedt im Bördekreis in Sachen-Anhalt geführt und ergab: Auf der anderen Hälfte der Tasse war wohl ein schwarzer Reichsadler mit ausgebreiteten Flügeln, mit Lorbeerkranz und mit Hakenkreuz abgedruckt. Das Fundstück erinnert also an ein dunkles Kapitel Sylter Geschichte.“

 

Alle paar Jahre, immer wenn Daniel Clowes ein neues Buch herausbringt, können sich Comiczeichner auf Selbstzweifel und auf die Zerlegung jeder Faser ihres Daseins gefasst machen, schreibt Chris Ware in seinem Essay Who´s afraid of Daniel Clowes. Seine Zeichnungen hätten eine Elektrizität, die er nur wenige Male in seinem Leben gespürt hatte. Like a velvet glove cast in iron erschien im Jahr 1993, ich habe das Buch jedoch jetzt erst entdeckt. Es ist die verstörendste Graphic Novel, die ich bisher angesehen und gelesen habe, sie entfaltet den ungeheuren Sog einer Alptraumlogik, einer Welt, in der Gewissheiten von Raum, Zeit und Person nicht mehr existieren. Like a velvet glove cast in iron ist eine Metapher für etwas, was nett und sanft daherkommt, dahinter aber unbarmherzig zuschlägt. In einem Downtown-Kinosaal, in dem ausschließlich schräge Typen sitzen und die Schuhe am Urin auf dem billigen Fußboden kleben, sieht Clay, ein früh gealterter Thirtysomething, in einem Film einige Szenen mit sich selbst. Durch eine Bemerkung erfährt man fast 30 Seiten später, dass die Frau, mit der er im Film agiert, eine frühere Freundin von ihm war, die ihn eines Tages verlassen hatte, ohne dass er gewusst hätte, warum. Zu behaupten, im Film ginge es um die Suche nach dieser Frau, klingt zu einfach, es dürfte jedoch der rote Faden der verworrenen Story sein, die man mindestens zwei Mal lesen und die Bilder genau betrachten muss, um wichtige Zusammenhänge zu begreifen: Symbole kehren immer wieder, vor allem die skizzenhafte Zeichnung eines Männergesichts, eine Markierung mit einer historischen Bedeutung. Oder nicht? Personen reagieren fast immer unberechenbar (das ist nicht immer negativ) und sie können unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Altersstufen auftauchen. Auch auf Gesetze der Genetik und der Biologie ist kein Verlass. So gibt es einen Hund ohne Körperöffnungen, der nur von einer täglichen Spritze Wasser lebt; er läuft Clay einfach hinterher. Die Schnitte zwischen den Bildern, die Szenerien, vor allem aber Daniel Clowes Fähigkeit, in einem Gesichtsausdruck nicht nur eine Weltsicht und eine Individualität, sondern auch Gefühle auszudrücken und sie in dem Augenblick auf den Lesenden zu übertragen, ist überwältigend. In einem Interview aus dem Jahr 2011 fragt Kristine McKenna: You once made the comment, „Basically, I think we’re all repulsed by each other.“ Do you really feel that way? Daniel Clowes: In a certain context, yes, I do think that’s true. You don’t want to look too closely.

Trotz aller Düsternis und auch wenn Clay sicherlich nicht das Subjekt seiner eigenen Geschichte ist: Die Liebe gibt es in Like a velvet glove cast in iron dennoch; auch sie irritiert. Das :-D Magazin hat die Graphic Novel so beschrieben: It was Twin Peaks before Twin Peaks. Georg Seeßlen hat in einem grandiosen Essay, publiziert im Jahr 2004, das Kino von David Lynch in Thesen zusammengefasst und eine Bemerkung zur Einsamkeit gemacht, die auch auf Clay in Like a velvet glove cast in iron zutrifft: „In David Lynchs Filmen haben wir es mit einer neuen Form von Einsamkeit zu tun. Es ist (…) nicht die Einsamkeit des existenzialistischen Menschen, der zu einer Freiheit verurteilt ist, die er nicht hat, es ist vielmehr die Einsamkeit des Menschen, der mit den Zeichen der Welt allein gelassen ist, der die Welt unendlich lesen muss, ohne ihre Grammatik zu kennen.“ Prämissen des Alltagslebens wie die, dass man sich an die wichtigsten Personen in seinem Leben erinnert, scheinen ausgeschaltet. Zufälle oder andeutungsreiche Codes: Wieso erschrickt Clay, als er fünf weiße kleine Bälle auf seiner Bettdecke findet? What’s the frequency, Kenneth? (Rings a bell?)

 

Awareness is just an illusion,
yourself is a half split in two.
Happyness, pain and confusion,
all is one, one is one, one is two.

 

Eigentlich war es die Zeit unseres Lebens, 1976 bis 1980, aber nach und vor dem kurzen Glück und lauter langen Abschieden (die bis heute dauern), das Stolpern und Rasen der Herzen, die Unerreichbaren und die Verlorenen, die stillen Tränen, der wilde Jazz! ECM lieferte in den Siebzigern ein Meisterstück nach dem anderen ab. Im „Ombibus“ trank ich mit einem wunderbaren polnischen Aktsaxofonisten Kaffee, und Bert Jansch erzählte von wilden Reisen mit Pentangle durch schottische Küstenstriche (es gibt noch eine andere weite Welt, dachte ich). Wir liebten, litten, vögelten, und ich mochte es, morgens Brötchen zu holen. Wir gingen in jeden Wenders-Film, lasen Italo Calvino und entdeckten Gregory Bateson. Und aus jener Zeit erreichte mich vor Tagen eine Notiz, von einer der wenigen gebliebenen Gefährtinnen:

„Ja, das war die Zeit der Phobien, Michael. Da tatest Du einen legendären Spruch. Wir beiden Hübschen waren vormittags mit Deinem (weissen?) Käfer in der Stadt, dann haben wir uns in meiner Bärenhöhle über unsere gegenseitigen Phobien unterhalten,  und dann gings nochmals in die Stadt. Da töntest Du: „Two phobies going to town – second part!“. Fand ich cool, selbstironisch und wirklich filmtitelreif. Weitere Erinnerung: Party bei Dir in Deinem Olymp in Gerbrunn, ich durfte auch Freundinnen mitbringen, zu vorgerückter Stunde spielten wir Scharaden. Jeder musste sich einen Filmtitel ausdenken und pantomimisch darstellen. Du topptest die Sache mit Fensteraufreissen, wildem Augenrollen, Luftringen, Rumfuchteln und deutetest auf das beleuchtete Würzburg am Horizont. Der Begriff war „Stadtneurotiker“. Der Brüller!“ 

Zugabe: Nett!! Wir gingen dann übrigens zum Kaufhof um irgendetwas Hochwichtiges zu erwerben. Danach nächtigte ich bei Dir und Du warst am nächsten Vormittag völlig von Sinnen, weil der Briefträger mit der neuen Eno – Platte erwartet wurde. Ich nahm leicht entnervt inzwischen ein gepflegtes Bad, Deinerseits grosses Herumtigern und Stadtneurotikern. Dann die Türklingel! Wilder Schrei!!! ES HAT GESCHELLT!!! ICH WERD WAAAAAHNSINNIG!!!!!!!!! Wackerer Postbote kommt mit Platte. Freudentanz! Ich machte einen auf Lufthansa….🛫

2022 11 Jan.

Six Years

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Geweint hatte nur Carmelita. Die gesamte Familie stand regungslos vor dem Sarg. Von den Herreños waren wenige gekommen, dafür bezeugten sie viele Politiker und vor allem ihre Musikerfreunde.

Maria Mérida, die Stimme der Kanaren, ist mit 96 Jahren gestorben. 80 Jahre lang sang sie über El Hierro, wo sie 1925 geboren wurde und auch der Hauptstadt Valverde ihre letzte Ehre gab. Beim Heraustragen ihres Sarges sangen die zahlreich gekommenen musikalischen Lebensbegleiter „Sieta Rosas“. Da kamen auch mir die Tränen.

Wer war diese Frau, die mit Edith Piaf verglichen wurde, von der New York Times in den 50ern als viertbeste Stimme der Welt bezeichnet wurde? Sie war eine Herreña. Sie sang mit Herz und Seele über die Inseln, ihre Landschaften, ihre Menschen und Vulkane, und über die Schönheiten hier. Das fantastische Licht konnte sie mit ihrer unverkennbaren Stimme der ganzen Welt beschreiben. Im hintersten China hat sie El Hierro vorgestellt, aber welche Vorstellung hatten die Chinesen von El Hierro?

Ihren ersten Musikerpreis gewann sie mit 12 Jahren. Als Jugendliche ging sie nach Madrid, arbeitete beim Radio, wo sie Musik über die Kanaren über den Atlantik sendete zu den Ausgewanderten ihrer Heimat. Später traf sie sich mit den Schönen der Bühnenwelt und sang mit den Maestros der Gesangswelt, Placido Domingo und Monserat Caballé …

2007 holte sie Torsten de Winkel mit seiner Sabine auf das BimbacheopenArt Festival. Die Beiden waren bis zu ihrem Tod vorgestern engste Freunde von ihr.

 

 


Tous les panneaux de sortie sont allumés. I listened to „Simian Angel“ for the first time at the end of summer, sometime ago, on headphones, at night. A long cable, a chaiselongue in the garden. Heaven seems to be the most lonesome place, at least from the point of view of gardening and Japanese tea ceremonies. Nearly knowbody knows this album.

Strange enough, we can still feel in harmony when looking at the sky at night, that time being seduced by Oren Ambarchi‘s album – two long compositions that defy definitions, limits, opening a constant feel of joy and wonder, kling and klang. A touch of kosmische music here and there.

His guitar sounds like a synth, and an organ, most of the time, and when he plays what sounds like a piano (and is again, made with his guitar – a special treatment really), you might feel, for a moment, a „Music For Airports“-vibe – just another illusion, up, up, and away, with the blink of an eye.

Oren’s partner is Brazilian percussionist Cyro Baptista, and when he starts on berimbau at the beginning of vinyl‘s second side, you are in wonderland. Yes, I thought, for another sequence of seconds, of Nana Vasconcelos‘s famous (or not so famous) solo album „Nana Vasconcelos“, the one with violins and violas coming completely out of nowhere, and knowing about Oren‘s passion for a lot of ECM records, I’m quite sure he might have had a similar memory, for a moment.

The music is crossing area after area, you are not able to, surely not keen on marking a spot. All exit signs on! The earth never solid, the percussion drifting in the windmills of your mind. Not all riddles solved, what do you think. I listened to it again tonite. Another word for melting kindly required, all these thin places.

 

2022 9 Jan.

The Last Apple

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Im November 1991, kurz vor dem Ende der Dreharbeiten zu „IP 5 – die Insel der Dickhäuter“, erlag Beineix‘ Hauptdarsteller Yves Montand einem Herzinfarkt. Der Film sollte von zwei Jugendlichen erzählen, die mit einem alten Abenteurer durch Frankreich ziehen, und weil die Figur von Montand ebenfalls an einem Herzinfarkt sterben sollte, wirkte Montands Tod wie ein böser Witz des Schicksals. Ein Double sprang für ihn ein, aber die Geschichte war nicht mehr dieselbe, der Film blieb Fragment. Der Kinoerzähler Beineix hat sich von diesem Schlag nicht mehr erholt. Jetzt ist Jean-Jacques Beineix selbst mit fünfundsiebzig Jahren in Paris gestorben. Sein filmisches Gesamtwerk ist schmal. Aber der Zauber, den er mit „Diva“ und „Betty Blue“ auf die Leinwand gebracht hat, wird bleiben.  

(FAZ, heute)

 

In den frühen Achtzigern schrieb Jean Jacques Beineix mit Diva Kinogeschichte. Ich habe den Film so oft, so gerne gesehen. Wie er in einem Interview erzählte , war dies gar kein autobiographisch gefärbter Film, umso mehr machte es ihm Freude, beim Dreh einen Teil von sich lebendig werden zu lassen. Ich vermute mal, als der Gangster sagte: „Je ne t´aime, Beethoven“, war das mal eine deutliche Ansage. Klassische Musik wird sowieso überbewertet. Zuviele Heilige. Als die junge Rollschuhfahrerin in einem Plattenladen an den Regalen entlang stöbert, kann man die Entdeckung machen, dass dort Schallplatten aus diversen Jahren „ausgestellt“ sind, und ich nehme an, Beineix hat etliche eigene Platten von zuhause mitgebracht und damit die Kulisse ausstaffiert. Dabei, natürlich, „Another Green World“ und „Songs Of Love And Hate“. Und „Broken English“ Und welche Platte zieht sie am Ende aus dem Regal, und lässt es heimlich in ihrer Mappe verschwinden? Nun, Crystal Silence von Chick Corea und Gary Burton, einen „Klassiker“ von ECM.

 
 
 

 
 

 

Ich kam überhaupt erst wieder auf den Film, nachdem mir Paul Webb (Rustin Man) ein Album von Josephine Foster empfohlen hat, und ich ihm schrieb, in diesem Kontext „archaischer“ Folklore würde mir das bisweilen „Opernartige“ ihrer Stimme total gut gefallen, was mir genauso ging (ich würde nie freiwillig in eine Oper gehen), als ich einst Diva im Kino sah. Die Macht des Kontexts! (m.e.) 

 

Diva was such an underrated film. It was seen in the movie world like Grace Jones was seen in the music world. „Style over content“, but both I feel were misjudged. The attention to detail in Diva is stunning, even the way the opera singers hair is styled to reflect the different sides of her  personality is so well thought out. The soundtrack is also quite beautiful. I especially like that Eric Satie type piano with its 80’s delay echo, all this revolving around the tale of two tapes. One of my favourite films for sure.

(Paul Webb aka Rustin Man, formerly Talk Talk)

2022 9 Jan.

The art of deep thrills

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Echo 3 (season 1)  
The Old Man (season 1)   
No Man‘s Land (season 1) 

 

 

1883  (season 1) 

 

Some TV-series with flow factor 10 may break your heart, like the three political / spy dramas listed first, but, no doubt, „1883“ will break and burn it. Four devastating dramas of excellence, highly recommended by Jo and Michael. Well, Jo can‘t speak of „Echo 3“ and „The Old Man“ with Jeff Bridges, but, apart from that: deal! Taylor Sheridan‘s „1883“ is a prequel to the great modern five season Western marathon „Yellowstone“ starring Kevin Costner.

 

2022 8 Jan.

Happy Birthday, Spaceman!

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v i d e o

 


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