Alle paar Jahre, immer wenn Daniel Clowes ein neues Buch herausbringt, können sich Comiczeichner auf Selbstzweifel und auf die Zerlegung jeder Faser ihres Daseins gefasst machen, schreibt Chris Ware in seinem Essay Who´s afraid of Daniel Clowes. Seine Zeichnungen hätten eine Elektrizität, die er nur wenige Male in seinem Leben gespürt hatte. Like a velvet glove cast in iron erschien im Jahr 1993, ich habe das Buch jedoch jetzt erst entdeckt. Es ist die verstörendste Graphic Novel, die ich bisher angesehen und gelesen habe, sie entfaltet den ungeheuren Sog einer Alptraumlogik, einer Welt, in der Gewissheiten von Raum, Zeit und Person nicht mehr existieren. Like a velvet glove cast in iron ist eine Metapher für etwas, was nett und sanft daherkommt, dahinter aber unbarmherzig zuschlägt. In einem Downtown-Kinosaal, in dem ausschließlich schräge Typen sitzen und die Schuhe am Urin auf dem billigen Fußboden kleben, sieht Clay, ein früh gealterter Thirtysomething, in einem Film einige Szenen mit sich selbst. Durch eine Bemerkung erfährt man fast 30 Seiten später, dass die Frau, mit der er im Film agiert, eine frühere Freundin von ihm war, die ihn eines Tages verlassen hatte, ohne dass er gewusst hätte, warum. Zu behaupten, im Film ginge es um die Suche nach dieser Frau, klingt zu einfach, es dürfte jedoch der rote Faden der verworrenen Story sein, die man mindestens zwei Mal lesen und die Bilder genau betrachten muss, um wichtige Zusammenhänge zu begreifen: Symbole kehren immer wieder, vor allem die skizzenhafte Zeichnung eines Männergesichts, eine Markierung mit einer historischen Bedeutung. Oder nicht? Personen reagieren fast immer unberechenbar (das ist nicht immer negativ) und sie können unter verschiedenen Namen und in verschiedenen Altersstufen auftauchen. Auch auf Gesetze der Genetik und der Biologie ist kein Verlass. So gibt es einen Hund ohne Körperöffnungen, der nur von einer täglichen Spritze Wasser lebt; er läuft Clay einfach hinterher. Die Schnitte zwischen den Bildern, die Szenerien, vor allem aber Daniel Clowes Fähigkeit, in einem Gesichtsausdruck nicht nur eine Weltsicht und eine Individualität, sondern auch Gefühle auszudrücken und sie in dem Augenblick auf den Lesenden zu übertragen, ist überwältigend. In einem Interview aus dem Jahr 2011 fragt Kristine McKenna: You once made the comment, „Basically, I think we’re all repulsed by each other.“ Do you really feel that way? Daniel Clowes: In a certain context, yes, I do think that’s true. You don’t want to look too closely.
Trotz aller Düsternis und auch wenn Clay sicherlich nicht das Subjekt seiner eigenen Geschichte ist: Die Liebe gibt es in Like a velvet glove cast in iron dennoch; auch sie irritiert. Das :-D Magazin hat die Graphic Novel so beschrieben: It was Twin Peaks before Twin Peaks. Georg Seeßlen hat in einem grandiosen Essay, publiziert im Jahr 2004, das Kino von David Lynch in Thesen zusammengefasst und eine Bemerkung zur Einsamkeit gemacht, die auch auf Clay in Like a velvet glove cast in iron zutrifft: „In David Lynchs Filmen haben wir es mit einer neuen Form von Einsamkeit zu tun. Es ist (…) nicht die Einsamkeit des existenzialistischen Menschen, der zu einer Freiheit verurteilt ist, die er nicht hat, es ist vielmehr die Einsamkeit des Menschen, der mit den Zeichen der Welt allein gelassen ist, der die Welt unendlich lesen muss, ohne ihre Grammatik zu kennen.“ Prämissen des Alltagslebens wie die, dass man sich an die wichtigsten Personen in seinem Leben erinnert, scheinen ausgeschaltet. Zufälle oder andeutungsreiche Codes: Wieso erschrickt Clay, als er fünf weiße kleine Bälle auf seiner Bettdecke findet? What’s the frequency, Kenneth? (Rings a bell?)
Awareness is just an illusion,
yourself is a half split in two.
Happyness, pain and confusion,
all is one, one is one, one is two.