on life, music etc beyond mainstream
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2022 31 Jan
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: DGG, Hermetism, Joep Beving, Nocturnal | Comments off
2022 30 Jan
Uli Koch | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Jahresbestenliste 2021 | 5 Comments
Mit 2021 ist ein Jahr voller Denkwürdigkeiten ist zu Ende gegangen, ein Jahr, das aber wieder sehr viel Wunderbares hervorgebracht hat. So blicke ich nun etwas verspätet zurück. Als ich auf meine Auswahl der Highlights des Jahres schaute, fiel mir auf, wie sehr mich noch das Instrument, das ich über viele Jahre erlernt und studiert habe, das Klavier (hier aber im weitesten Sinne auch mit den elektronischen Tasteninstrumenten) und die Erforschung seiner Grenzen fasziniert. Das beginnt mit Nik Bärtsch, dem absoluten Highlight des Jahres und geht über Ayumi Tanaka, Hafez Modirzahdeh, Kit Downes und dem fantastischen Reissue von Morteza Mahjubi zur mehr elektronischen Seite mit Richard Barbieri, Arushi Jain, Sunroof bis zu dem fast transzendenten letzten Werk von Pauline Anna Strom. Bei den Grenzüberschreitungen sind gerade auch Erkundungen jenseits der für westliche Musik so gesetzten temperierten Stimmung äußerst spannend. Auch wenn sie beim ersten Hören oft etwas dissonant und gewöhnungsbedürftig klingen mögen, lohnt es sehr hier die Ohren zu öffnen.
Bei den Wiederveröffentlichungen findet sich wieder einiges Japanisches, z.B. von Eitetsu Hayashi, einem der Köpfe des späteres Ondekoza Ensembles, der seine Musik in einer recht ungewohnten Art rhythmisch denkt über Motohiko Yamase, dessen Fourth-World-Vision aus japanischer Perspektive noch einmal neu eingespielt wurde bis hin zu dem YMO-Mitgründer Yukihiro Takahashi, dessen programmatisches Neuromantic nun wieder verfügbar ist.
Als für mich neue Kategorie für den Blick zurück will ich einige meiner Abendlektüren aufführen, die mir beim Lesen und Studieren viel Freude bereitet haben und mich nach getanem Tagewerk noch erfrischen und inspirieren konnten.
2022 29 Jan
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments
Es gibt zwei Arten von Reggae- und Dub-Alben, die aus der Vergangenheit kommen. Die einen kannten wir bis dato einfach nicht, und die anderen sind einfach nie erschienen. Letzteres passierte mit dieser LP, die von Anfang an kein einziges schummriges Licht irgendeines schummrigen Plattenladens gesehen hat. Leonard Dillon, alias der Äthiopier, war ein musikalisches Schwergewicht, und es ist Zeit, ihn zu entdecken. Seine Stimmte, auf deren Beschreibung wir einfach mal verzichten, um uns das Leben leichter zu machen, tauchte schon 1960 auf, Peter Tosh war beeindruckt, und bald sang er Songs in Sir Coxsones Studio, hier und da begleitet von einem gewissen Bob Marley. Der Mitbegründer von Nighthawk und ursprüngliche Produzent des Albums, Robert Schoenfeld, wollte Dillons Magie einfangen, bevor sie nur noch auf wenigen Sammlerstücken aus uralter Zeit zu finden war, nah am Vergessen. Also wurde eine erstklassige Crew zusammengestellt, u.a. mit dem grossartigen Gitarristen Lyn Taitt. So viel unveröffentlichte Musik, und ich kam in den letzten Tagen nur zu gern auf Schoenfelds Aufnahme von The Return of Jack Sparrow zurück, die traurigerweise dreissig Jahre lang vollkommen verloren in einem Londoner Archiv vor sich hin dämmerte. Dabei klingt sie für uns heute so, wie ein anderer Reggae-Freund schreibt, „als wäre sie in den glorreichen analogen Tagen der 1970er Jahre entstanden, ohne die dynamische Kompression und die dünne, eindimensionale Darstellung, die so typisch für Pop-Platten der späten 80er und frühen 90er Jahre sind. Diese LP wurde von Jeff Powell von Take Out Vinyl in Nashville gemastert, dessen Unterschrift auf dem totstillen „Wachs“ hunderter herausragender Vinyl-Veröffentlichungen zu finden ist, darunter auch der Rest der Nighthawk-Serie von Omnivore. Powells exzellenter Lackschnitt, den er mit seiner eigenen, sorgfältig eingestellten Neumann VMS 70-Drehmaschine ausgeführt hat, und die flache 150-Gramm-IRP-Pressung bedeuten, dass dies die Art von Vinyl ist, die sich weit öffnet und nicht an den unteren Frequenzen spart.“
2022 28 Jan
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Ziv Ravitz | 1 Comment
Man muss sich nur mal diesen kurzen, zusammengestückelten Konzertausschnitt anschauen. Unabhängig von der Aufnahmequalität kommt hier etwas rüber, das mich ungemein inspiriert und anstachelt. Nicht nur Ziv Ravitz‘ antizipatorisches (und bisweilen orientalisches) Rhythmusgefühl, nein, auch in Dominic Millers Spielweise höre ich viele Elemente, die ich als besonders empfinde: Präzision, Kraft, Witz, funkyness, der Klang der Konzertgitarre. Precious moments – far beyond anyone to blame.
2022 27 Jan
Lajla Nizinski | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 3 Comments
Die Sprache reicht zur Verständigung nicht aus.
Maria Callas höre ich gerne an verregneten Sonntagmorgen, wenn die Sternstunde Philosophie wegen der Themenwoche ins Wasser fällt. Die Callas verspricht Drama und Tragödie, sie ist die von Richard Wagner modellierte Sängerin für seine Opern. Ihr Stimme ist hart wie Hera, Maria mochte sie selber nicht besonders. Mit ähnlich faszinierendem, antiwarmem Timbre sang Maria Farantouri, als ich vor ein paar Jahren in ihrem Konzert in Athen war. Diese beiden Divas sind von einer unnahbaren Entrücktheit, die bei mir Ehrfurcht auslöst. Hier in Paphos erlebe ich in den lokalen Clubs meist sehr talentierte Bouzouki Spieler, die meist Sängerinnen im Rembetiko Style begleiten. Auf die Dauer wirkt diese Musik auf mich etwas eintönig, vergleichbar einfallslos wie das Essen hier. Gestern Abend war allerdings ein hoch diffiziles, dramatisches Tanz-Geschehen auf dem Town Hall Square. Zu allen möglichen Musikgenres wurden exzellente Tänze aufgeführt. Ich konnte mit mehreren Zyprioten ins Gespräch kommen. Und alle antworteten auf meine Frage, wer ihr Lieblingssänger sei mit: Pantelis Pantelidis.
Ich hörte mir auf YouTube das Stück „Ginete“ an. In der Pubertät wäre ich ihm verfallen und hätte tief geschluchzt. Er ist mit nur 32 Jahren vor einem Jahr bei einem Autocrash ums Leben gekommen. Einige nannten Remos Antonio und Chatrigianis. Ich habe diese beiden Musiker nicht im Netz gesucht, aber eine zypriotische Sängerin, die in Paris lebt und hier als Gast auftreten wird. Ihre Stimme ist sensual wie velvet, ihre Feelings weich wie Feigen. Sie heisst Vakia Stavrou. Für mich ist sie eine schöne Entdeckung. Natürlich muss hier Eleni Karaindrou genannt werden. Meist lief auf meinem Tablet ihr für den Film Ulysses Gaze komponierter Soundtrack: Ulysses. Ein klarer Klang wie die Luft im Trodoosgebirge. Ein Jungferngrauenerlebnis hatte ich in einer englischen Bar mit Karaoke. Die Engländer besetzen die Küstenstreifen immer noch und liefern sich an den noch kühlen Abenden diese Singerwettstreits. Deep Purple, U2 und Dannyboy waren die Hits. Als ich aufgefordert wurde, auch mal zu singen, winkte ich scheu ab. Später dachte ich nach, was ich gesungen hätte: den Beatlessong „A Day in the life“ oder „Don’t forget to dance“ von den Kinks. Und Ihr?
2022 22 Jan
Uli Koch | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Michael Rother, Vittoria Maccabruni | 1 Comment
Michael Rothers Musik ist nie so richtig an mich rangegangen. Noch während meiner Schulzeit spielte meine damalige Freundin mir Flammende Herzen vor, ganz nett, aber irgendwie zu glatt. Das ging mir bei den folgenden Alben auch so (allein schon die Titel …) und wurde sogar eher distanzierter, bis ich Harmonia entdeckte, was Michael Rother gleich rehabilitierte. Aber selbst bei seinem letzten Soloalbum Dreaming fiel mir selbst das Einfühlen schwer. So hörte ich mehr wegen des Covers in sein neues Album zusammen mit der italienischen Elektronikmusikerin und Partnerin Vittoria Maccabruni hinein. Diesmal brauchte es nur ein paar Sekunden, um mich völlig zu packen: bereits das Intro von dem Eröffnungsstück Edgy Smiles führt direkt ins Zentrum der Magie dieser Musik. Der Beitrag Vittoria Maccabruni’s gibt den Stücken eine untergründige Rauheit, subtile Kanten und mitunter fast geisterhafte Räume, in die sich der Gitarrensound Rothers fließend einfügt und über diesem Kontext ganz neue Konturen annimmt. Kommt Exp 1 noch in eigenwilligem Flow herbei, verlieren sich in den weiteren Stücken jegliche konventionelle Songstrukturen, es treten seltsam treibende Rhythmen in Erscheinung, die noch während des gleichen Songs im Kopf ihr Eigenleben entfalten, kriechen Ghostnotes aus dem Hintergrund und bringen eine Magie des Kathartischen hervor, der in Stücken wie Forget This und Codrive Me beklemmend rituelle Gegenräume entwerfen, intensiv und surrreal. Im finalen Happy (Slow Burner) setzen Rother und Maccabruni als veritable Krautwizards einen sehr vielschichtigen und skurrilen infiniten Punkt, der schnarrend entschwebt. As Long as the Light …
2022 21 Jan
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Brasilien | Comments off
An diesem Vormittag war es in der Altstadt von Salvador im brasilianischen Bundesstaat Bahia besonders heiss. Der Karneval war vorbei, trotzdem Trubel in der Cidade Alta, dem afrikanisch geprägten Stadtteil, in dem es vor Zeiten noch Sklavenhandel gab. Die Sonne brannte und die Luft war seltsam stickig schon am Morgen. Es dröhnten Ghettoblaster, ja sie krähten geradezu schrill aus nahezu jedem Fenster der alten barocken Häuserfassaden. An einer Strassenecke tanzten Capoeira-Tänzer Flick-Flacks, begleitet von Congas, Bongos und Berimbau. Bewundernswert durchtrainierte Körper, ehrfürchtiges Staunen. Peter hatte auf dem Randstein des grossen Brunnens Platz genommen, inmitten des historischen Zentrumplatzes, um erst einmal Orientierung zu gewinnen, so früh am Tag. Eine junge Prostituierte setzte sich zu ihm, er kannte sie vom Sehen, sie wohnte unweit seines Hotels am Praça da Sé. Die beiden beobachteten das Treiben ringsum und plauderten, soweit sein holpriges Portugiesisch es zuliess, begleitet vom Plätschern der Fontäne des Brunnens. Er zog es dann aber vor, der verlockenden Einladung dieser hübschen Mulattin nicht zu folgen, mit auf ihr Zimmer zu kommen. Am Ende ohne Hose dastehen und schlimmer noch: auch ohne Schecks und Passport? Das erste Mal auf einem anderen Kontinent, wollte er sich lieber nicht gleich zum Idioten machen. Ausserdem war da seine Freundin Monica, auch wenn es gerade kriselte. So schlenderte er ein wenig ziellos weiter. Vielleicht links hinunter nun, den bekannten Weg, dann mit dem Fahrstuhl herab zum Mercado Modelo? Direkt vor vor ihm diese prächtige Kathedrale, die Tür der Kirche stand offen, der Innenraum lockte mit Stille und Kühle. Eine kleine Gemeinde hatte sich zur Andacht versammelt, die vorderen Plätze waren gefüllt. Peter setzte sich behutsam in die Bank dahinter, nahm kontemplierend teil. Nach dem Gottesdienst erhob sich die Dutzendschar der Einheimischen, die Reihe vor ihm drehte sich geschlossen zu ihm um, nacheinander reichte man ihm freundlich die Hand. Voller Erstaunen fühlte er sich angenehm geerdet und gar nicht wie ein Tourist aus Europa: man hiess ihn hier auf wohltuende Weise willkommen. Am gastfreundlichsten waren jene, die wenig hatten, das lernte er auf dieser Reise immer wieder kennen. Und wo man am wenigsten „ich“ war, dort kam man oft unverhofft zu sich. Er trat vor die Kirchentür, blinzelte in die Sonne, eine Brise wehte vom Meer her. Der Tag hatte eine frische Färbung bekommen.
2022 19 Jan
Jochen Siemer | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Succession, TV Serien | Comments off
Irgendwann fiel der Groschen, „klick“ machte die Münze und im Schubfach befand sich die Ahnung: die Charakterstrukturen im Milieu wohlhabender Familienunternehmen sind überall gleich. Es war der Moment, als Kendall Roy eine Geburtstagsparty feierte. Der erste Sohn aus zweiter Ehe war dem patriarchal-cholerischem Vater Logan inzwischen abtrünniger Gegenspieler geworden, ohne das hier der Ödipus-Komplex zum Tragen käme, nein, eher die Annahme, der Vater sei böse und er ein besserer Mensch. Schwester, Brüder, Anhang, der ganze Schlangen-Tross erscheint ungeladen auf seiner aufgemotzten Feier, die Schwester blickt sich enttäuscht um in der rammelvollen Bude: „Is anybody here?“ Nein, Schwesterlein, das Väterchen ist gerade abwesend, doch mit seinem Geld hat er euch Kinder längst korrumpiert, geopfert auf dem Altar seines Narzissmus: „I win!“. Keine der Serienfiguren ist sympathisch, aber alle sind interessant und auf tiefgreifende Weise miteinander verwoben. Das zu verfolgen, macht grossen Spass. Wer gerne bei Sigmund Freud in den neurotischen Symptomgeschichten stöberte, der wird hier fündig. Die Spannung liegt eigentlich in der permanent sich fortspulenden Gegenwart köstlich verdorbener Dialoge vor dem Hintergrund delikater Schauplätze. Der jüngste Filius pflegt eine leicht SM-gefärbte, uneindeutige Liaison zur Jahrzehnte älteren Generalkonsulin, könnte dabei doch jede junge Schöne haben. Der Vater raunzt ihn an: „Are you scared of Pussy?“ Zu diesem bilderprächtigen Feuerwerk einer Familien- und Firmenaufstellung wäre noch Vieles zu sagen. Vielleicht auch, weil es dann doch, trotz aller Klassenunterschiede, mit dem eigenen Leben zu tun hat. Sex, Brot und Videospiele – das Rom der global-medialen Neuzeit heisst New York und ist an jedem anderen Ort der Welt zu finden.
Bruma heißt auf Deutsch Nebel. Er kann hier plötzlich auftreten und ins Nichts führen. Heidegger spricht von „in das Nichts hineingehalten.“ Das Sein erlebe ich im Bruma aber besonders intensiv. Das vollkommene Nichts assoziiere ich mit dem Schwarz von Malewitsch. Im Bruma gibt es immer eine Ahnung von Licht, eine Schärfung der Sinne im „leeren“ Raum. Die Zeit gewinnt an Bedeutung. Es gilt abzuwarten, wann der erste Schritt zu wagen ist. Die Leere auszuhalten, bis sich die Tafeln mit farbigen Teilchen füllen, ist ein magisches Spektakel.