Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: November 2021

Ein Monat noch bis zu den „last horizons“. Wenn Musikjournalisten in einer über lange Zeit gestalteten Sendung ihren letzten Auftritt haben, überlegen sie sich gut, welchen Song, welches Instrumentalstück, sie am Ende auflegen. Mir war sehr schnell klar, was der letzte Song sein sollte, aber dann, später, jetzt, wo ich über der finalen Playlist der fünf Stunden hocke, kommen mir Zweifel, ob es nicht zu arg selbststilisierend sei, dieses bestimmte Lied zu spielen. Mhmm. Andererseits, selbst der favorisierte Song ist eine Projektionsfläche für jeden einzelnen Hörer, eigene Bilder, Gedanken einfliessen zu lassen.

Nun, eine Alternative habe ich: ein simpler, fast schlagerhafter  Discosong aus Spanien, der seinerzeit das grosse Finale bildete eines meiner Lieblingsfilme eines spanischen Regisseurs. Die Schauspieler sind top, und die längste Sexszene, an die ich mich im Kino erinnern kann, kommt darin auch vor. An dem Tag des Drehs kamen die beiden lange nicht aus dem Bett raus, erzählte später der alte Meister (was ganz sicher am Regisseur lang, der absolute Intensität wollte) – und was immer sie über die ernüchternde, lustfeindliche Atmosphäre bei erotischen Filmsequenzen in „seriösen“ Filmen gelesen haben – mir kann keiner erzählen, das bei diesen zahlreichen Stunden im Bett und vor der Kamera alles aseptisch und lustfrei von der Bühne gegangen wäre.

Für die beiden Akteure war es ein Fest, glaube ich, joie de vivre pur, so wie der Song aus der Feder von Keith Jarrett, von dem ich Jon Hopkins gestern erzählte („briming with life“ nannte ich das Stück), und das die Stunde einleiten wird, in der auch seine feine „Music for Psychedelic Therapy“ ertönen wird. Wie gesagt, ich liebe den Song, den das Paar (und eine Freundin) in der Schlussszene im Auto mitsingen, lauthals, der aus dem billigen Radio tönt. Man sieht keinen DJ, keinen „nighthawk“, nur das Liebespaar, und ein kleines Auto, das durch die Landschaft brettert. Eigentlich ein perfektes Finale. 

2021 19 Nov

Über Musik im Dunkeln

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Das erste Wiederhören von David Sylvians „Manafon“ nach Jahren und Jahren, in aller Stille und Dunkelheit,  erinnert mich daran, wie unheimlich gut dieses Album ist, die lyrics, die Sounds, die Stimme, und er singt sogar, eine Art Dreiviertel-Gesang. (No question I have to go back and listen to „Manafon Variations“ soon.) 

In meiner Erinnerung bin ich nie warm geworden mit dem Album, dass David Sylvian mit Robert Fripp gemacht hat, und worüber sich die beiden in die Haare geraten sind, im Laufe des Projekts, weiss ich nicht. Teambuilding ist so eine Sache. Sakamoto und Sylvian ergänzten sich besser. Immer wieder faszinierend, der Griff ins Regal, zu Robert Fripps frippertronics-Solo „Let The Power Fall“, zwei Vinylseiten einer Art strenger, unnachgiebiger Magie.

Erfahre heute, dass S. die Sauna am Meer, hnter Kampen, öffnet für unsere „kleine Gesellschaft“, am Nikolausabend. Und ich muss nicht lange überlegen – aus der Sonos-Box wird Jon Hassells „Possible Musics“ ertönen. Ringsum Wind, und sechs Lauscher in der Nacht. (Alle Saunisten 2G+, besser geht‘s nicht)

Der Abend beginnt gut. Space Cookies (natürlich vegan🤣), und, wieder ist er im Spiel, bei der Surroundversion von „Leviathan“ von The Grid with Robert Fripp. Näher kommt meine Petrolcouch einem John Lilly-Wassertank nicht.

 

… and at nighttime only, Paul Bley, „Open, to Love“, the album.

2021 18 Nov

Inspiration

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2021 18 Nov

The rating thing

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Giving stars, rating, ranking, a topic with different points of view, in case of music, too. The thing with evaluations.

Now, philosophically speaking, yes, nothing less, moving through the space of aesthetics and phenomenology and post-structuralism with easy baggage: the subject makes a chart, a top 20-list, kind of. Remember the ancient times of Gregorius and me exchanging our deep felt love letters for our albums of the year, oh, dear.

Now, here‘s the simple solution to the dichotomy of ranking and not ranking, i.e. saying thank you all in equal measure vs. ranking in numbers. There are reasons within the perceiving subject that make him and her love one album a bit more than another, a tiny bit more. This simply is the richness of individual experience, and has nothing to do with playing Mr. Merciless (most of the part).

So, yes, for some, occasionally unspeakable reasons (the sum of sensations, no „Stunde der wahren Empfindung“ required), I do prefer my number 1 being number 1 and not being number 2. So this way I regard rating as a kind of thank you acknowledging that, in spite of the probably tremendous and not measurable qualities of the chosen musics, I can make these choices with sincerity and affection.

I always found it interesting when people preferred the early Beatles to their later, more elaborate pieces of work. They had good reasons, too. It‘s all about degrees of affection. And the story of your life. 

For example, I do  not need the the big B’s of Klassische Musik in my life (Brahms, Beethoven, Bach – except (sometimes) when being played in a special way on an ancient piano that sounds like a steam engine). That‘s my rating: no deeper degrees of affection here (though no doubts this music has something, or a lot, for other people).

When preferring Talk Talk‘s „Lauging Stock“ to Schubert‘s „Winterreise“ – it‘s a fair choice. Or Bob Marley’s „Catch A Fire“  to Beethoven’s Symphony No. 8. Easy peasy, an open mind, the gates of perception! That said, I do not hesitate to put my thumbs down when listening to stuff that sounds high brow, cold – dead fish music. No apologies.

Ah, nearly forgotten, the album cover upfront: Steve Tibbetts – The Fall of Us All, my album of 1994, unrivaled. A lifer!

 

2021 17 Nov

Die Fritteuse des Schmerzes

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Irgendwann, spätestens 2017, ging es los, mit seltsamen, linksseitigen Nacken-Kopfschmerzattacken, die alle sechs bis vier Wochen wieder und wieder langsam anfluteten und mich dann jeweils vier Stunden in den Horror schickten, bevor sie sich in heitere Luft auflösten. Die Zeitintervalle zwischen den Höllentrips wurden mit  den Jahren kürzer. Nicht gut. Ich lernte neurologische Tests kennen, das MRT meiner HWS, Kieser-Training, Ostheopathie, Akupunktur, LSD-microdosing, chiropraktische Kunst, Liebscher-Bracht, die gesamte Palette der Opiate bis hin zu Fentanyl. Alles vergeblich (für meine Symptomatik, wohlgemerkt), bis auf invasiv verabreichtes Dipidolor (was aber im Alltag nicht praktikabel ist). Als Schmerzmittealallergiker war meine Auswahl eh begrenzt. Vier, fünf Schmerztherapeuten sagten mir in den Jahren, mit Cluster-Kopfschmerz habe das nichts zu tun, so wie ich es schilderte, ohne dies und das, ohne Aura, Lichtblitze, oder Schmerzexplosionen in Augennähe.

 

Nach all der Zeit schickte mich die neue Hausärztin U. W. (Glücksfall!) zu einem Kollegen, nachdem sie zuvor länger mit ihm über meinen Fall gesprochen hatte. Er empfahl ihr (vor dem Erstgespräch bei eben diesem Allgemeinmediziner und Schmerztherapeuten – V. E.), mir Zolmitriptan zu verschreiben. Und nun scheint es so (wenn keine besonders tückische Volte des Schicksals dahinter steckt), dass ich endlich, endlich, endlich, eine Fritteuse des Schmerzes gefunden habe: im Moment spricht nämlich eine Menge dafür, teilte mir der in einem Netzwerk europäischer Migräne-Spezialisten mitwirkende Doktor mit, dass ich an einer seltenen Form eines trigemino-autonomen Blabla-Kopfschmerzes leide, und ein Triptan der Schlüssel sein könnte.

 

Zwei dieser Schmelztabletten hatten nämlich dem Schmerz jüngst zweimal in Folge den Garaus gemacht, in kurzer Zeit, als er noch ganz unten auf der Skala war. Ich habe mich selbstredend bereit erklärt, Teil einer wissenschaftlichen Studie zu werden über diese atypische Variation einer „Migräne“. Fünf „Attacken-Brechungen“ soll ich nun dokumentieren, und wenn der Schmerz jeweils lange vor dem Höhepunkt frittiert wird, ist alles wieder gut. Wie doof von mir, niemals auf Triptane zu setzen, nicht einen einzigen Versuch zu machen, aber es waren Fachleute, die, als ich davon sprach, reihenweise den Kopf schüttelten und dringend davon abrieten. Merke: es gibt „Experten“, und es gibt Experten. Egal. Die Fallstudie wird dann ggf. anno 2022 nachgeliefert.

 

Eberhard Weber ist mir in diesem Jahr einige Male begegnet, einmal nachts, als ich „The Following Morning“ auflegte, und später das erste Stück dieses Klassealbums aus den Siebziger Jahren für die erste Hälfte der finalen Stunde meine letzten Radionacht Klanghorizonte im Dezember auswählte, vor einem herrlichen Song aus dem nur aus herrlichen (oder „fraulichen“??) Songs bestehenden Album „50 Words for Snow“ von Kate Bush. Aber ich schmeisse gerne manch noch so gelungene Sequenz um, wenn eine andere Idee sich durchsetzt.

Dann hörte ich ein Solo-Konzert aus den Neunziger Jahren, aus einem Theater in Avignon, das jüngst bei ECM veröffentlicht wurde. Ich las von einer Eberhard Weber-Ausstellung, die gerade zuende ging – und, ja, Echos aus der Ferne: als ich das erste Stück der CD „Terrain“ des Portico Quartet hörte, kamen mir hier und da die luftigen repetitiven Wirbel der „ride cymbal“ von Eberhard Webers Album „Yellow Fields“ dachte! Ein weiterer ECM-Klassiker der frühen Jahre, den man auch  organische Puls-Musik“ nennen könnte (wenn das nicht zu sehr nach veganem Lebensstil klingen würde), und der bis heute nichts von seiner Magie verloren hat. 


„Terrain“ ist das beste Album, dass das britische Quartet je gemacht hat. Und es ist ein Album, dem man am besten von Anfang bis Ende lauscht, alles andere macht wenig Sinn. Es ist, nebenbei bemerkt, exzellent aufgenommen, und muss keineswegs laut gehört werden. Die Musiker leisten sich den Luxus, ihre Tableaus in oft recht hohen Tonlagen anzusiedeln, ohne schrill zu werden. Die Luft ist halt dünn in solch entlegenen Gebieten (und Nachtlandschaften), über welchen all diese Sounds schweben und entschweben, mitsamt ihren Perspektivwechseln, Eindunklungen, und Verwirrspielen. Das zweite Album, das die Band in diesem Jahr herausbrachte, „Monument“,  ist leichter und lichter als „Terrain“ und hält andere „Fascinosa“ bereit.

 

2021 15 Nov

Wir sprechen später darüber!

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An dem Tag, als ich Neil Young entdeckte, im Schaufenster eines Plattenladens in Paignton (und Menschen haben mitunter kristallklare Erinnerungen an die Augenblicke, in denen sie Cover entdecken von Alben, die erst später am Tage auf einem Plattenteller landen, also Liebe auf den ersten Blick, seltsam irrational, weil noch kein Ton zu hören war), da war es vor der Tür hochsommerlich warm (Palmen in der Nähe, der Golfstrom sowieso), und neben dem Cover von „After The Goldrush“ (ein unfassbar faszinierendes Cover – lassen sie es mal vor das innere Auge treten, und gleichen sie das entstandene Bild mit der Wirklichkeit ab), stand die Platte „We‘ll Talk About It Later“ von „Nucleus“ hinter dem Glas, an dem ich meine Nase plattdrückte. Ich kaufte „After The Goldrush“ sofort, und machte mich kundig, was „Nucleus“ betraf, und Miles-Davis-Fan Ian Carr, und auch das Album gefiel mir ziemlich gut, als ich es mir später in D. besorgte. Ich habe es ewig nicht gehört, hätte aber bestimmt Freude am Wiederentdecken (sang da auf einem Stück Norma Winstone mit – kann mich täuschen). Young haute mich um, und einen Tag später konnte ich „Tell Me Why“ mitsingen, lernte die in vom Kanadier hingekrakelten lyrics auswendig, wunderbar.

 

Wurzeln im Drahtkäfig. In Tagträumen versunken schaufle ich Löcher, versenke Käfige samt Inhalt, fülle frische Erde auf. Winterglocke, Koröser Weichsel, Hauszwetsche, Apfelquitte, Accolade. Werden die Käfige verrotten und die Bäume wachsen?

Genau: eine andere schwarze Welt. Dreimal tief in das Damon Albarn Album eingetaucht, dreimal um die Klänge herumgestreunt: gespenstisch-schwebende Partikel, ein seltsam in sich geschlossenes Album voller Spiegelungen. Musik der Dunkelheit.

Monument ist weniger ausufernd als Terrain, weniger unmittelbar, leichter zu hören. Portico Quartet haben dieses Jahr erst ein ganz und gar großartiges, danach ein gutes bis sehr gutes Album veröffentlicht – treibend, monochrom.

Groovemonster: Roots von Ian Carr’s Nucleus macht mir nicht nur unverschämt gute Laune, sondern auch Lust, tagelang Weather Report zu hören. Ein paar Mal war ich im Internet über diese Wiederveröffentlichung gestolpert, hatte aber immer den Eindruck, dass dieser 70er Jahre Fusionjazz nichts für mich ist. Beim dritten Reinhören konnte ich nicht verstehen, warum ich an dieser Musik gezweifelt habe. Das Artwork auf dem Cover ist ausserdem völlig durchgeknallt. Aber hey: Wer braucht nicht einen Roboter, der beim Stricken hilft? Wieso liegt da ein Staubsauger herum? Hat J.K. Rowling hier Inspiration für Harry Potter’s Zimmer bei den Dursleys gefunden? Dazu noch diese Farbgebung … ein quietschbuntes, fettes Groovemonster.

Staub im Mondlicht. Die Nacht wirft silbrige Muster über die Gedanken. Ich hänge der Zeit hinterher, verloren im kalten Strom der Daten – Magie in der Allgegenwart.

2021 14 Nov

Another black world

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Das nenne ich eine Überraschung, oder auch, kalt im Dunkeln erwischt mit der Gespenstermusik des Jahres. Flüchtiges  Hören ist nie ratsam, und hier kontraindiziert. Zuvor lassen sie mich sagen, dass kein Album von Damon Albarn mir annähernd so ans Herz gewachsen ist wie „Everyday Robots“. Hier gesellt sich nun ein neues Faszinosum hinzu, denn dieses Album des Engländers hat es in sich. Erst, in manch verwegenem Einbruch von Saxofonen, dachte ich an Robert Wyatt, dann, wenn es fast zur Regel wird, betörende Melodien implodieren zu lassen, an die Spätwerke von Scott Walker – und an den englischen Horrorfilm und seinen betörenden Soundtrack, „The Wicker Man“ dachte ich auch kurz. Aber das sind nur ferne Assoziationen, dieses Album ist komplett idiosynkratisch (ja, das Wort mach hier Sinn). Freunde des Nordens, in abgeschiedenen Zonen von Devon (und die kenne ich selber als Freund englischer Südküsten) und Island entstanden diese zerfliessenden „Hörspiele“ und „Songs“, und ganz finster wird es, wenn der „Tanz der Druiden“ beginnt (so nenne ich das mal, was mir da widerfuhr) – sobald das Finale scheinbar sein Ende gefunden hat, und dann doch, nach längerer Stille, dorthin aufbricht, wo auch ein David Lynch noch das Gruseln lernen könnte. Ich habe sie gewarnt. Ein tollkühnes verwegenes Album mit Momenten der berüchtigten atemraubenden Schönheit. Und, in den Worten unseres Freundes Alex Petridis:

 

The lyrics are filled with disquieting memories of happier times: children playing on a beach, abandoned buildings where parties were once held. Ostensibly a love song, even the relatively upbeat Royal Morning Blue sounds haunted by something other than the relationship at its centre: “Nothing like this had ever happened before … stay by my side at the end of the world” … (…)  For the most part, the album’s mood is affecting and enveloping. If there’s a thread that runs throughout Albarn’s diffuse projects, it’s a specific type of melody, suffused with a weary sadness, played out over descending chords. (…) The  tune of Daft Wader is plaintively beautiful, at least until it collapses into dark, foggy ambience; Darkness to Light swoons languorously in waltz time; the bleak travelogue of The Tower of Montevideo fits perfectly with its sighing tune.

2021 13 Nov

Meine fünf Lieblingsalben 2021 (Platz 4)

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„For Nik Bärtsch’s Entendre, recorded in the spacious surroundings of the Auditorio Stelio Molo, Lugano, Bärtsch sits alone with a Steinway grand, laying bare the wireframes and stratifications of his polymetric ‘ritual groove music’ (described more as templates, rather than prescribed compositions). At face value, it’s difficult to imagine how the complexity and fullness of the Ronin sound world can be presented this way; might it be just a pale reflection? As these absorbing fifty minutes or so prove, honed after Bärtsch’s 2017 solo piano tour experiences in Teheran, Cairo, Alexandria, Kolkata and Delhi, certainly not.“


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