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2021 21 Nov

Der kurze Brief zum langen Schmerz

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 19 Comments

 

ANHANG 2 MEINES BESCHWERDEBRIEFES AN DIE ZUSTÄNDIGE STELLE DES KLINIKUMS DER RWTH AACHEN 

Gestern schrieb ich das, was in altem Deutsch ein „geharnischter  Brief“ genannt wird, na gut, es war eher eine sachliche Mail. Ich wandte mich an den Leiter der Schmerzambulanz der RWTH Aachen. Und an die Beschwerdestelle des Klinikums. Ich fasste kurz die Sachlage zusammen. Als ich ca. Ende 2019 erstmals die dortige Ambulanz betrat, hatte ich in der Folge mit drei Schmerztherapeuten*innen zu tun. Sie bekamen meinen Fall dargestellt, und niemand von ihnen hatte die Idee es mit Triptanen zu versuchen. Da ich bekanntermassen auf alle üblichen Schmerzmittel bis auf Opiate und Paracetamol allergisch reagiere (und Triptane nicht aus eigene Erfahrung kannte, ein Medikament, das ganz anders „funktioniert“), wurde mir wohl, wie so oft, wenn man nichts weiss, „multimodale Schmerztherapie“ verschrieben, also etwa zehn Arten, die „Seele baumeln“ zu lassen, von TCM bis „Kieser“. Nett. Auch Opioide lernte ich durch die Bank kennen, und bekam einen Eindruck, wie der eine Zeitlang Opium konsumierende Frederic Chopin sich gefühlt haben musste, wenn er morgens am Klavier seinen Klavierfantasien freien Lauf liess. Dass alle drei Schmerztherapeuten sich nicht auskennen mit „atypischen Variationen“ von Kopfschmerz (gar nicht so weit vom Schuss lag ich von Anfang an, wenn ich meine Schmerzstörung als „Nackenmigräne“ bezeichnete), ist, rückblickend, ärgerlich und ernüchternd. Erst ein „echter“ Kopfschmerzspezialist brachte mich unlängst auf die richtige Spur. Dafür bin ich total dankbar. Zwar steht die finale Validierung noch aus, aber alle Anzeichen deuten auf das Ende der brutalsten Schmerzgeschichte meines Lebens, flankiert von, in meinem Fall, krass fehlerhaft agierenden Schmerztherapeut*innen. Für meine Begriffe handelt es sich hier um einen Kunstfehler. Das Naheliegende nicht zu beachten. Eine juristische Prüfung  zwecks Klage auf Schmerzensgeld behalte ich mir vor.

This entry was posted on Sonntag, 21. November 2021 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

19 Comments

  1. Chrissie:

    Das freut mich für Dich bzw das Vorausgegangene tut mir natürlich leid. Das ist ein generelles Problem von Erkrankten ( meine Geschwister sind Ärzte und ich habe zwei schwerst migränekranke Freundinnen) : Man ist darauf angewiesen auf einen Medizinfrau/mann zu treffen der die richtige diagnostische Einschätzung hat – sonst dauerts unter Umständen bis zum St. Nimmerleinstag. Von daher ist das – von Ärzten verpönte – Doctor – hopping durchaus der richtige Weg.
    Die multimodale Schmerztherapie ist sowas wie Hühnerbrühe – schmeckt, hilft immer irgendwie und wenn nicht schadets nicht und der Patient kann kurzzeitig Hoffnung schöpfen und Gleichgesinnte kennenlernen.Und die Kliniken werden ja zunehmend privatisiert und arbeiten gewinnorientiert – Denkarbeit des Arztes – also sich in einen Fall ( sic ) hineinzuarbeiten ist nicht rentabel. Hühnerbrühe schon, bietet ja jetzt schon fast jede Klinik an. Seltene Krankheiten sollte man halt einfach nicht kriegen….

  2. Michael Engelbrecht:

    Ich bin der letzte, der sich hier auf Jammern verlegt. Aber die ganze Sache ist ein Musterbeispiel für einen unnötig langen Irrweg – TRIPTANE sind ja keine Exotica mehr. Täglich nehmen eine Million Menschen in Europa diese Medikamente zu sich, wie ich zuletzt erfahren habe.

    Und von ausgebildeten Schmerztherapeuten muss man schon erwarten können, dass sie a) atypische Formen von Migräne kennen und b) es auf trial and error ankommen lassen.

    Mein Anteil an der Sache (zumal ich sehr experimentierfreudig gelte): ich hätte es selbst auf einen Versuch ankommen lassen sollen – dass es diese Triptane gibt, wusste ich schon lange. Aber „ärztliches Wissen“ hielt sie in meinem Fall für abwegig. Und diverse Ärzte rieten sogar davon ab.

  3. Chrissie:

    So ist es!
    Schmerzambulanzen sind ja oft Sammelsurien von allgemeinen Wellnesslern. Autogenes Training, Phantasiereisen, Reiki, Wirbelsäulengymnastik….manchen hilfts sogar. Aber eigentlich sollte man Triptane auf jeden Fall zeitig ausprobieren und nicht jahrelang warten.

  4. Uwe Meilchen:

    Michael, unabhängig davon dass ich mich sehr sehr freue dass jetzt ein Weg aus dem Schmerz für Dich gefunden ist frage ich mich mittlerweile sowieso wen im medizinischen Bereich es noch interessiert dass die Kranken gesund werden. Arbeitsfähig hat man zu sein !

    Und ich denke auch die psychisch Kranken die monatelang auf Therapieplätze warten, an traumatisiert aus ihren Einsatzorten zurück kehrenden Soldaten und natürlich auch an die aktuelle Lage mitten in der vierten Welle.

  5. Michael Engelbrecht:

    @ Chrissie: ich hätte die Triptane allemal ausprobiert, aber meine bedrohlichen Reaktionen auf Aspirin, Novalgin etc. liessen es mir ratsam erscheinen, das nur unter ärztlicher Kontrolle zu machen. Und überhaupt rieten alle Schmerztherapeuten eindeutig von diesem Mittel ab – bis auf, finally, V. Espenkott.

    @ Uwe: da gilt es zu differenzieren: es gibt sehr, sehr viele gute Ärzte, sehr viele im med. Bereich, die sich mit enormem Engagement dafür einsetzen, dass ihre Patienten gesunden.

  6. Chrissie:

    Nackenmigräne ist aber etwas durchaus Bekanntes, bei einem grossen Teil der Migräniker hakts an der Halswirbelsäule, in leichteren Fällen helfen auch die bekannten Extensionsbehandlungen – vulgo das Aufhängen. Da hätte man Dir gleich zu Anfang einen Triptanversuch – dann eben 1 Tag Klinik, so what – anbieten sollen. Unsere Mutter ist ihre Anfälle durch Extension dauerhaft losgeworden.Von einer seltenen Krankheit kann man da wirklich nicht sprechen.

  7. Michael Engelbrecht:

    Danke. Wie gesagt. Ich habe ganz früh diesen Begriff dafür gewählt, es hat aber keiner auf mein Wort „Nackenmigräne“ reagiert. Bis auf den letzten Arzt, dem war das bekannt. Und er gab mir ja auch das Medikament.

    Ist das, was du ansprichst mit der Nackenextension, sowas wie hier:

    https://ypsi.de/warum-optimale-nackenextension-einer-der-meist-unterschaetzten-faktoren-fuer-optimale-mobilitaet-ist/

    Ich frage also einen Physio meines Vertrauens?

  8. Chrissie:

    Ich verstehe nicht viel von Physio, weiss nicht obs das jetzt trifft. Früher hat man die Leute an einer Kinnschlinge aufgehängt um die Halswirbel etwas auseinanderzuziehen und die Bandscheiben zu entlasten, war nicht ungefährlich, es kam zu Gefässabrissen und Thrombenbildungen. Geschweige denn der psychischen Auswirkung auf ein derartiges Arrangement.Jetzt macht man das auf einem sog. Schlingentisch – kannst Du googeln. Da ist die Zugwirkung besser steuerbar.
    Es gibt auch einfache unterstützende Übungen mit dem Pezziball: Platt auf den Boden legen, Beine über den Ball und eine Person Deines Vertrauens zieht an den Füssen. Wirkt bis in den Nacken. Entspannt toll die Rückenmuskulatur, hat man mir nach ein paar heftigen Migräneanfällen angedeihen lassen – die gingen aber erst weg als ich merkte dass ich bloss keinen Rotwein, kein Weissbier und keine Mixgetränke zu mir nehmen darf. Dann war Ruhe.

  9. Michael Engelbrecht:

    Komplexes Thema. Wird alles gecheckt.
    Vielen Dank nochmal.
    Mehr dann dazu im Frühjahr.
    Ich freue mich auf das „Frittieren“ der nächsten Attacke😉

  10. Chrissie:

    Bitteschön!Gutes Gelingen!
    Histaminintoleranz und Nahrungsmittelunverträglichkeit ist ja bestimmt abgeklärt?

  11. Michael Engelbrecht:

    Yes, mam.
    Was machst du eigentlich beruflich?
    Gerne an: micha.engelbrecht@gmx.de

  12. Michael Engelbrecht:

    Hier eine neue Entwicklung, Antikörpertehrapie hat in letzter Zeit enorme Erfolge bei diversen chron. Erkrankungen erzielt.

    Laut Schmerzklink Kiel / Info:

    Eptinezumab erhält positives Votum der EMA zur Migränevorbeugung

    Am 11. November 2021 gab der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) in Amsterdam ein positives Gutachten ab, in dem er die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen des Arzneimittels Vyepti zur Migräneprophylaxe empfahl. Der Antragsteller für dieses Arzneimittel ist H. Lundbeck A/S. Vyepti wird als 100-mg-Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung erhältlich sein. Der Wirkstoff von Vyepti ist Eptinezumab, ein humanisierter monoklonaler Antikörper, ein Migräneprophylaktikum (ATC-Code: N02CD05), das durch die Verhinderung der Aktivierung der CGRP-Rezeptoren wirkt.

    Der Nutzen von Vyepti besteht in einer Verringerung der monatlichen Migränetage. Die häufigsten Nebenwirkungen sind Nasopharyngitis und Überempfindlichkeit. Die vollständige Indikation lautet: Vyepti ist angezeigt zur Prophylaxe von Migräne bei Erwachsenen, die mindestens 4 Migränetage pro Monat haben.

    Vyepti sollte von Ärzten verschrieben werden, die Erfahrung in der Behandlung von Migräne haben.

    Detaillierte Empfehlungen zur Anwendung dieses Arzneimittels werden in der Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (SmPC) beschrieben, die im Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (EPAR) veröffentlicht wird und in allen Amtssprachen der Europäischen Union verfügbar ist, nachdem die Europäische Kommission die Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt hat.

    Eptinezumab bindet an das Calcitonin-Gen-verwandte Peptid (CGRP) . Das Arzneimittel verhindert, dass CGRP an seinen Rezeptor bindet. Dadurch werden Migräneattacken vorgebeugt. Vyepti ist der erste Migräne-vorbeugende Antikörper, der durch intravenöse Verabreichung gegeben wird. Vorteil ist das Erreichen schneller therapeutischer Wirkstoffspiegel im Blut. Die Wirksamkeit kann so bereits am Tag der Infusion eintreten. Die Infusion erfolgt innerhalb von 30 Minuten. Sie wird alle 12 Wochen verabreicht. Patienten mit Migräne wird so eine vorbeugende Therapie mit 4 Behandlungen pro Jahr ermöglicht.

    Die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit von Vyepti wurde in zwei klinischen Phase-III-Studien nachgewiesen, PROMISE-1 bei episodischer Migräne1 und PROMISE-2 bei chronischer Migräne2. Signifikante Effekte wurden für die primären Endpunkte Abnahme der mittleren monatlichen Migränetage (MMD) über Wochen 1 bis 12 sowohl bei episodischer als auch bei chronischer Migräne erzielt.

    Die mittlere Reduktion der MMD betrug bei episoder Migräne rund 4 Migränetage pro Monat und bei chronischer Migräne rund 8 Tage pro Monat. Eine Effektivität gegenüber Placebo wurde für beide Vyepti-Dosen bereits am ersten Tag nach der Infusion beobachtet. Die Sicherheit von Vyepti wurde bei 2.076 erwachsenen Patienten geprüft. Häufigsten Nebenwirkungen (≥2% und mindestens 2% oder mehr als Placebo) waren Nasen-Rachenraumentzündung und Überempfindlichkeit. 1,9% der mit Vyepti behandelten Patienten brachen die Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen ab.

  13. Chrissie:

    Oh, der Beruf ist kein Geheimnis: Halbes Medizinstudium bis zur Erkenntnis dass ich für den Beruf nicht belastbar genug bin, dann Arbeit als Bestrahlungsassistentin und Umgang mit schmerzgeplagten Leuten, dann aufgrund eines Übermasses an Fliessbandarbeit in diesem Beruf und null Raum für Kreativität Sonderpädagogik mit Schwerpunkt Autismusspektrumsstörungen.
    Adresse ist notiert für spätere Einfälle, danke!
    Triptane per Infusion: Was machst Du dann beim permanenten Herumschweifen an abgelegenen Orten? Selber die Infusion anlegen?

  14. Michael Engelbrecht:

    Interessant. Für den Laien klingt aber Bestrahlungsassistentin ein bisschen gefährlich …

    Die zwei Male, in denen die Triptane bislang des Schmerz frittiert haben, funktionierten mit je 5 mg Lorotriptan. Infusion scheint also nicht nötig.

    Bislang hatt ich zweimal Infusionen mit Dipidolor 7.5 – jede andwre Verabreichung eines Opioids erwies sich als mehr oder weniger nutzlos, ob subkutan oder sublingual.

    Falls du Sylt mit dem abgelegenen Ort meinst: dort ist sie Friesenklinik hochmodern, da wäre ich in kürzester Zeit, aber nir wegen Dipidolor, und das wird hoffentlich dank meiner Triptane-Trips nicht mehr nötig sein.

    Waiting, hoping, seeing🙆🏻

  15. Jochen:

    Gestern gab es auf Visite (NDR3) einen guten Beitrag über Nackenprobleme. Dort wurde auch auf das Phänomen „Nocepo“ (im Gegensatz zu Placebo) aufmerksam gemacht. Der Effekt einer MRT-Diagnose kann auch Symtom-verschlimmernd sein.

    Es gibt einen Arzt in Rostock, der interessante Bücher über die „Schwachstelle Genick“ geschrieben hat. Er behauptet, dass Disfunktionen dort zu Folgeerkrankungen (Mitochondriopathie etc) führen können …

  16. Michael Engelbrecht:

    Ich bin übrigens tatsächlich der Meinung, und stehe da nicht alleine da (jetzt fehlt nir noch ein Jurist): dass die Schmerzambulanz der RWTH Aachen sich differentialdiagostisch einen krassen Kunst- und Anfängerfehler gekeistet hat, nämlchen bei einer „atypischen Migräne/Clustersymptomatik Triptane NICHT zu versucht zu haben. Ich gehe das sehr locker an, schaue einfach, ob die sich einem offenen Gespräch mit mögl. juristischen Optionen stellen.

  17. Michael Engelbrecht:

    @ Jochen: Mitochondriopathie – das brauche ich aber nicht wirklich. Es könnte sein, dass ich wirklich den Schlüssel gefunden haben, und mir an die, was weiss ich , 250 Horrorschmerzstunden eingehandelt habe in Schüben, weil ausgebildete Schmerztherapeuten Triptane (trotz klarer Indikation bei zahlreichen Migräneformen) nicht mal in Erwägung zogen.

    Ich bin reif für die Insel, freue mich unheimlich auf Sylt im Dezember.

  18. Jochen:

    I guess everyone has their own case ;)

    Good luck.

  19. Chrissie:

    Ich BIN gefährlich!
    Es gibt schon sehr lange die
    berühmte Migräneklinik in Kiel, dort wird hochdosiert mit Cortison behandelt, zuhause nach Entzug haben die Leute dann noch cortisoninduzierte Kopfschmerzen. In der Klinik sind sie gut drauf. Geht alles.
    Mit „falsch diagnostiziert“ geht juristisch nicht viel, obwohl der Anwalt sicher dazu raten wird – pro domo.
    Aber probiers….
    Mitochondriopathie bei Schleudertrauma par example ist gut bekannt, früher als unerklärliche langdauernde Erschöpfung in Erscheinung getreten, da dachte man oft an Simulation, weil man sich den Zusammenhang zwischen verrutschten Halswirbeln und reduziertem Allgemeinbefinden nicht erklären konnte.


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