Den Rückblick kann ich wagen, weil ich bis Weihnachten, was das Lesen angeht, ausgebucht bin, mit drei Büchern, die fernab des Thriller-Genres zuhause sind. Bis auf ein Buch liegen alle Krimis in deutscher Übersetzung vor, die englischsprachigen habe ich in der Regel schon vor längerem gelesen. Platz 1 gebührt, mit denkbar knappem Vorsprung, Attica Locke: Black Water Rising. Platz 2 ist eine wahre Entdeckung und erinnert mich an die Zeit, als ich als Teenager in Eugene Sues „Die Geheimnisse von Paris“ versunken war: Juan Gómez-Jurado: Die rote Jägerin (ein Klasse-Schmöker aus Spanien, sehr ungewöhnlich, sehr schwarz, noch schwärzer, und doch mit Momenten feinen Humors durchsetzt). Platz 3, wahrlich keine Überraschung über die Jahre, ein alter Favorit: James Lee Burke: Dunkle Tage im Iberia Parish (wunderbar, die Edition des Pendragon Verlages, höchste Qualität von Band zu Band). Platz 4 geht an den unermüdlich wagemutigen Heinrich Steinfest: Die Möbel des Teufels (so kann das Surreale den Zauber des Magischen Realismus entfalten). Platz 5 ist nicht minder überbordende Fantasie, und ein Genre-Mix für Freunde von R. L. Stevenson und Sir Arthur Conan Doyle, ein Rausch der Verwegenheit, der dennoch keinen einzigen Spannungsbogen überdreht: Stuart Turton und sein etwas anderer „Historienroman“ Der Tod und das dunkle Meer. Platz 6 verdanke ich der Empfehlung von Laura Wilson, ein Lob an dieser Stelle der „Thriller-Kolumne“ des „Guardian“: David Heska Wanbli Weiden: Winter Counts („this book is both, a solid take on a trope familiar to readers of crime and western genres – the lone man’s quest for justice – and an authentic and humane view of a largely unreported world, ravaged by years of systemic oppression.“, Laura Wilson) / Platz 7 geht an S. A. Cosby und seinen temporeichen wie tiefgehenden Roman Blacktop Wasteland (wer den Film „Driver“ liebte, kann hier einen weiteren „Driver“ erleben, und einen amerikanischen Alptraum vor dem inneren Auge abrollen lassen. Fucking genius, Mr. Cosby). Platz 8 verbreitete sich in meinem Bekanntenkreis wie warme Semmeln am Samstagmorgen – bei aller Hochspannung aber keine so leichte Verkostung – das Buch der Dänin erhält von mir den Stieg Larsson-Gedächtnispreis: Anne Mette Hancock: Leichenblume. Der nächste skandinavische „Burner“: auf Platz 9 der mir bis hierhin völlig unbekannte Christoffer Carlsson und sein Roman Unter dem Sturm (raffiniert gebaute Familiengeschichte, umheimlich subtil, und unheimlich spannend!) Könnte bis Weihnachten noch ein paar Plätze klettern – wirkt immer noch nach (Lektüre gestern beendet). Platz 10 ist jahrgangsunabhängig einem Klassiker (all time favourite) meiner Thriller mit Tiefgang vorbehalten, ich las das Buch im Laufe der Jahre zweimal, und selbst beim Wiederlesen war es episch-ungebremste Wucht: Val McDermids Echo einer Winternacht.