Mit zunehmendem Alter gefällt mir der Gedanke, für mich bedeutsame Bücher als Brückengeländer für Geist und Seele zu betrachten, auch als Proviant gedacht für die letzte Wegstrecke, wenn wir den Rubikon überqueren. Ein Schriftsteller rumänischer Herkunft, Meister der feinsinnigen und stilistisch wohlfeilen Aphorismen, gehört gewiss dazu. „Tausche zehn Bibeln gegen einen Cioran!“ höre ich mich scherzhaft sagen in einem jener unaufhörlichen Selbstgespräche, in denen sich das Gehirn seiner selbst vergewissert. Denn: die Religionen funktionieren nicht bei mir und ich denke oft an das Bild eines alten Herrn im Krankenzimmer, in seinen letzten Stunden, während vom Fernseher rechts oben in der Ecke Frau Käßmann spricht. „Stell das bitte aus, ich ertrage es nicht!“ bittet er seinen Sohn, der zu Besuch ist. So etwas tröstet mich, und zählt zu dem seltenen Trost, der nicht trübe ist. Aber jedem das Seine und mögen die tiefgläubigen Fundamentalisten ihrem Nächsten den Kopf abschlagen, im Namen ihrer Religion und dabei Smartphone-kompatibel einen auf gute Laune machen, wie man heuer mit Befremden wahrnimmt. Und auch in Dublin flogen Kugeln. Mein alter Herr übrigens, die Neunzig überschritten, wählt jetzt Grün, denn der Laschet sei ein Erz-Kathole. Und noch eins: so wie die Gläubigen mit missionarischem Eifer ihren Glauben in die Welt tragen, ist das den Ungläubigen selbstverständlich ebenso erlaubt. Gäbe es nämlich Skeptiker wie Cioran nicht, ich hätte den Rubikon wohl längst überschritten: vor Langeweile.