Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2021 21 Aug

„Let it be“

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 5 Comments

 

Es dauerte ja damals etwas, bis wir begriffen, dass die Beatles uns nicht dazu anhielten, etwas seinzulassen, sondern loszulassen. Aber, gut, wir hatten verstanden. Im wahren Leben dauert es etwas mit dem Loslassen, bei den Herzensangelegenheiten. Im Dezember lasse ich los – offiziell und ohne Rücktritt vom Rücktritt: die Klanghorizonte im August, Oktober und Dezember werden meine letzten Nachtsendungen im Deutschlandfunk sein, und die Sendung heute Nacht enthielt schon alles, was einen Abschied besiegelt, es könnte schon die letzte sein. Mit Jon Hassell in South Kensington sitzen, in einem tropischen Sommer 1990 und vom Pearl Hotel erzählen, in 40, West Cromwell Road (es war einmal) – gibt es ein besseres „see you down the road“? Meine erste Ausgabe der Klanghorizonte war im Frühjahr jenes Jahres. Wenn alles wie geplant läuft, verabschiede ich mich im Oktober mit einer ganz „normalen“ Sendung  incl. einer „Rhapsody in Dub“ in der Mitte (Garvey‘s Ghost wird dabeisein), und im Dezember mit dem, was mein Freund Brian Whistler „free form radio“ nennt. Dann wird jeder Track eine Spur, ein Thrill, und eine Zeitreise sein. Bevor ich jetzt in Stimmung komme, von Herman‘s Hermits „My Sentimental Friend“ aufzulegen (ich erinnere mich an einen heissen Augustnachmittag, in dem der Song aus dem Transistorradio erschall, im Wildbannweg in Dortmund-Kirchhörde, und ich den bis dahin unerwartetsten, heftigsten Kuss meiner Teenagerjahre bekam),  verrate ich ihnen, was gerade auf sechs Schallplattenseiten läuft, während ich diese Zeilen mit kleinen Atempausen uptempo runterspule, ein Album, für das die Worte „turn the volume up!“ erfunden wurden, Robert Hoods „Minimal Nation(die Ausgabe mit weissem Vinyl). Mehr Bauhaus als Jugendstil!

 
 

Loslassen Nr. 2

 

Dieser Groove stammt vom Juno 2. Es war eine Art „Grauzonen-Sound“, wie ich ihn nenne. So einen Sound hatte ich noch nie gehört. Ich erinnere mich, dass ich mich mit King Britt zusammengetan habe und ihn ohne Führerschein durch die Gegend gefahren habe, um ihm Detroit zu zeigen, und wir wurden von der Polizei angehalten. Und die Polizei hielt mich einfach an. Es war einfach hart, Mann. Am Ende hat mich die Polizei einfach gehen lassen, ohne Führerschein, ohne Versicherungsnachweis. King Britt war bei mir in der Wohnung und hörte sich ein paar Tracks an, und ich weiß noch, wie er sagte: „Wow, was du da mit diesem Juno 2 und all dem machst – das ist einfach anders. Du hast etwas Gutes damit. Das ist dein Sound.“ Und so wurde daraus, das ist mein Rhythmus, „The Rhythm of Vision“, denn „The Vision“ wurde ich genannt, als ich bei Underground Resistance war. Es passte einfach zu dem Sample und dem Groove, es machte einfach alles Sinn.

(Robert Hood)

 

Loslassen Nr. 3

 

Take your time, let‘s say, three weeks, one for each season of „The Leftovers“, learn „The Boxer“, each verse, no  other preparation required, sit back and float downstream, be ready to join the karaoke version of that Paul Simon song, and let every episode rush over you. As the show broadens geographically it does the same tonally, newly injected with a kind of mordant humor as its characters begin to give in to rather than resist its grand, apocalyptic currents. 

 

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5 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    A propos MINIMAL NATION:

    https://daily.redbullmusicacademy.com/2019/05/robert-hood-minimal-nation-track-by-track

    Ich brauch nicht so viele sog. „Techno-Alben“ in meinem Leben. Diese brauche ich.

  2. Lorenz:

    Ich werde mir die heutigen, nächtlichen Klanghorizonte sehr gerne wieder nachhören. Der Schlaf war stärker… und bedaure natürlich, dass es Ende diesen Jahres die letzten Sendungen sein werden.
    Aber zu Jon Hassell: (heute entdeckt) Hier gibt es auf vimeo ein knapp 40 min.
    Video von den Aufnahmesessions in Berlin von „Brilliant Trees“ von David Sylvian von 1983. R.Sakamoto, Holger Czukay, Jon Hassell und natürlich auch David Sylvian. Man schaut ein bisschen wie durch´s Schlüsselloch bei der Entstehung dieses immer noch unglaublich tollen Albums zu. Ganz großartig: Holger Czukay im Innenhof des Studios (Gitarrensounds outdoor beisteuernd), der sich dabei mit einer Berliner Nachbarin unterhält. Sie sollten doch Musik „spielen“ zu der sie tanzen könnte. Auch seine Arbeit mit den Verfremdungen (das muss wohl das Dictaphon sein). Und zu guter Letzt – Jon Hassell während der Trompetenaufnahmen zum Titelsong.

    https://vimeo.com/575291448

  3. Michael Engelbrecht:

    Ah, interessant. Was für Musiker da zusammenkamen!

    Was die Nacht betrifft, bist du ja nun bestens vorinformiert, Lorenz. Aber Geschichten hin, Wahrnehmungen her – nichts geht über das eigene Hören.

    Bei der Oktobernacht werden die ersten zwei Stunden anders: natürlich nur Neuerscheinungen, die mir sehr zusagen, aber hüjeweils nur eine Komposition pro Album. Aus der gestrigen Sendung kommt nur nochmal Dark Star Safari rein, fair genug, weil das Album erst in Wochen erscheint, vielleicht auch Eivind Aarset. Und während sich die gestrige Nacht praktisch hier auf dem Blog schreibend entwickelt hat, gibt es vor der nächsten Nacht keine Playlist. Aber wenn man sieht, was ich hier so schreibe, kann man nur wenig überrascht werden:) – aber ein bisschen schon….

    Gestern war ein besonderer Moment, als ich von meinem „Besuch“ im Eno Archiv The Lighthouse erzählte und dann aufs Theater des Herodes kam…. Ich verzichtete auf den Song, den Sonos mir erlaubt und als audio file zugesandt hatte, weil es atmosphärisch nicht gepasst hätte, und wählte ein ganz anderes Stück, a) kaum bekannt b) Zufallstreffer.

  4. Jochen:

    Hatte mir das gestern abend angeguckt, dann war ich selbst dabei, heute Nacht im Traum. Die Aufnahmen fanden in einem Schulgebäude statt. Ich kam zu spät, klopfte an den Klassenraum, öffnete die Tür. Die Musiker sassen schon in der Besprechung. David Sylvian hob fragend den Kopf. „Die deutsche Bahn, mal wieder!“ entgegnete ich genervt.

    „Spielt doch mal was Fröhliches!“ war ja auch immer so ein Imperativ im deutschen Nachkriegs-Wunderland. Klar, der Krieg war schlimm genug gewesen, da musste nicht jetzt auch die Musik noch bedrohlich sein. Dass aber Anneliese Rothenberger und Heinz Rudolf Schock die Nachkriegswunderkinder sonntags schockten, davon redet keiner ;)

  5. Michael Engelbrecht:

    Immerhin hatte das die NDW hier und da Witziges. Zum Beispiel Trio: Czukay liebte das erste Album. Und der Czukaysche Humor hatte ja auch was!


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