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2021 6 Aug

NARDIS

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | 8 Comments

Vielleicht haben Herr Klinger oder Mr. Whistler oder sonst jemand eine Lieblingsversion dieser berühmten Jazzkomposition (Michael Engelbrecht)

 

Das stärkste, erhebendste und reinste Wohlgefallen ist – dies ist meine Überzeugung – in der Betrachtung des Schönen zu finden. Sprechen nun die Menschen von Schönheit, so meinen sie streng genommen nicht, wie zu erwarten wäre, eine Eigenschaft, sondern eine Wirkung: sie beziehen sich, kurz gesagt, auf jene starke und reine Erhebung der Seele – nicht des Verstandes oder des Herzens – die in der Betrachtung des „Schönen“ erfahren wird. Daher bezeichne ich Schönheit als die Domäne der Poesie.

Wenn ich also die Schönheit als mein Gebiet betrachte, so bezieht sich meine nächste Frage auf ihre höchste Ausprägung – und alle Erfahrung hat gezeigt, dass dies ein Ton von Wehmut ist. Die Schönheit, gleich welcher Art, erregt in ihrer höchsten Entfaltung die empfindsame Seele stets zu Tränen. Die Melancholie ist also der legitimste aller poetischen Töne.

nach Edgar Allan Poe – The Philosophy of Composition (1846)

 

NARDIS ist einer der schönsten Jazzsongs überhaupt, eine Erfindung von Miles Davis. Er hat seine Komposition wohl nie selbst eingespielt. Bill Evans erschuf das umfassendste Kompendium dieses wunderbaren Stückes – eine Welt für sich. Niemand hat die tiefe Melancholie dieser Melodie so freigelegt wie Bill Evans in fast balladesken Versionen, in verzweifelt ruppigen up-tempo Variationen wie jener aus Paris vom 26. November 1979 mit seinen Partnern Marc Johnson und Joe LaBarbera 10 Monate vor seinem Tod.

 
 
 

 
 
 

Außerhalb der Bill-Evans-Nardis-Welt finde ich auch Lieblingsversionen. Mich sprechen die luziden langsameren Versionen an, etwa die des John Abercrombie Quartet mit Marc Copland, einem meiner höchst geschätzten Jazzpianisten (ECM 2528).

Mein Favorit ist jedoch Jacky Terrassons Darbietung, nicht weil es die langsamste ist, die ich kenne. Sie trifft mich immer in der Seele. Sie findet sich auf dem von mir meist gehörten Piano Trio Album meiner Sammlung. Dafür muss es Gründe geben. Terrasson sounds like nobody else, and this CD ist full of surprise and delight.

 

Maurice Ravel bekannte, dass „mein Lehrer in Komposition Edgar Allan Poe war, wegen der Analyse seines wunderbaren Gedichts ‚Der Rabe‘. Poe lehrte mich, dass wahre Kunst auf einem perfekten Gleichgewicht zwischen reinem Intellekt und Emotion beruht.‘

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8 Comments

  1. Hans-Dieter Klinger:

     
    Edgar Allan Poe – The Philosophy of Composition

    PDF-Edition, amerikanisch
     
     
    Edgar Allan Poe – Die Philosophie der Komposition

    Webseiten-Text, deutsch
     

  2. Jan Reetze:

    Ärgerlicherweise kenne ich nur eine Version, nämlich die von Richard Beirach, Frank Tusa und Jeff Williams vom „Eon“-Album (1975). Aber die kann ich immer wieder hören.

  3. Rosato:

    Jan, die von Jacky Terrasson kannst du ab heute kennenlernen :)

  4. Michael Engelbrecht:

    Das Interview mit Marc Johnson wurde via ECM gemacht. Ich hatte mal vor zwanzig Jahren ein langes Gespräch mit ihm in Dortmund, aus dem ein JazzFacts Portrait wurde. Als er mitbekam, wie ich auch eine Stunde im Nachtradio angehe wollte, u.a, mit einer besonderen Nardis- Version, mailte er zu ECM HQ (mittlerweile Brian Whistler was thinking and writing, too, on Nardis) folgendes:

    „Glad the answers were so well received. Per Michael’s interest in a version of Nardis, I recommend him l to look for The Paris Concert from 1979, Part 2. It was reissued on the Blue Note Label some years ago. Bill’s solo on Nardis
    is one of his best, of all time. Also, Michael might appreciate this article on „Nardis“ from a few years ago.
    I’ve copied a link to it below. Could you please forward it to him for me?“

    https://believermag.com/broken-time/

    (Marcs Mail)

  5. Michael Engelbrecht:

    In the words of Brian Whistler:

    What a fascinating listen to those answers Marc gave you, Michael! Such clarity – not a wasted word. Almost sounds as if he wrote them out. I particularity liked his technical answers regarding key choices. It makes sense to use open strings on solo bass pieces, but rather than finding it limiting, it seems he worked with the concepts thoughtfully. Which of course is why Nardis is such a great tune for solo bass.

    There aren’t that many jazz standards in Em and this is such a great one. As far as favorite versions, I have so many. I really like the version of Marc Cohen and Ralph Towner on their duo album, Songs Without End. I also like the slower version on John Abercrombie’s last album, Up and Coming.

    Of course and most fittingly, there are the 7 insanely burning versions on Bill Evans swan song live album box set, Consecration, with Marc Johnson of course- although perhaps The Paris Concert Edition 2 also with Marc Johnson, is the better choice as Bill wasn’t streaking across the celestial firmament like a fiery meteor about to disappear into infinity as he was on those last gigs at the Keystone.

  6. Michael Engelbrecht:

    Wieso hat Miles Davis eigentlich nie Lust verspürt, Nardis zu spielen, immerhin hat er es geschrieben, ursprünglich wohl für Cannonball Adderley, aber sie Komposition hatte ja was Besonderes, und ich hätte sie schon spätestens in seinem berühmten Quintett erwartet.

    Aber es kam nichts – oder irre ich mich?

  7. Michael Engelbrecht:

    Mal sehen, welche Version letztlich in den Klanghorizonten landet. Die von Marc J und Brian W ins spiel gebrachte aus dem Pariser Konzert des bill Evans Trios ist 17 Minuten lang, keine Problem, aber jede Stunde hat so eine eigne Zeitdynamik. Die Versionen von Beirach und Abercrombie lauern irgendwo im Archivm Terrasson vielleicht auch. Hinzu kommt, ich werde wahrscheinkuch gar nicht Marc Johnsons Nardis spielen, weil es ja scho in den JazzFacts vorkam. Sein grandioses Bassalbum OVERPASS kommt am 27. August raus.

  8. Olaf Westfeld:

    Ralph Towner:
    https://www.youtube.com/watch?v=7b3ioveZK9k


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