Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2021 22 Jul

„Fräulein Zeisig im Jahr 1963“

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 3 Comments

 

Als Wim Wenders einst „Der amerikanische Freund“ drehte, war ich sehr gespannt auf den Film, und schon damals, im Kino, leidlich enttäuscht. Hanebüchen war die Psychologie der Protagonisten, der Film hatte eine Langsamkeit, die viel zu selten in einen Reichtum der Wahrnehmung umschlug. „Etwas Totes, Seelenloses geht von diesen Figuren aus, Menschen, die ihre Eigenschaften wie Kostüme tragen. In Wenders’ Kinowelt haben Leidenschaften keinen Platz und Gefühle nur, insoweit sie Einsamkeit heißen. In dieser Welt kann er seine eigenen, ganz persönlichen Geschichten erzählen. Alle anderen jedoch, so scheint es, erfrieren darin.“ So stand es damals im „Spiegel“, und  traf meine Wahrnehmung genau (ohne die darin enthaltene Verallgemeinerung zu teilen). Sehr viel früher, im Jahr 1963, ist der neue Kriminalroman von Kerstin Cantz angesiedelt, in der „guten alten BRD“, die unter der Oberfläche von frischem Wohlstand und Heinz Erhardts Klamauk jede Menge Rassismus parat hielt. Dieser kleine, durchweg konventionell gestaltete Roman mit einem ähnlich lautenden Titel ist soviel fesselnder als Wenders‘ lethargische, angestrengt „kunstvolle“ Verfilmung einer Vorlage von Patricia Highsmith. Ein Lob dem ruhigen wie spannenden Erzählfluss, welcher der Zeitreise von Frau Cantz und Fräulein Zeisig zueigen ist.

 

This entry was posted on Donnerstag, 22. Juli 2021 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Arthurhartung:

    Danke für den Tipp.
    Ich erinnere als Zeitzeuge auch daran dass Rassismus damals gerne euphemisierend im Gewand des Exotismus auftrat. Wieviele hüpfende Hulamädchen hat man damals im Kino gesehen…und feurige Spanierinnen. Marika Rökk konnte in einer einzigen Revueshow eine Orgie an Klischeedarstellungen abspulen.

  2. Anonymous:

    Das Cover zeigt übrigens einen VW Käfer aus dem Modelljahr 1968 (einige Vorserienmodelle gabe es wohl auch 1966/67) – insofern der Roman 1963 spielen soll ein kleiner Fehler des Verlags.
    a.h.

  3. Michael Engelbrecht:

    Ist das der VW 1302?

    Mein erster VW war ein 1303, atlasweiss… Gefahren vom Herbst 1973 bis zum Frühjahr 1983, zu dem Zeitpunkt hatte ich ihn bereit mit psychedelischem grün-gelb gespritzt, ein echtes Hippie-Auto dann😂😂


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz