Edmund Husserl war Philosoph und Mitbegründer der Phänomenologie. Seine Schriften werden als „Husserliana“ bezeichnet und sind streng katalogisiert, zum Beispiel als „Husserliana-Band Nr. (römisch), Seite (arabisch)“ (z.B. Hua XI, 120), und die außerhalb der Husserliana erschienenen Werke Husserls als „Werkabkürzung, Seite“. Als ich im ersten Semester in Münster studierte, Germanistik und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien, machten mir nicht zuletzt eine tumbe Vermittlerin des Althochdeutschen und ein philosophisches Mammutwerk einen Strich durch meinen Traum vom Lehrerberuf, den ich sicher mit Freude ausgeübt hätte. Aber ich hatte Rosinen im Kopf von einer durchweg aufregenden Studentenzeit, stürzte mich voller Euphorie in Husserls Cartesianische Meditationen und seine „Ideen zu einer reinen Phänomenologie und Philosophischen Phänomenologie“. So nach und nach ebbte meine Begeisterung ab, bis ich in dem Buch nur noch ein Schlafmittel erster Güte entdecken konnte, bei allem Respekt vor den Leistungen des Philosophen. Ich ging in Fellini-Filme, hörte Leonard Cohen von alten Tonbändern, scheiterte an den zwei hinreissendsten Studentinnen der Stadt (deren unendliche, auch phänomenologisch unzweifelhafte, Schönheit ich heute noch vor mir sehe), und kaufte mir an einem Hochsommertag mittags, an einem Plattenstand vor der Kantine, Eberhard Webers „The Colours of Chloe“. Auch wenn die Stunden zur „Konkreten Poesie“ im Rahmen eines germanistischen Proseminars unvergessen waren, entschloss ich mich, nach all diesen Ernüchterungen und Verzauberungen, umzusatteln und Psychologie zu studieren. Und aus „Husserliana“ wurden irgendwann „Hasselliana“, Und Jon Hassell, neben Miles Davis und Don Cherry, zu meinem Lieblingstrompeter. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ein Paket aus London kam, mit dem Album „Possible Musics“, das in der alten BRD noch nicht zu haben war, und ich hörte es Stunden lang in einer Badewanne mit Kerzenlicht, und legte immer wieder die Seite um, ich liess auch ständig heisses Wasser nachlaufen, mit dem ersten Ton nahm mich diese Musik gefangen. Hier eine historische Radiosendung aus dem Jahr 1990.