Ohne Gegenmaßnahmen hätte die Coronavirus-Pandemie dem Imperial College in London zufolge in diesem Jahr mehr als 40 Millionen Menschen weltweit das Leben kosten können. Ein paar Unwägbarkeiten gibt es bei solchen Studien immer, aber natürlich stimmt die traurige Tendenz dieser grossen Zahl. Nun darf man sich auch ohne grosse mathematische Anstrengungen einen weiteren Fakt vor Augen führen: als die zweite Welle hierzulande noch recht langsam Fahrt aufnahm, wurde von vielen Wissenschaftlern eine Strategie namens „Zero Covid“ entwickelt, die, wäre die Bundesregierung ihr zeitnah gefolgt, Tausenden hierzulande das Leben gerettet hätte.
Allein die zähen Strukturen des Föderalismus und eine in der zweiten Welle lange Zeit erschreckend entscheidungssschwache Regierung führten zu permanenten Verzögerungen, bis die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes und die „Bundesnotbremse“ mit Ach und Krach umgesetzt wurden. Was Drosten, Brinkmann, Lauterbach und Co. frühzeitig angemahnt hatten, wurde denunziert (etwa von der FDP), und so lange „ausgesessen“, bis man gar nicht mehr anders konnte. Das katastrophale Agieren der EU bei der Beschaffung von Impfdosen (in der ersten Phase) sorgte sogar dafür, dass Boris Johnson (ein von Grund auf antidemokratischer Politiker) bei Befürwortern des Brexits fast zum Helden stilisiert wurde, und nun seine Ziele wie etwa die Zerschlagung der BBC und des kritischen Journalismus in England weiter verfolgen kann.
„Zero Covid“ hatte nie das naive Ziel, das Virus auf die Zahl 0 zu bringen, wie manche behaupteten, um den fehlenden Realismus des klugen und äusserst pragmatischen Papiers der Wissenschaftler fälschlich zu beklagen, sondern u.a. durch konsequente Shutdowns und eine zwangsweise Verpflichtungen aller wirtschaftlichen Betriebe zu fortlaufenden Testungen für eine massive Eindämmung zu sorgen. Was Neuseeland vorgemacht hatte, hätte auch hier zu umfassenden Erfolgen geführt.
Nun ist man auf einem vermeintlich guten Weg, den man, so viel effektiver, viel früher hätte beschreiten können. Und so wird es wohl kommen: statt eines dringend erforderlichen poltischen Wandels, wird im Herbst eine schwarzgelbe Koalition die Regierung überehmen, mit dem unsäglichen Lobbyisten Lindner in der rechten Flanke, und Armin, einem Kanzlerdarsteller par excellence, der sich, der grösste Witz in diesem Szenario, auch noch als Klimaschützer inszeniert, und am liebsten im Wettstreit mit seinem Spezi Söder reihenweise Wälder retten und Bäume umarmen möchte. Wäre es nicht so traurig, es gäbe viel zu lachen.