Der einzige Ultra, den ich sehr gut kenne, heisst Sven. Ich war am Abend in einem kleinen Saal Maskierter eingetroffen, vor der grossen Leinwand, alle Abstandsregeln wurden beachtet. Ich nehme an, die wenigen, die sich umarmten, beim ersten, zweiten, dritten, vierten Tor, bildeten eine Impf- oder Virengemeinschaft. Wow – Jesus, Maria, Joseph, and the wee donkey! Eine erste Halbzeit aus dem Bilderbuch. Diese Ultras sind Antifaschisten und zeigen sog. Querdenkern den Mittelfinger. Sven ist ein Freund kontrollierter Pyrotechnik, und ich bin ein Freund grosser BVB-Ekstase. Meine Lieblingskneipe am Hafen (die, die immer Nina Simone, The Clash, und das weisse Album der Beatles spielt, oder alte John Peel-Sendungen von Kassette laufen lässt, bei Meister- und Pokalsiegen) hatte natürlich geschlossen, aber Sven grinste nur und sagte, das Feuer werde geregelt. Ich gab den DJ in seinem schwarzen Ford Fiesta, und legte Nerve Net von Brian Eno ein. Wir näherten uns dem Borsigplatz, während Enos Burner „Fractal Zoom“ erklang. Die ersten roten Feuer brannten auf der grünen Insel der Geburtsstätte des BVB. Im Vorfeld war klar, die Polizei würde deeskalieren, und niemand von uns war auf Krawall gebürstet. Presseausweis dabei, klar. Das hier war systemrelevant: alles rot, Nebel, ein Maskenfestival, wir tanzten. – Sven, das ist ziemlich geil! – Das ist es, Alter! Wir tanzten im roten Rauch, wir sangen „You‘ll Never Walk Alone“ auf englisch. Ein bisschen Anarchie war unausweichlich, später zurück, kifften wir mit Selbstgedrehten, Covid geschuldet, und liessen Edin, Marco, Pischu und Erling auf Endlosschleife laufen.