Die Illusionen der Anderen von Robert Pfaller ist ein Buch, das mich nachhaltig beeinflusst hat. Viele Aspekte des Lebens werden dort geradezu schlitzohrig auseinandergenommen und beleuchtet, vom Aberglauben bis hin zu neurotischen Fehlformen des Glückerlebens. Das „delegierte Geniessen“ beispielsweise: man zeichnet etwa einen Film auf und archiviert ihn oder empfiehlt ihn einem Freund, um ihn sich nicht selbst anschauen zu müssen. Jaques Lacan und viele andere standen hier beratend zur Seite, wovon die Quellenverweise zeugen. Neulich holte ich mir Pfallers aktuelles Buch Die blitzenden Waffen – Über die Macht der Form und begann darin zu lesen. Die Morgensonne warf dabei ihr Licht durch die Jalousien, wie ich das so gerne mag. Es stellte sich sogleich jener Effekt aufflammenden Interesses ein, der mit der zentralen Fragestellung dieses Buches korrelierte: „Wann ist etwas evident, wann überzeugt es uns, nimmt uns mit?“ Diese Frage stelle ich mir ja so oft auch beim Antesten neuer Fernsehserien, und eine gute Kritik garantiert ja noch lange kein Aufblitzen beim subjektiven Betrachter. Wie unsereins neulich beim Verwerfen des oskarprämierten Films Parasite zur Halbzeitpause erlebte: drop it like Beckham. Anders hingegen gestern, spätabends: The Vast of the Night. Nächtliche Dunkelheit und im Geiste gleich taghell. War da nicht mal ein Manafonistas-Tipp gewesen? Anyhow, dass mir bei Robert Pfallers Buch gleich wieder Robert M. Pirsig in den Sinn kam, man möge es mir diesmal noch verzeihen. Es brach dann aber jäh ab, das Interesse, und unsereins dachte wiedermal wehmütig an Zeiten zurück, in denen tiefe und tiefsinnige Lektüre über Stunden möglich war. Nun eben lese ich in der TAZ ein Interview mit Hartmut Rosa, der genau das auf den Punkt bringt, warum uns heute, trotz Corona-Lockdowns, die sogenannten „guten Bücher“ nicht mehr antörnen. Es sei nicht nur eine äussere Rastlosigkeit, sondern auch eine innere: die Muße fehle. Exaktement, das finden wir auch. Vor zwanzig, dreissig Jahren noch, da hatte man alle Zeit der Welt. Doch heute Schiller, Goethe, Nabokov und Kundera lesen? Ich bitte Sie! Postscriptum noch zum Evidenzerleben im Augenblick: ländliches Stadtrandgebiet, kontemplative Rast auf einer Bank, spielende Kinder, Mütter mit E-Bikes, Hühnergegacker vom Hof, strahlender Sonnenschein, freundlich grüssende Menschen und konzertierend dazu der Gedanke „It´s Baerbocktime, aber sowas von!“ – es auferstehe das Matriarchat. Und tschüss, die Herren mit den schwarzen Koffern.