Seit ungefähr zehn Jahren rätselt die Popwelt, was sie ist: eine Kunstfigur oder ein real existierendes Wesen. Wenn jemand sein Pseudonym aus einem amerikanischen Autoklassiker (Ford Del Rey) ableitet und von einer Schauspielerin (Lana Turner), von der niemand so genau sagen könnte, ob sie mehr Schauspielerin oder mehr Pin-Up-Model war — kann so jemand real sein? Um so schwieriger wird die Angelegenheit, wenn man liest, dass dieses halb irreale Wesen sehr konkrete Meinungen hat und — noch schlimmer — sie auch vertritt.
Sicher ist, dass dieses Wesen Tonträger besingt. Und wer sich einen Albumtitel wie Chemtrails Over the Country Club einfallen lässt, hat meine Sympathie sicher. Das Album ist erstaunlich zurückgenommen — kaum Schlagzeug, sparsame Instrumentierung, knarzende Gitarrensaiten, schwere Klavierakkorde, einige seltsame Klangeffekte, dazu empfängt einen gleich im ersten Stück ein eigenwillig gequetschter Kopfstimmengesang. Ich habe die Platte erstmals gestern spätnachts im Kopfhörer gehört, und ich war sofort drin. Lana Del Rey ist in dem, was sie macht, sicherer als jemals vorher, ihre Melodien haben eine sofort erkennbare Handschrift, und selbst, wenn sie einen Song covert — hier Joni Mitchells „For Free“ vom Album Ladies Of the Canyon –, macht sie ihn sofort zu ihrem eigenen. Als würde sie selbst im Laurel Canyon wohnen.
„Yosemite“ ist mein Favorit, aber alles auf diesem Album ist relativ.
Was also nun, Kunst oder real? Das Rätsel bleibt ungelöst. Gut so.