Die dritte Welle steigt, drastisch, mit zu vielen schlecht durchdachten Öffnungen, der Inzidenzwert klettert (der kein politisches Konstrukt ist, sondern eine empirische Grösse mit existenziellen Auswerkungen), und das Murphy-Gesetz regiert. Oder Berlin? Die Intensivmediziner fordern sofortige Rückkehr zum Lockdown, sie lesen die Zahlen und wissen nur zu gut, warum. Die regierenden Zirkel scheuen die Wahrheit der Zahlen und reden über das Leiden dahinter, in einer alten Sprache, welche nur Hohlwörter hat für Einsamkeit, Trauer, Verlust. Im Stotterrhythmus von einer zur nächsten und übernächsten „vorübergehenden Schliessung“: das klingt so, als sei der Chef eines Tante Emma-Ladens mal kurz zum Zahnarzt gegangen, um dann nie wieder aufzutauchen. Für den Alltag braucht man langsam ein Narkotikum: allein die immergleichen Diskussionsrunden betäuben nicht wirklich, diese medialen Möbiusschleifen. Ein Dauerflimmern. Die Pandemie ist mit der dritten Welle nicht einfach vorüber. Die Ausschläge zu hart, und was hinten, Menschen nämlich, runterfällt. Optimisten wittern die Umarmung Fremder im Herbst. Prognosentaumel. Manchmal sind Wiederholungen wie ein Schlag ins Gesicht, der erst beim zweiten, dritten Mal Wirkungstreffer zeigt, Wahrheitsgewinn: 78000 Kinder und Jugendliche leiden an teilweise schweren physischen Folgeerscheinungen der abgeklungenen Hauptinfektion, in England, Long Covid genannt, wo das mutierte Virus die Zahlen beherrscht. Suizidraten, Depressionen, Existenznot, alles steigt mit den Wellen, mit miserablem Management. Ding, Dong, You’re Dead. Einen Ausweg, ZeroCovid, hat man ein uns andere Mal versäumt, anders als in Neuseeland oder Australien, wo Rockkonzerte wieder vor 30000 Zuschauern stattfinden. Hier gibt es den Vandalismus geheimer Corona-Parties, in Wäldern, Flusstälern, Naherholungsgebieten. Stadtrandzonen. Wo es gemeldet wird, rücken die Ordnungskräfte an. Der soziale Friede ist längst gefährdet. Und dieser ganze Scheiss ist, bitteschön, kein Stephen King-Roman. Bitten wir zum Maskentanz, safe and sound and forever. Meditation hilft. Yoga. Grüner Tee. Bewegung. Bewegung wirkt antidepressiv. Liebe. Gute Freunde. Ein Hund. Gute Musik*. Guter Sex auch. Unter Fremden bitte nur mit vorgezogenem Schnelltest. Und zwischen bald und irgendwann, die Impfung, ein ganz besonderes Desaster in deutschen Landen. Einigen wir uns auf eine Schlussblende: 2022. Stellen wir uns einen Kanzler namens Laschet vor, und die korrupteste WM der Fussballhistorie. Katar. Und Boris Johnson rüstet Grossbritannien atomar auf, der Irre, so sein Ansinnen. Gottogott. Am Glück müssen wir wohl, wie sonst auch, selber werkeln. Das ist der frohe Teil der Botschaft.
*Die Ressourcen der Freude lassen sich für manche möglicherweise mit Daniel Lanois‘ neuem, am 3. April erscheinenden Album Heavy Sun aufstocken. James McNair schreibt in der Mai-Ausgabe von Mojo, ein wenig frei übersetzt und gekürzt: „Heavy Sun, in Lanois‘ buddhistischem Tempel in Toronto entstanden, den er in ein Studio verwandelt hat, ist eine Medizin gegen den pandemischen Blues; ein frohsinniges Gospel-Album, das nicht zuletzt auf der Hammond von Johnny Shepherd, basiert. Es ist ein kühnes Werk mit hellichten und horizonterweiternden Texturen. Wenn die Stimmung an die Aretha Franklin Live-Doku „Amazing Grace“ erinnert, bringt Lanois‘ nuancierte Produktion den Gospel in andere, manchmal dubbigere Gefilde. Der Afrobeat von Every Nation and Angels Watching zementiert das Gefühl, dass hier ein Meister der Atmosphären am Werk ist, während Tree Of Tule einen 1.000 Jahre alten Ort der Meditation unter den Ästen in Oaxaca, Mexiko, feiert.“