Michael: Auf deiner CD „Stron“ finden sich kurze Fragmente aus uralten Aufnahmen, die angereichert werden von neuen Spieideen, neuen Sounds … eine Begegnung zwischen deinem heutigen und deinem damaligen Ich?
Arve: Kann man so sagen. Als ich damit begann, mir meinen alten Kassetten und Minidiscs anzuhören, erinnerten mich meine Klänge sofort an die Gefühle, die ich damals hatte. Einige dieser Fundstücke meines Trompetenspiels finden sich jetzt auf „Stron“ wieder – sie gehen bis zu meinem 16. Lebensjahr zurück. Ich hatte etliche „Begegnungen“ mit diesen Skizzen aus der Jugendzeit. Als ich in Trondheim studierte und in die norwegische Musikszene hineinwuchs, wollte ich nicht über diese Dinge reden. Das Reden über Natur bekommt leicht so einen Anstrich von „New Age“; aber als ich mich durch diese Stapel alten Materials arbeitete, wurde mir klar, wie offensichtlich ich von der Natur beeinflusst war und bin. Es war sehr interessant, sich da tiefer hinein zu graben!
Mit der Gruppe “Supersilent” verlässt du aber stets heimsiche Gefilde. Da öffnen sich die fremdtesten Welten, aber manchmal auch ferne Anklänge an wilde Musik aus alter Zeit …
Ja, Pink Floyd, Brian Eno, Miles Davis sind einige der Geister, die manchmal und meist unbewusst ins Spiel gebracht werden. Von Jon Hassell ganz zu schweigen! Natürlich haben wir Vier von Supersilent auch viel Miles Davis gehört, aus seiner elektrischen Phase in den Siebzigern. Und diese Siebziger Jahre sind wohl die bedeutsamste musikalische Inspirationsquelle für jeden einzelnen von uns. Was für ein Jahrzehnt! Und zuweilen, wenn unsere Musik etwas symphonisch wird, dann kann ich mir vorstellen: „Emerson, Lake and Palmer“ sind nicht so weit entfernt! Manchmal sehe ich Verbindungen, aber da wird nie etwas bewusst zitiert: ich kann bestimmte Assoziationen auch nicht dingfest machen an einem bestimmten Stück, aber ich kann die besonderen Noten fühlen und spüren, die eine andere Ära bei Supersilent einschleust …
Bist du ein visueller Typ, bei dem leicht Bilder im Kopf entstehen?
Ich bekomme beim Spielen nicht oft Bilder in den Kopf. Aber manchmal stellen sich flüchtige Ahnungen bestimmter Gefühle ein, oder es kann geschehen, daß bestimmte Farben sehr lebendig werden. Ab und zu fühlte ich mich dadurch in die Räume meiner Kindheit versetzt, an die Westküste Norwegens – da gibt es tausend Meter hohe Berge auf jeder Seite eines sehr engen Tales, und Gletscher, die von den Seiten herabhängen; im Sommer kann es dort auch sehr warm werden, und das Licht erhält eine ganz spezielle Tönung; wenn ich Solokonzerte gebe, kann ich solche Bilder ab und zu ausmalen, die meist mit einem melancholischen und nostalgischen Flair einhergehen. Wenn ich diese Momente erlebe eines Zurückgehens-in-der-Zeit, und alte Gerüche oder Atmosphären wieder auftauchen, dann bin ich immer wieder erstaunt über das, was Musik erreichen kann.