Herr Spahn sagte gestern: „Wir müssen damit rechnen, dass B117 sich weiterverbreitet. SARS-CoV-2 ist also insgesamt gefährlicher geworden.“ B117 ist bekanntlch die Mutation, die ursprünglich aus Großbritannien kommt, und nach jüngsten Zahlen des RKI bereits in 13 Bundesländern aufgetaucht ist. Viel mehr gibt es ja auch nicht. Herr Spahn sagte gestern auch: „Wir sind auf dem Weg raus aus der Pandemie.“ Soso.
Melanie Brinkmann gehört zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die eine sog. „Hardcore-Strategie“ im Kampf gegen die Pandemie vertritt. Gute Denkanstösse liefert das Papier reihenweise. Äusserst hilfreich wäre es, wie Drosten mit guten Argumenten klarmacht, dass man die Inzidenz deutlich tiefer als auf 50 bringen sollte, auf 20 zum Beispiel. Oder besser 10. Das ist keine Exotenansicht. Leider reagierte die Politik mit einigen besonders launigen Landesfürsten schon im Herbst zu spät. Da kostete viele Leben. Und nun wird mit den mutierten Varianten, da bin ich mir leider sicher, das gleiche passieren. Wie dumm, dass wir in diesem Jahr einen neuen Bundeskanzler wählen, und nicht nur, was die CDU/CSU-Seite betrifft, wird da sehr auf die Stimmung im Lande gedacht, und, um eigene Chancen nicht zu gefährden, unpopuläres Handeln sehr unwahrscheinlich. Es ist kein Unken, dass hier bald englische und irische Verhältnisse eintreten werden, denn die Impffrequenz ist so niedrig, dass sie von den Mutationsvarianten überrollt wird, gewiss spätestens in diesem Frühjahr, wenn der Lockdown nicht noch konsequenter durchgezogen wird. Ich erwarte von den Grünen eine Strategie, die die Inzidenz deutlich unter 50 vorantreiben will. Und zitiere gerne Melanie Brinkmann:
Wir, eine Gruppe von 13 Wissenschaftlern, glauben nicht an die Strategie, dass man mit dem Virus leben kann, sondern dass man es besiegen muss. Es wäre fatal zu glauben, wir könnten die Maßnahmen mit einer Inzidenz von knapp unter 50 lockern und dabei das Virus im Zaum halten. So eine Mittelinzidenz bedeutet letztlich eine Art Dauer-Lockdown, aus dem man nur zwischendurch mal kurz auftauchen und nach Luft schnappen kann.
Wir alle wollen aus diesem verdammten Lockdown raus – aber die Kanzlerin hat am Dienstag leider verkündet, dass die 50er-Inzidenz weiterhin als Richtschnur dienen soll. Mit diesem Kurs haben wir keine Chance. Weitaus mehr aber mit einer konsequent durchgesetzten Strategie der Kontaktvermeidung. Damit ließe sich die Sieben-Tage-Inzidenz schnell unter zehn drücken. Dieses Larifari des „Hier ein bisschen Homeoffice, dort ein improvisiertes Hygienekonzept“, das muss aufhören.*
Dazu Herr Drosten, kundig und klug:
»Wenn die alten Menschen und vielleicht auch ein Teil der Risikogruppen geimpft sein werden, wird ein riesiger wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, politischer und vielleicht auch rechtlicher Druck entstehen, die Corona-Maßnahmen zu beenden. Und dann werden sich innerhalb kurzer Zeit noch viel mehr Leute infizieren, als wir uns das jetzt überhaupt vorstellen können. Dann hätten wir im schlimmsten Fall 100.000 Neuinfektionen pro Tag. Wenn sich ganz viele junge Menschen infizieren, dann sind die Intensivstationen trotzdem wieder voll, und es gibt trotzdem viele Tote. Nur, dass es jüngere Menschen trifft. Dieses schlimme Szenario könnten wir etwas abfedern, wenn wir die Zahlen jetzt ganz tief nach unten drücken«.