Welche grossen und kleineren Werke der Lateinamerikanischen Literatur haben unser Leben bereichert? Oder ist es teilweise so, dass da noch einige Bücher darauf warten, endlich gelesen oder entdeckt zu werden? Ein Hit ist auf jeden Fall jenes Buch, das im Havanna 1958 anzusiedeln ist im vorrevolutionären Kuba. Im Dschungel der Nacht amüsieren sich vier befreundete Künstler in Bars, Nachtclubs und Absteigen. Sie lassen ihre erotischen Eskapaden erneut aufleben, tigern umher, hören, sehen und riechen schwarze und noch schwärzere Sängerinnen, halten Ausschau nach »Revue-Fleisch«, gabeln Nachtvögelchen auf und lecken ihre Wunden. Eine längst vergangene Welt ersteht in komischen, traurigen, erotischen und kaleidoskopischen Bildern.
Aber dann kamen Fidel und Che und die Revolution von 1959, die Invasion in der Schweinebucht und die Kubakrise. Der kulturelle Dialog zwischen Kuba und den USA kam zum Stillstand. Kuba lebte weiter in der Isolation, belagert von US-Sanktionen, nicht mehr besucht von der Jazz-Royalität, nicht mehr der Spielplatz der amerikanischen Playboys und Gangster. Seine berühmtesten Musiker – die Sängerin Celia Cruz, der Bassist Cachao, der Perkussionist Mongo Santamaria – liefen in die USA über und kehrten nie wieder zurück. Die kubanische Musik wurde in „Salsa“ umbenannt, und ihre größten Stars waren nun in Miami und New York.
Für viele ist 1959 der Punkt, an dem die kubanische Musikgeschichte endet, man denke an den Buena Vista Social Club, den Ry Cooder und Wim Wenders noch einmal gross in Szene gesetzt haben. Die wirkliche Geschichte ist natürlich viel komplexer und wird von einer Doppel-Cd bzw. einem Dreifach-Vinylalbum erforscht: „Music And Revolution“, zusammengestellt von DJ Gilles Peterson und Soul Jazz Records-Gründer Stuart Baker (wer will, kann sich ein aufwändiges gebundenes Buch gleichen Namens gleich mitbesorgen). In dieser compilation kann man sich tatsächlich auf spannende Zeitreisen begeben, stets landet man in den Jahren zwischen 1975 und 1985, und erlebt die enorme Vielfalt, mit der kubansiche Musiker, der massiven Zensur von Castro und seinem Regime zum Trotz, kreative Lösungen finden, subversive Klangzeichen in ihre teilweise abenteuerlichen Mixturen schmuggeln, und somit alles andere als „angepasste Musik“ abliefern. Und immer noch gab es dunkle Kaschemmen, und ein wildes Kuba, aufregender als der stromlinienförmige Sozialismus, der von Anfang an vieles von seinem utopischen Potential einbüsste, und in bestem Kontakt mit den grossenteils kadergeschulten, grossenteils lächerlichen Sozialisten der DDR stand.
geschrieben von John Lewis und Michael Engelbrecht