Aliens in Suffolk
Als Brian ein Kind war, gab es eine amerikanische Garnison in Suffolk, und er hörte im Radio immer wieder Gesänge, die ihm wie von einem anderen Planeten erschienen, und es war Doo-Wop.
Der kleine Hund
Elisabeth Edl arbeitete über einen Zeitraum von acht Jahren an einer neuen Übersetzung von Flauberts „L‘éducation sentimentale“, unterbrochen nur vom ganz normalen Leben, was immer das ist, und kleineren Übersetzungsarbeiten. Danach nahm sie sich einen kleinen Modiano vor, und einen Simenon. Sie erzählt von Simenons Einfluss auf Modiano, und dass nun wieder viele stöhnen, dass letzterer immer die gleiche Geschichte erzähle. „Bei mir ist es der gegenteilige Effekt“, sagt die Übersetzerin aus Schwabing, „ach, da ist ja wieder der kleine Hund.“
Radebrechendes Englisch
Als ich die neue Arbeit von Dino Saluzzi hörte, ein reines Soloalbum mit dem Bandoneon, fiel mir ein, wie sehr ich in jenes Album vernarrt war, auf dem ich ihn das erste Mal erlebte, mehr im Hintergrund, ohne zu ahnen, dass er mir noch viel öfter begegnen würde, einmal auch bei einem Interview in einem Kölner Hotel. Mit radebrechendem Englisch, aber ab und zu wurden seine Hände so gesprächig, als hielte er ein imaginäres Akkordeon in Händen. Gato Barbieris „Latin America, Chapter One“ war ein Album mit dem geschätzten Doppelklapp-Cover aus dem Hause Impulse Records.
Schön altmodisch
Als ich in Ingos Text von dem Berliner Komparsen-Aufruf für „The Lady‘s Gambit“ las, war das fast wie eine Entzauberung: ach, das ist ja alles gar nicht wirklich passiert! Zum wahren Flow gehört es, dass man unmerklich auf die andere Seite der Leinwand wechselt.
Magie aus der Blechdose
Beim Spiel des BVB gegen Zenit Petersburg wartete ich vergeblich auf grosse Kunst, trotz der Anwesenheit etlicher Ballartisten. Das Spiel blieb schwerfällig, und letztlich wurde es ein Arbeitssieg ohne jede ästhetischen Reiz. In einem leeren Rund, das für einen einzigen magischen melancholischen Moment sorgte: als zu Beginn die Hymne „You‘ll never walk alone“ aus der Konserve erschall, blechern, höchstens halbwegs tröstend.
Lieblingsplatten
Und jetzt, hier, als kostenloser Service für das hoffentlich gute Überstehen des zweiten Lockdowns mit den Mitteln des Jazz, eine gute Handvoll Klangkünstler, sechs Meilensteine von Impulse Records (Schallplatten, die mich seit Jahrzehnten begleiten): John Coltrane: A Love Supreme. Marion Brown: Geechee Recollections. Alice Coltrane: Journey in Satchidananda. Pharoah Sanders: Tauhid. Charles Mingus: Mingus Mingus Mingus! Und, s.o., Gatos Hommage an seine Heimat. (aus dem persönlichen Massnahmenkatalog zur Steigerung der Resilienz)
Die spannende Rosamunde
Normalerweise fliege ich durch englische Literatur, ausser, wenn die Sprache zu speziell ist, oder manche Details so reichhaltig, dass ich sie nicht aus dem Kontext erschliessen will. Darum warte ich sehnsüchtig (das ist ein bisschen übertrieben), besser, geduldig, auf die deutsche und hoffentlich gute Übersetzung des jüngsten Romans von Rosamund Lupton „Three Hours“. Jedem lesehungrigen Freund von verdammt gut geschriebenen, sprich, literarischen, Thrillern empfehle ich ihren vorletzten Roman „Lautlose Nacht“.
Der Zeitreisende aus Pittsburgh
In schnörkellosem und sinnlich ansprechendem Englisch entführt uns Jan Reetze in seinem neuen Buch „Times & Sounds – Germany‘s Journey from Jazz and Pop to Krautrock and Beyond“ durch Musikwelten der alten Bundesrepublik. Und allein beim Stöbern durch die Seiten hakt sich die Aufmerksamkeit ein ums andere Mal fest: das Buch scheint wirklich alle Qualitäten eines sachlich fundierten „Schmökers“ zu besitzen! Was für eine „Verschiebung“ der Perspektive es wohl mit sich bringt, der eigenen alten Lebenswelt in englischer Sprache zu begegnen?!
Geologie
Zum Ende noch einmal Eno. Als kleiner Junge tauchte er gern in den „National Geographic“ ein, dessen Ausgaben er ganz gern nach Bildern unbekleideter Frauen durchkämmte – aber er fand da auch zu seinem ersten Hobby, der Geologie: „Ich kannte keinen anderen, der sich dafür interessierte. Also packte ich mir ein paar Brote ein und radelte alleine an Orte, von denen ich gehört hatte. Meistens waren das Strände. Dort verbrachte ich ganze Tage damit, mir Steine anzuschauen. Ich erinnere mich daran sehr klar als an eine sehr glückliche und transzendente Zeit. Jenseits des Denkens, tatsächlich.“ Diese Erinnerung öffnet eine dieser hauchdünnen Linien, die Kindheit und Künstlerleben verbinden, man sehe sich nur das Cover von „On Land“ an, oder rufe sich den einen Titel ins Gedächtnis – „Dunwich Beach, Autumn 1960“.