Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 27 Okt

Eröffnungen

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | Tags: , , | 14 Comments

 

Um das ganze Drumherum (Regie, Schauspieler etc.) habe ich mich nicht gross gekümmert, und einfach nur den Pilotfolgentest gemacht. Ähnlich wie die Protagonistin habe ich mit acht, neun Jahren Schach gespielt, und dass Tranquilizer das Bewusstsein sanft erweitern können, unabhängig von der Angst lösenden Qualität, habe ich immerhin als Teenager mal selbst erlebt. Ein nicht ganz ungefährliches Zeug. Keine Frage, Beth Harmon hätte mich im Schach weggehauen. Das Wichtigste vorab: man muss kein Schachfuchs sein, um „The Queen‘s Gambit“ (Netflix) in vollen Zügen geniessen zu können, das Drama liegt anderswo.

 

Ich freue mich auf die restlichen sechs Episoden, und kann mir nicht vorstellen, dass die Sogkraft dieser siebenteiligen Romanverfilmung mit der Zeit nachlässt. Dabei ist der ganze Erzählduktus ruhig – wäre Francois Truffaut noch unter uns, ihm würde ich sowas als reifes, ruhiges Alterswerk zutrauen. Die Kamera leitet sich viele geduldige Einstellungen auf Gesichter und Interieurs, und der verwaschene Farbton der Bilder suggeriert eine alte Zeit.

 

Die letzten fünf Minuten der ersten Folge sind meisterhaft inszeniert, und sicher wurde in der Geschichte des Kinos und der Serien dieser Kunstgriff schon öfter eingesetzt, ich umschreibe es absichtlich vage: eine Musik aus einem anderen Raum wird benutzt, um eine parallel ablaufende Realität als Soundtrack zu begleiten. Die Story scheint sich vor dem Zuschauer zugleich trickreich und altmodisch zu entfalten – ich fiebere da gerne mit.

 

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14 Comments

  1. Jochen:

    Die letzten Serien, die ich schaute, hatten alle einen bemerkenswerten Soundtrack. Bei Devs dachte ich, Jan Garbarek und das Hillard Ensemble seien zu vernehmen, dazu die Stimme von Sidsel Endresen irgendwo im Off. Succession war von wunderbarer klassischer Musik begleitet (sage ich als Klassik-hater).

    The Return hat Supersounds und jetzt Sharp Objects: Songs (von Led Zeppelin beispielsweise) tauchen nur direkt auf, aus dem Autoradio oder der Stereoanlage des Vaters etc oder dem (wie von dir erwähnten) Hinterzimmer.

  2. Michael Engelbrecht:

    Devs: nicht gesehen

    Succession: rückblickend/hörend, erinnere ich mich gar nicht an den Soundtrack, und das spricht ja durchaus nicht gegen die Musik.

    The Return: grandioses Spiel mit Musik und Geräuschen

    Sharp Objects: umwerfend gut, wie da ständig im Film real gespielte Musik die Intensität befördert, Wahnsinn. Das klingt mal schräpig, manchmal high-endig, wenn der Lebensgefährte der durchgeknallten Mutter in seine Klangtraumwelte abdriftet. Teilweise richtig tolle Stücke, die er da auflegt, aber es benebelt seinen Blick auf die Dinge.

  3. Jochen:

    Ja, diese durchgeknallte Unternehmer-Mutter: macht ihrer Tochter permanent subtil versteckt oder offen direkt Schuldvorwürfe. Sie hockt im Garten (Dimension: Golfplatz) und schneidet Rosen, raunzt ihre Tochter an: „Du denkst, du bist nie schuld!“

    Dabei schneidet sie sich an den Dornen (sharp objects), klar, sie projeziert mal wieder ihre eigene Agressivität auf ihre Tochter. Eine dieser Szenen, bei denen man sich fragt, warum viele Kinder den Kontakt zu ihren giftigen Eltern nicht radikal abbrechen.

  4. Michael Engelbrecht:

    Ich finde, Sharp Objects ist auf vielen Ebenen eine fantastische Serie. Es basiert ja wie The Queen‘s Gambit auf einer Romanvorlage. Letztere Verfilmung ist sicher eine sehr viel traditioneller Herangehensweise, und das gefällt mir in diesem Fall so gut wie einen alten guten Krimi von Agatha Christie zu lesen. Christie verstand es auch, gutes altes Handwerk mit hochgradiger Originalität zu verbinden.

  5. Olaf Westfeld:

    Garbarek & Hilliard sind wirklich in Devs zu hören; hatte zunächst auch nicht gemerkt, dass ich die Musik kannte und dann brauchte ich auch etwas, bis ich das Stück unterbringen konnte. Seltsame, verstörende Wirkung.

    Sehr gut gefiel mir kürzlich die Musik in „Gentlemen“ von Guy Ritchie. Nichts besonderes – so angenehme Gassenhauer wie Sunshine of Your Love, That’s Entertainment, Vitamin C, … – aber es passte eben alles gut zusammen. Cooler Film, fand ich.

  6. Michael Engelbrecht:

    Und wie man von einem alten Herzschmelzlied gepackt werden kann, das man natürlich von irgendwoher kennt, aber dieses Mal galt es nachzuschlagen, und die Story war gerade im Jahr 1965, und das war auch auch das Jahr, in dem diese Version rauskam und junge Herzen, und alte, höher schlagen liess. Ach so, ja, es ist zu hören am Ende der dritten Episode.

  7. ijb:

    Ah, interessant. Ich erinnere mich, dass hier in unseren Nebenstraßen vor einem Jahr eine große Produktion war, und wir uns fragten, was die da drehen, denn es sah interessant aus. Da waren dann Produktionsschilder mit „Queen‘s Gambit“ in den Autos, und ich glaube, irgendwer von uns fragte nach, worum es sich dabei handelt. Offenbar dient unsere Nachbarschaft jetzt als Moskau im Kalten Krieg. Ich bin gespannt, muss aber erstmal „Bloodline“ weiter (und zu Ende) schauen.

    Es gab damals dafür übrigens auch riesige Aufrufe wegen Komparsen:

    5000 internationale Berliner zwischen 3 und 75 Jahren – Gesucht werden Frauen, Männer, Kinder und Jugendliche; Multi-Kulti-Gesichter Berlins, Menschen aus aller Welt, aller Ethnizitäten, jeder Haut- und Haarfarbe.

    ca. 2.500 russischstämmige/ osteuropäische Männer,
    ca. 500 Frauen & Männer mit süd-, mittelamerikanischen und südeuropäischen Wurzeln,
    ca. 800 Frauen, Männer und Kinder mit arabischem/ türkischem/ nordafrikanischem/ persischem Erscheinungsbild,
    ca. 500 Frauen und Männer mit afrikanischer/ afroamerikanischer/ asiatischer Herkunft
    hunderte mittel-/ nordeuropäische Männer mit Bundeswehr- bzw. militärischer Erfahrung oder mit Business-Look als Geschäftsmänner
    500 Schachspieler – Gesucht werden nur Männer zwischen 18-50 Jahren, vom Anfänger bis Profi.

  8. Michael Engelbrecht:

    Das ist schon sehr traditionelles historisches Erzählkino mit gut gefüllten Requisitenkammern, aber ich brauche auch nicht immer etwas Umwerfendes.

  9. Michael Engelbrecht:

    Die vorletzte Folge: grossartig! Und doch, ja, umwerfend, in mehrfacher Hinsicht.

  10. Jochen:

    Just finished Sharp Objects.

    One of my top ten series ever.

  11. Michael Engelbrecht:

    Yes. A masterpiece from start to end.

    Maybe a look into the web may be good assistance to better understand the very last sequence of the final episode.

  12. Michael Engelbrecht:

    Final episode: The Lady‘s Gambit.

    Und am Ende, ein Endspiel.

    Psychologisch stimmig. Great story-telling, so much love in the details.
    Auch wen man nicht mal in Moskau so ein pittoreskes Moskau filmen kann….ich wusste ja, Berlin also, all die Komparsen….

    Und wenn es hier eine Moral gibt … keine Sorge, sie ist nur für Freigeister 🥁

    Und es ist auch ein Geschichte über echte Freundschaften.

  13. Jochen:

    Did some research – but don´t tell mama … ;)

  14. Michael Engelbrecht:

    Jetzt ist mir noch mehr klar geworden. Scott Frank steckt nicht nur hinter THE QUEEN‘S GAMBIT, sondern auch hinter der grandiosen Western-Serie GODLESS – beide auf Netflix.


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