Hallo, mein Name ist Erving Goffman. Sie kennen vielleicht mein Buch über „Rahmenanalysen“, das man mindestens noch antiquarisch beziehen kann, es erschien einst in der Bibliothek Suhrkamp. Obwohl ich nicht mehr unter den Lebenden weile, zog mich Michael Engelbrecht zu Rate. Wir hatten einen regen Briefwechsel während seines Psychologie-Studiums, und nun bat er mich, aus dem Jenseits seinen Essay gegenzulesen, der den Titel trägt „Der diskrete Charme der Leinfeldener Pilzfreunde“. Ein cooles Teil, und ich gab ihm meinen Segen. Ich bin vielleicht nicht ganz unparteiisch, weil ich Michael (ja, wir sind per du) sehr schätze, und da spielt auch ein wenig Egoismus hinein. Er versorgt mich nämlich im Himmel mit guter Metal-Musik, was ich hier dringend brauche – Sie glauben gar nicht, wie langweilig Engel sein können – einer von ihnen heisst Clara und spielt eine so süssliche Harfe, dass Sally Oldfield wie Punk klingt. Napalm Death sind immer noch heisse Eisen. Es stimmt übrigens nicht, dass es, wie ein deutscher Schriftsteller anmerkte, im Himmel keinen Cappuccino gäbe, neben Opium ist das auch hier ein Klassiker. Von wegen, heaven is a place where nothing really happens! Michael hat also Zeugen der Pilzrunde befragt, ausführlich recherchiert, einen Computer gehackt, um pikanten Maildepeschen auf die Spur zu kommen. Er hat Telefongespräche protokolliert, eine gewisse Angelika M. in Neumünster ausfindig gemacht, und mit dem gesamten Material einen kleinen, systemisch angelegten, Essay verfasst, der durchaus unterhaltsam ist. Nun sollte man niemals so leicht die Vergangenheit als Schnee von gestern abtun, denn wer so verfährt, neigt dazu, sie zu wiederholen. Sie sehen, auch Systemanalytiker sind psychoanalytisch nicht komplett ungebildet. Wie gesagt, der Text ist sehr klar, messerscharf formuliert, in Teilen witzig, in anderen weniger. Man könnte es, in der amerikanischen Tradition, in der ich mich ja lange bewegt habe, einen Showdown nennen. Einen charmanten Showdown. Ja, ja, Freunde, wir alle spielen Theater. Himmlische Grüsse, Ihr Erving!