Nach viel zu langer Pause möchte ich nun endlich meine angefangene Asmus-Tietchens-Werkschau fortsetzen.
In die Nacht ist das dritte Album, das Tietchens für Sky Records eingespielt hat. Erschienen ist es 1982 in einer Auflage von 1000 Stück. Das Instrumentarium ist dasselbe wie auf den Vorgängern, auch die Akustik des Albums ist wieder seltsam verhangen und künstlich, was am verwendeten Hallgerät liegt. Auch das aus Anagrammen des Namens seines geistigen Vaters bestehende Zeitzeichenorchester war wieder mit von der Partie, das Cover lag in der bewährten Hand von „Tina Tuschemess“. Ein Foto im Innencover der Platte zeigt, dass im Audiplex-Studio von „Rokko Ekbek“, wo die Scheibe eingespielt wurde, bereits ein Fairlight vorhanden war, aber der kam hier noch nicht zum Einsatz. Tietchens wollte offenkundig den Seriencharakter nicht durch allzu abweichende Klänge zerstören.
Das Album ist noch auf Wunsch des damaligen Sky-Inhabers Günter Körber entstanden und setzte Tietchens unter Zeitdruck — „aus vertriebspolitischen Gründen“. Tietchens lief daraufhin nach eigener Aussage in eine ästhetische Falle, denn die von den beiden Vorgängern gewohnten kurzen Stücke hätte er nicht innerhalb des gegebenen Zeitrahmens anfertigen können, und so entschied er sich dafür, eine kleinere Anzahl längerer Stücke einzuspielen, ergänzt um einige kurze Stücke, die von den vorigen Alben noch übriggeblieben waren.
Nicht allen Stücken ist das gut bekommen, das Album weist einige Längen auf. Langweilig wird es trotzdem nicht; Tietchens scheinen sie mehr zu stören als mich. Deutlich wird aber durch die längeren Teile das Konstruktionsprinzip: Die Stücke, davon bin ich überzeugt, sind zunächst in grafischer Form entstanden, um dann der Skizze folgend abschnittsweise aufgenommen werden zu können. Und die Stücke sind auskomponiert, Tietchens hat sich bewusst Rhythmen, Melodien und Harmonien einfallen lassen. Das ist hervorzuheben, denn das blieb nicht immer so. In die Nacht ist ein unterhaltsames Album geworden, poppig, angenehm schräg, manchmal schroff, einige Melodiefetzen haben dennoch Ohrwurmcharakter. Und rechtzeitig fertig geworden ist es auch.
Tietchens hat aus dem Album die Konsequenz gezogen, sich künftig nicht mehr unter Zeitdruck setzen lassen zu wollen.
Die Original-LP ist natürlich längst verschollen. Das Bremer Label Die Stadt hat das Album 2004 als CD wiederveröffentlicht, ergänzt um insgesamt fünf Bonsutracks. „Aus dem Tag“, das ursprünglich die LP eröffnen sollte, aber dann weggelassen wurde, eröffnet jetzt wie vorgesehen die Reise, am Ende stehen drei weitere (kurze) Stücke, die Körber seinerzeit als „zu experimentell“ ansah. Darüber ließe sich streiten; ich finde sie durchaus passend — das letzte der drei, „Lebende Regler“ schließt den Kreis zu „Aus dem Tag“ mit unverständlichem Gemurmel. Bureau B wiederveröffentlichte das Album 2013 als CD und LP, jedoch ohne Bonustracks.
Asmus Tietchens: In die Nacht
– Sky Records 077 (LP)
– Die Stadt DS 72 (CD)
– Bureau B BB 143 (LP und CD)