Eine kurze Kurzgeschichte, oder ein Tagebucheintrag? Als ich heute morgen erwachte, hatte ich so einiges erlebt, das nachwirkte. Vor dem Aufstehen kramte ich die Traumerinnerungen zusammen, damit sich nicht das meiste fadenscheinig in Luft verwandelte. Wir trafen uns nach Ewigkeiten wieder, waren aber immer noch Mitte dreissig. Sie im Bademantel, ein Lachen, etwas lockerer als sonst – nie hätte ich gedacht, dass sie Philosophie studieren würde, als wir mit der Gang durch die Bittermark streiften, und Marokko besonders bizarre Baumstämme ablichtete. Vom ersten Traum hatte ich nur kurze Sequenzen im Sinn, die ich in einen Loop verwandelte, als ich um 2.30 Uhr im Bad kaltes Wasser über mein Gesicht laufen liess. Sie öffnete den Mantel, streifte mich ein zweites Mal, und rief mich ins Bett. Die Magie endete zu früh, und ich gab meinem Unbewussten den Auftrag, den Traum fortzusetzen. Inkubation ist das Zauberwort, Freunde, und es gelang, natürlich mit der eigenen Logik des Unterbewusstseins. Sie lebte in einem grossen Haus, toughe Innenarchitektur, Künstler am Werk. Ihr Lebensgefährte hatte die seltsamste Kaktusfrisur aller Zeiten, und neben speziell designten Haarbüscheln wuchsen kleine Blumen auf der Kopfhaut. Er war mir ungefähr so unsympathisch wie Whitneys narzisstischer Lover in „The Affair“. Eine grosse Party schien im Gange zu sein, und ich begrüsste eine Reihe flüchtig vertrauter Gesichter. Neben mir studierte ich mit einer gewissen Helga einen Konzertführer. Der Kaktus kam angerauscht und schwärmte von einem grossartigen Gitarristen, der aber im edelsten holzvertäfelten Raum der Dortmunder Kunstszene nur 24 Zuhörer zulasse. Ich kannte nicht mal seinen Namen und war froh, als ich Ian Bellamy entdeckte, dessen Auftritt ich unbedingt erleben wollte. Ich suchte U. und fand sie in einem Nebenraum, mit Tränen in den Augen. Was ist los, fragte ich sie, und sie berichtete, dass ihr Mann sie über Monate gefangen gehalten hatte, ohne Kontakt zur Aussenwelt. Ich fragte sie, ob das Elend ein Ende haben soll. Sie war froh, als wir einen Plan austüftelten. Vor Jahrzehnten waren wir in Paris, auf der Suche nach einem Zimmer im Quartier Latin, ich wollte ein Einzelzimmer buchen und sie reinschmuggeln, es klappte nicht, wir fuhren, weil wir die richtige Abfahrt verpassten, anderthalb mal um den Boulevard Periphérique, und schliefen unterwegs auf einem Parkplatz. Der Soundtrack dieser zwei Wochen war Hotel Hello von Gary Burton und Steve Swallow, sowie Ruth Is Stranger Than Richard von Robert Wyatt, auf dem schräpigsten kleinen Kassettenrekorder, manchmal kroch ich in die Töne hinein wie in unseren XXL-Schlafsack beim Zelten in der Bretagne. Gott, sie war hinreissend, muskulös, gebräunt, schwarzes Haar, und ich war ein verträumter Idiot. So richtig in Liebe entbrannt waren wir nicht, wir stritten wie die Hamster, und nur abends, in den Fischresraurants am Meer, und später, wenn wir vögelten, kehrte eine Art Friede ein. Neben Ingos Text zu Steve Swallow und Carla Bley konnte ich zwei weitere Tagesreste ausfindig machen, welche diese Träume auf den Weg brachten: die finale Episode von „The Affair“, die mir und meinem Unterbewussten offenbar nahegingen, und eine Szene aus dem Roman „Blacktop Wasteland“.