Popa Nos (1949-) ist ein tschechischer SingSongwriter, Sänger und Schauspieler und ein sehr virtuoser Gitarrenspieler. Wie und wo ich ihn entdeckte, erzähle ich später.
Zdenek Adamec war ein 18 jähriger, tschechischer Schüler, der sich am 6. März 2003 auf dem Wenzelsplatz in Prag selbst anzündete und verbrannte. In seinem Abschiedsbrief beklagt er das demokratische System, das nur von Macht und Geld gesteuert sei. Er bittet darum, ihn nicht als Irren abzutun. 1968 hatte sich Jan Palach an gleicher Stelle angezündet. Er demonstrierte gegen den Einmarsch der Soviets und bezahlte mit seinem Leben.
Pepa Nos mit der tschechischen Version von Bobby‘s „ And the times they are a changin‘“ …
Gestern bekam ich Post von Gregor. Er hat das neue Peter Handke Buch auf den Weg zu mir gebracht. Es war so lange unterwegs wie ein Dampfer von Hamburg nach New York ;)
“Ehre, Wahrheit, Talent und
Gottesgaben,
zahlen, Mädchen, in dieser Welt sich nicht aus.
Wer sie hat, wie Zdenek Adamec,
verliert am Ende alles“
Das sind Zeilen aus einem Lied von Pepa Nos, die Handke seiner dramatischen Erzählung vorangestellt hat.
Mit diesem Text setzt er dem jungen verzweifelten Zdenek ein Denkmal. Wie macht er das? Handke kennt seinen Goethe und „er komme von Shakespeare“. Er nimmt eine Schlüsselszene aus „Wie es Euch gefällt“ und der Ardennerwald ist dann auch der Böhmerwald, wie er des Öfteren mit Spiegelungen spielt. Der kleine Zdenek findet sich beim Blaubeersammeln allein im Wald, die Mutter kommt erst später. Dieser Ort wird für ihn zum Ursprungsort für Heimat und Leid. Er wird die Prüfung des Lebens nicht bestehen. Er nimmt zwar jemanden mit in den Wald, doch dieser schweigt, ist leider nicht der religiöse Begleiter, wie bei Shakespeare, der Frieden bringt. Dadurch verliert der Zauberort an Attraktivität. Er geht nie wieder hin. Er sitzt ab gleich vor seinem PC in einem dunklen Zimmer bei seinen Eltern. Und jetzt gelingt Handke etwas Großartiges: er zeigt an diesem traurigen Fall, wie Recherche sein sollte. Er untersucht die Medien, die weltweit über den Selbstmord berichten. Dann zeigt er, WIE er recherchierte. Er nennt detaillierte Fakten, die Koordinaten stimmen. Es heißt „ man erzählt“ und dann: “und jetzt erzähle ich“. Er hat den Vater interviewt. Er erklärt wie Zdenek zum „Darker“ wurde. Und wie die ‚Zwischendurchhoffnung‘ auch keine Rettung für Zdenek ist. Seinen Abschiedsbrief nennt Handke einen Psalm, was ja Klagelied bedeutet, mit der Hoffnung auf Wendung. Und wieder gelingt Handke ein schöner, emphatischer Coup. „Wo bleibt der Gott, zu sagen, was er leidet,“ – bei Goethe‘s Tasso heißt es: „gab mir ein Gott, zu sagen, wie ich leide.“ Am Ende des nächtlichen Gesprächs heißt es:
– „Ich wollte noch was sagen“
– „Sag‘s!“
– „Jetzt weiß ich’s nicht mehr. Plötzlich weiß ich nicht mehr.“