Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 1 Jul

You, me and Harry Ambrose

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 36 Comments

 

Among the bunny bunch of recently covered and anticipated songs is „You“ by the group Ten Sharp, which I always liked listening to, remembering those radiodays at the construction sites. Found it as exhilarating as Bruce Hornsby’s „The Way It Is“ or Anastacia’s „Sick and Tired“. Luckily there is an overdub function on my little recorder which makes it easy to do a quick take and saves me from rheumatic symtoms while diving for hours into music, cable-tangling and technical overloaded issues: frozen bones in an advanced age. This fact offers another point of identification with detective Harry Ambrose, who tried to catch a Nietzsche-influenced criminal, permanently hobbling with sciatic problems through the third season of the fantastic and dark series The Sinner. Further on it reminds me of philosopher Dietmar Kamper, who once wrote that stumbling is the most appropriate way to move for man and mankind. So here we are, cheeky stumbling into fingerpicking again, just for fun and fit for „You“.

 

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36 Comments

  1. ijb:

    The Sinner: Ist die dritte Staffel denn (wieder) besser als die zweite?

    Wir haben die erste nicht gesehen [versehentlich – war beim Anklicken auf Netflix nicht klar, dass dort gleich die zweite startete, und erst später beim Nachlesen von Kritiken im Internet fiel mir auf, dass es eine vorhergehende Staffel geben musste],

    aber die zweite war ja arg unglaubwürdig und schlecht geschrieben (z.T. sah man sogar den Schauspielern an, dass sie ihre Figuren/Motivation nicht glaubten) – bis dahin, dass nach zwei Folgen offenkundig war, was es mit dem Vater auf sich haben würde.

  2. Michael Engelbrecht:

    Anders als Ingo, fand ich auch die zweite Staffel sehr gut. Sehr, sehr gut.

    Auf einem Podcast für dialogisch angelegte Serienbesprechungen würden Ingo und ich ein gutes Gespann abgeben. Immer auf Augenhöhe, und oft mit beträchtlichen Meinungsunterschieden. Meine Lieblingsschauspielerin seit THE LEFTOVERS, einer der besten TV-Serien aller Zeiten (imo), Carrie Coon, war natürlich grandios, und dann noch Bill Pullman.

    Bei der dritten habe ich allerdings meine kleinen Probleme.

    Dass ich kleine Probleme mit der Nietzsche-Liebhaberei habe, war ja schon auf dem denkwürdigen Manafonisten-Treffen auf Sylt 2014 oder so zu merken, haha. Und das bei allem gebotenen Respekt vor seinen Leistungen zwischen Genie und Wahnsinn – und gelegentlichem Blödsinn.

    Nun habe ich natürlich auch The Sinner 3 gesehen – und war einmal mehr beeindruckt von der fantastischen schauspielerischen Leistung von Bill Pullman, der ganz und gar zu Ambrose wird. Allerdings ist der Übermensch-Topos zweier ausgewiesener Psychopathen für mich etwas gewesen, das mir den flow-Faktor zuweilen minderte, zu abgedreht schienen mir die Übermensch-Aktionen der zwei kranken Seelen.

    Und rein logisch gedacht, hätte man den lebendigen der beiden Brüder im Geiste wohl schneller aus dem Verkehr ziehen können. Aber selbst due grössten Schauspieler-Asse werden zuweilen von Drehbüchern an den Rand des Absurden gegängelt.

    Ungeachtet dieser Vorbehalte, hat die Serie sehr viele begeisterte reviews erhalten. Von mir gibt es immerhin 3 von 5 Sternen. Denn es gibt darin auch atemraubend spannende Szenen, die sich fast mit zeitlupenhafter Langsamkeit entfalten.

  3. Jochen:

    Kritische Vorbehalte, absolut nachvollziehbar. Auch hakte es bei der Handlung. Jemand, der im Beisein eines Polizisten mit Vollgas im Berufsverkehr über die Kreuzung fährt, Übermensch-mässig, und dann nach Hause gehen darf, als sei nichts gewesen?

    3 von 5 Sternen, ebenso nachvollziehbar. Subjektiv (auch wegen Bill Pullman) gebe ich allerdings 4, sonst hätte ich die Staffel gar nicht geschaut.

  4. Michael Engelbrecht:

    3 heisst ja gut, und manche Szenen waren so gut, dass ich mir sagen musste, wie mitunter meinen Klienten: atmen!!!

  5. Jochen:

    Prädikat „Sehenswert“ also.

    Aber nicht so gut wie Little Fires Everywhere mit (take a long breath) Reeeese Witherspooon …

  6. Michael Engelbrecht:

    Yep. Gucke ja derzeit mehr Kinofilme als Serien daheim, empfehle daher:

    LEAVIN NO TRACE

    Mark Kermode, The Guardian: *****
    Michael Engelbrecht, Deutschlandfunk: ****

    Cheers.

  7. ijb:

    Wir sollten so einen Podcast wirklich angehen. Allerdings befürchte ich, dass unser Podcast-Dialog an dem Punkt in die Sackgasse gerät, wo du sagst, (m)ein fachmännisch-analytischer Blick würde verhindern, dass ich mich dem „Flow“ hingäbe.

    Für mich steht und fällt die Qualität von Film- und Seriengeschichten mit der Glaubwürdigkeit der Charaktere. Es kann gerne noch so abstrus, überzeichnet, artifiziell oder „out there“ sein (siehe American Gods, Breaking Bad, Ozark etc), aber die Charaktere müssen halt in sich stimmig sein;

    ich „verzeihe“ gerne konstruierte Drehbücher, die unter dem Wollen des/der Autors/Autorin zu ächzen beginnen und auch an Klischees und überhandnehmenden Zufällen nicht sparen (siehe The Affair, The Killing oder Here And Now) – doch ich spüre sofort, wenn der Autor für Figuren Entscheidungen trifft, die nicht aus den Charakteren hervorgehen, sondern eben für eine Drehbuchwendung oder aus einem sonstigen thematischen Grund geschrieben wurden. Und dann ist der „Flow“ spürbar unterbrochen.

    Klar, ich kann da auch mal drüber wegsehen, wenn es mal vorkommt (in The Affair z.B., ich denke gerade an die vierte Staffel, werden solche Zufälle und Wendungen arg strapaziert (eine folgenreiche Schwangerschaft beim ersten „ungewollten“, superkurzen Fremdgehen ist ja so ein gerne bedienter Zufall), aber die Charaktere sind immer noch so stark angelegt und auch gespielt, dass sie das verkraften); so lange es dann entsprechend inszeniert und gespielt ist, dass man genügend drüber hinfort getragen wird.

    Es ist eben doch eine hohe Kunst – und nur sehr wenigen Autoren gelingt es halt, nachvollziehbarer Weise auf einem meisterhaften Niveau (und klar, wirtschaftliche und andere produktionelle Zwänge tun ihr übriges) so etwas zu schreiben.
    Die „Auflösung“ in The Sinner Season 2 war allerdings wirklich komplett gar nicht aus den Figuren heraus motiviert.

    Aber es war auch einer dieser Fälle von Serien/Filmen, wo ausnahmslos ALLE Figuren so erzählt werden (weniger durch Drehbuch als durch Schauspiel und Inszenierung), dass sie – oho – verdächtig… verdächtig… werden durch ihr Verhalten – nur EIN einziger ist komplett unverdächtig und die einzige restlos sympathisch gezeichnete Figur.

    Aber in der letzten Folge kommt urplötzlich in einer entscheidenden Szene eine Verhaltensweise zum Zuge, die in keiner Weise angelegt war, noch die die Geschichte gebraucht hätte. Da fühlt man sich doch echt ver**scht; so viel Respekt sollte man als Serienschreiber seinem Publikum dann doch entgegenbringen. Interessanterweise merkt man es ja auch, wie oben schon angemerkt, wenn ein Schauspieler seiner Figur nicht glaubt, was er/sie da spielen muss.

  8. Michael Engelbrecht:

    Nein, das würde ich nicht behaupten. Wenn ich es einmal tat, das mit dem flow und dem Fachmann, war das nur eine Anmutung, Schnee von gestern. Natürlich wäre der Podcast erst mit Jochen komplett. Und der Burner!

  9. Michael Engelbrecht:

    Ich fühlte mich nicht veräppelt, und gestehe den Filmemacherrn auch manche Sachen zu.

    Im übrigen würde ich mir nie anmassen, die Grösse und mangelnde Grösse eines Kunstwerks so sicher zu erkennen, wie du, hier zumindest, den Eindruck erweckst es tun zu können. Es gibt sehr viele kluge Rezensenten der zweiten Season von The Sinner – schau mal bei rottenpotatoes nach – die exzellente reviews geschrieben haben, und keineswegs über deine Kritikpunkte gestolpert sind … warum wohl?!

    Und intelligent sind die auch 😉!

  10. Lajla:

    To the powerful guitar sound would fit the voice of Martie Maguire.

    You were „stumbling“ champions …

  11. Michael Engelbrecht:

    The Big Short: das ist so der komplette Dissens zwischen uns.

    Und jetzt mal nicht über Oscars reden.

    Peter Bradshaw gab zwei Sterne, das verstandest du gar nicht und fragtest dich, was mit ihm wohl los sei. Ich fand den Film auch keinen Stern mehr wert, aus meinen guten Gründen – du warst voll der Begeisterung.

    Der neue Spike Lee auf Netflix:

    Mark Kermode: ***
    Peter B: *****
    Michael E.: ****1/2
    Ingo: [Hab’s nicht gesehen, würde aber, nach allem, was ich gelesen habe, mit einiger Sicherheit davon ausgehen, dass ich auch bei *** lande.]

    (((Also, bei mir fehlte, glaube ich ein Stern: vier sind es. Ach, viereinhalb: sooo good. Und so wichtig anno 2020 (Michael)))

    Die Art der unterschiedlichen Bewertungen spiegelt nicht unterschiedliche Kompetenz, sondern anders gelagerte Wahrnehmungen. Und die interessieren mich.

    Bin jetzt on the road. Back tomorrow afternoon.

  12. ijb:

    Das Wort „Kunst“ bezog sich nicht darauf, dass ich das Werk (Serie/Film) als solche bezeichne, und noch weniger auf eine etwaige Einschätzung deren „Größe“, denn in der Tat gehöre ich auch nicht zu jenen, die da große Anmaßungen treffen wollen. Nein, ich schrieb von „der Kunst des Drehbuchschreibens“, im Sinne von „Kunstfertigkeit“.

    Ebenso wenig habe ich geschrieben, dass meine Meinung von mehr oder größerer Klugheit oder Intelligenz als die anderer Zuschauer untermauert wäre. Dass ausgerechnet du nun wiederum die Summe der „Lobeshymnen“ ins Feld führst, überrascht mich allerdings; wie oft hast du hier im Blog nachdrücklich betont, dass es für dich keine Relevanz hätte, was hundert andere loben und urteilen …

    Aber, zur Frage „warum wohl?“ Mit Sicherheit weiß ich es nicht. Ich kann nur vermuten, dass die Dinge, die ich oben geschrieben habe, für diese Rezensenten nicht relevant sind und sie den Fokus auf andere Aspekte legen. Wäre ja auch nicht das erste Mal, dass ich Rezensionen läse, deren Meinung ich nicht teilen würde – oder dass mehrere Meinungen etwas sagen, dem andere Leute ebenso gut widersprechen können.

    Ich erlebe das auch in einem Großteil der Besprechungen von Tatort– und anderen Fernsehproduktionen: Es kommt doch halt immer drauf an, was einem beim Schauen (oder Hören) wichtig ist und einen anspricht.

    Ich finde es ja auch interessant, dass du bei Musik oft auf ungemein subtile und feinsinnige Dinge Wert legst und „Lauterem“, „Knalligerem“ (mir fällt gerade die Beschreibung nicht ein, die du verwendet hast) wie Elton John, Kendrick Lamar u.a. nichts abgewinnen kannst. So lege ich eben wiederum bei Serien auf das Subtile und Präzise entsprechenden Wert, und habe mit der „lauteren“, nun ja, ungraziösen Erzählmethode à la The Sinner Season 2 (und manch anderer Serien, über die du mit Nachdruck deine Begeisterung teilst) nicht immer meine Freude.

  13. ijb:

    Haha, an „The Big Short“ erinnere ich mich gar nicht. Aber ja, das ist ein gutes Beispiel für einen idiosynkratischen Film, der es gerade darauf anlegt, unterschiedliche Meinungen zu provozieren. Das finde ich erst einmal immer gut, auch wenn ich das Ergebnis dann ggf. nicht mag. „The Sinner“ hingegen ist da doch weitaus konventioneller und daher würde ich da gewissermaßen mit einer anderen Art der Beurteilung herangehen.

    Man muss natürlich einen Film auch immer mit der Art von Maßstab und Kategorien messen, nach dem die Macher rangehen. Und klar, u.U. interessiert mich das, was die Macher hinter „The Sinner“ (S2) umtrieb, einfach nicht. Es sind aber dennoch genügend Aspekte und Elemente drin, die mich immerhin die kompletten Folgen haben anschauen lassen; so ganz egal war’s mir dann wohl doch nicht …

  14. Michael Engelbrecht:

    Jetzt hast du mich noch vor der Abreise erwischt.

    Der Verweis auf andere Rezensenten mit Hirn und Herz diente nur der Relativierung deines Standpunktes. Mir ist es in der Tat egal, ob ich mit einer Mehrheit oder Minderheit übereinstimme.

    Die Fähigkeit, uns übereinander zu wundern, im positiven Sinne allerdings, sollte uns erhalten bleiben.

  15. ijb:

    Gerade nachgugelt und -gelesen, nur für die faktische Richtigkeit:

    Nicht ich hatte mich gefragt, was mit Peter Bradshaw los sei, sondern mein Freund und steter Kinobesuchsbegleiter Mr. Knight, für den Bradshaw gewissermaßen erste Referenz ist, wenn es um Filmkritik geht. Ich bin bzgl. Bradshaw und anderer Filmkritiker nicht so fokussiert auf bestimmte Leute und Meinungstäter.

    Hatte ich schon gewundert, dass ich so etwas gesagt haben könnte; aber nein, diese Äußerung war nicht die meinige, ich hatte sie nur zitiert.

  16. ijb:

    PS: Mit den Oscars verbinde ich übrigens auch keine persönliche Leidenschaft. Es ist halt meist ein Preis für den US-Studio-Mainstream gewesen, und es gibt mehr Fälle, wo ich das (aus einer Massenabstimmung hervorgehende) Ergebnis nicht teilen würde als dass ich es begrüße, anders als bei eher von Juries vergebene Urteile/Preise. Immerhin kann man festhalten, dass die Drehbuchpreise beim Oscar häufiger als nicht eine wirklich gute Drehbuchleistung auszeichnen. Irgendwie schaffen sie es ausgerechnet in dieser Kategorie fast immer eine gute Respektsbekundung zu erzielen.

    Ich glaube, bei „The Big Short“ hat mich u.a. die hervorragende Regiearbeit und die mitreißende Spielfreude der Schauspieler begeistert, sowie die Tatsache, dass man als Hollywoodproduzent und -regisseur tatsächlich auch unterhaltsame und zugleich zur Diskussion anregende Multiplex-Filme machen kann. Ist ja doch recht selten (geworden) und verdient allein schon deshalb Respekt.

  17. Jochen:

    Thanks Lajla – I guess you meant the lady from the Dixie Chicks.

    So I turned the y into an ie … :)

  18. Lajla Nizinski:

    Ah, ok Jochen.

    Sie nennen sich jetzt The Chicks und ihr neuer Song „March March“ ist so gut!

  19. ijb:

    Hm, also nachdem du mir ja diese Rotten-Tomatoes-Rezensionen zur „Relativierung meines Standpunkts“ geschickt hast (Ich mich allerdings auch frage, warum du eigentlich meinst, dass meine Meinungsäußerung eine zusätzliche Relativierung bräuchte, nachdem hier offenkundig schon eine mehrheitlich (sehr) positive Meinung von der Serie herrscht), war ich tatsächlich etwas neugierig, da mal reinzuschauen. Ich habe jetzt nicht alle 33 verlinkten Texte eingehend studiert, möchte aber zumindest erwidern, dass viele dieser Rezensionen jetzt nicht allzu tiefschürfend sind (darf ich oberflächlich sagen, ohne wieder in die „anmaßend“-Schublade gesteckt zu werden?), also kaum über das Niveau von „TV Today“/„TV Spielfilm“-Empfehlungen hinausgehen. Tatsächlich hatte ich vor einigen Wochen schon ein paar dieser Kritiken gelesen, als ich überlegte, ob sich das Weiterschauen wohl lohnt, und interessanter Weise stellte ich nun wieder fest, dass eine ganze Reihe der Besprechungen ihr Urteil erklärtermaßen auf der Sichtung von nur zwei bis drei Folgen der Serie gebildet haben, darunter auch renommierte Filmkritik-Magazine wie Hollywood Reporter.

    Ich muss auch gestehen, dass ich — um auf deinen Hinweis zurückzukommen — nicht wirklich viel gefunden habe, was die Aspekte, die ich erwähnt habe, diskutiert (teils liegt das sicher daran, dass die Schreiber nur die ersten zwei oder drei Folgen gesehen haben), aber wo es erwähnt wird — u.a. auch in einigen doch kritischen bis sehr negativen Zuschauermeinungen — finde ich meine Meinung schon widergespiegelt, etwa hier

    Aufgefallen ist mir, dass der Tenor meistens lautet „gut, aber nicht so gut wie Season 1“ (meist wird Jessica Biel als entscheidender Faktor genannt), ein paar wenige Stimmen auch das Gegenteil sagen, „besser als Seasons 1“. Interessant, weil das wieder zu meiner Aussage passt, dass die Meinung, die man als Zuschauer (und Rezensent) bildet, halt doch immer auch von allen möglichen Faktoren beeinflusst wird, die über das Gesehene an sich hinausgehen (ich will jetzt gar nicht so weit gehen, es Projektionen zu nennen). Bestimmte Dinge wie die Qualität eines Drehbuchs, der Montage und der Regiearbeit kann man aber doch auch bis zu einem nicht unerheblichen Grad objektiv beurteilen, und in der Summe dieser Elemente stellt sich dann auch eine entsprechende Wirkung bei Zuschauern her (oder nicht… manch eine scheinbar schlechte Schauspielleistung liegt, wie oben bereits angesprochen, auch an der Qualität der Drehbücher, der Inszenierung und/oder der Montage). So gesehen: ja, vielleicht ist es „anmaßend“, die künstlerisch-gestalterische Arbeit von anderen zu beurteilen, aber es gar nicht zu tun, wäre ja auch nicht die Antwort …

  20. Jochen:

    Generell wundere ich mich immer wieder über die hervorragende (Bild-)Qualität vieler Serien. Es ist also bei mir zunächst einmal das bewundernde Staunen und das Feiern, was jeder Kritik vorrausgeht. Ich bin auch noch in keinster Weise gelangweilt, übersättigt oder angeödet. Es entsteht beim Schauen eine Intimität, die ich dann im Nachhinein gerne teile, in zu lesenden Reviews.

    Deshalb wiederhole ich mich gerne: dass ich mich über Alle freue, die meine Interesse und Begeisterung teilen. Auch die schauspielerischen Leistungen beeindrucken stets erneut. Bill Pullman als Harry Ambrose in The Sinner – oder neulich wieder diese unglaublichen schauspielernden Kinder und Jugendlichen in Little Fires Everywhere.

    Netflix hat meines Erachtens eine bildnerische Erzählweise, die das Meiste, was man aus dem (deutschen) Fernsehen so kennt (Tatort etc), meilenweit in den Schatten stellt. Das gilt auch für Dokumentationen. Gerade geschaut: Citizen K. Die Geschichte von Michail Chodorkowski – Hintergründe, Abgründe, Machenschaften. Pädagogen aufgepasst: this is Bildungsfernsehen. Putin-Russland heute: Gangster-Kapitalismus in Reinform …

  21. Michael Engelbrecht:

    @ Ingo: natürlich gibt es in Summe auch flache reviews, aber auch fundierte, vielschichtige.

    The Sinner 1: ****
    the Sinner 2: ****
    The Sinner 3: ***

    und, mal so, zur Erinnerung, Netflixiana:

    Unbelievable: *****
    The Mindhunter 1: ****
    The Mindhunter 2: ****1\2

    @ Jochen: ja, das empfinde ich ganz ähnlich. And, always enjoyable, with Bill P, the old movie THE LAST SEDUCTION.

  22. ijb:

    Ich bin auch noch in keinster Weise gelangweilt, übersättigt oder angeödet. 

    Das geht mir tatsächlich ganz genauso. Interessant, dass du das gerade schreibst, denn witzigerweise (oder traurigerweise?) fand ich mich unlängst wiederholt in Gesprächssituationen mit Filmliebhabern, die mir sagten, „ach Netflix, da gibt’s viel zu viel — und viel zu wenig wirklich Gutes.“ Und ich jeweils ausführlich erwiderte, dass ich dieses Urteil überhaupt nicht teilen kann. Ja, sicher gibt es vieles, aber es gibt eben nicht nur sehr viel (sehr) Gutes, sondern eben auch sehr viel sehr Unterschiedliches, für jeden Geschmack und die unterschiedlichsten Vorlieben etwas, hervorragende Qualität in unterschiedlichsten Genres und Angeboten zumal, und ich noch lange nicht auch nur ansatzweise in alles reingeschaut habe, was ich gerne sehen würde. Entsprechend nehme ich mir auch die Freiheit, wenn mich was nicht so richtig anspricht oder überzeugt, nicht zu viel Zeit damit zu verbringen und entsprechend stattdessen etwas anderes zu schauen — diese Möglichkeiten bietet Netflix, und das oft auf künstlerisch und gesellschaftspolitisch beeindruckendem Niveau.

    „The Sinner“, um dazu nun doch noch ein letztes Mal einen Kommentar zu machen — weil ich das oben schon angefangen hatte —, ist von der Kameraarbeit (leider) doch recht durchschnittlich, konventionell und im Vergleich zu den anderen hier genannten Serien auch deutlich uninspirierter; konkret mangelt es z.B. vor allem an einer wirklich filmsprachlichen Form – und damit hat das visuell schon mehr gemein mit vielen Tatorten (auch da gibt es auch gelegentlich Ausnahmen, aber die Produktionszwänge erlauben das offenbar nur selten) als eben mit z.B. „Mindhunter“, dessen ganz im Gegensatz dazu meisterhafter Arbeit beispielsweise dieser Videoessay wunderbar erläutert: „Show, don’t tell“

    Dieser hier erklärt sehr schön Mindhunter’s Brilliant Editing 

    und der gleiche Video-Mensch fasst hier sehr schön und knapp zusammen, was Montage, Regie, Schnitt und Kameraarbeit von „Mindhunter“ so überzeugend machen.)

    Qualitäten, die „Mindhunter“ deutlich aus dem Gros der Serien herausheben.

    (Die fundierten Videoessays von Thomas Flight sind überhaupt sehr empfehlenswert – sowie die von „Skip Intro“, der sich auf fundierte Essays über Serien fokussiert und
    hier bspw. die meisterhafte Montage von Big Little Lies sowie von Better Call Saul erläutert)

  23. ijb:

    Und dann möchte ich unbedingt gerne noch dies teilen, was ich tatsächlich erst vorgestern im Mailaustausch mit einem Bekannten geschrieben habe:

    Unterschieden werden muss unbedingt zwischen:

    a) Dokumentation (bzw. engl. documentation)

    allgemeiner Begriff für alles, das in irgendeiner Form zu Dokumentationszwecken festgehalten wird, sei es in Textform, in fotografischer Form, als Tonaufnahme oder auch als Film- oder Videoaufnahme, mit oder ohne Ton.

    Dokumentation als Begriff ist erst einmal nicht filmspezifisch, wird aber umgangssprachlich und unter Filmemachern auch in latent abwertender Form** mit der Wortverkürzung „Doku(s)“ auf alles, was nicht Spielfilm ist, angewandt.

    ** eben weil unter „Dokus“ meist TV-Formate ohne eigene erzählerische Haltung verstanden werden

    https://de.wikipedia.org/wiki/Dokumentation fasst zusammen:
    Unter Dokumentation versteht man die Nutzbarmachung von Informationen zur weiteren Verwendung. Ziel der Dokumentation ist es, schriftlich oder auf andere Weise dauerhaft niedergelegte Informationen (Dokumente) gezielt auffindbar zu machen. Dokumente in diesem Sinne können Fachbücher, Zeitschriftenartikel oder sonstige Druckschriften sein, aber auch Archivalien, Bilder, Filme, Tonaufzeichnungen und Ähnliches. Auch wissenschaftlich erhobene Daten können im Sinne einer Dokumentation behandelt werden.

    b) Dokumentarfilm (engl. documentary / documentary film)

    Definition Filmlexikon Uni Kiel

    Filmform, die ausdrücklich auf der Nichtfiktionalität des Vorfilmischen besteht. In einem weiten Sinne zählen der Sach-, der Reise-, der Nachrichtenfilm, der ethnografische Film, der Essayfilm u.a.m. zum Dokumentarfilm. Die wesentlichen Genres bildeten sich in den 1920er und 1930er Jahren heraus (inszenierte, ethnografische, beobachtende, agitatorische Dokumentarfilm, Kompilationsfilme, Querschnittsfilme). Das Konzept des „Dokumentarfilms“ wurde von dem britischen Kritiker und Filmer John Grierson erstmals 1926 geprägt – als ein auf Robert Flahertys Tahiti-Film Moana (1926) bezogener Begriff des nichtfiktionalen Films, dessen Aufbau sich nicht an den Regeln der klassischen Dramaturgie oder vorgeformten narrativen Mustern orientiert, sondern das „wirkliche Leben“ mit Menschen auf die Leinwand bringt, die als sie selbst vor die Kamera treten (documentary value). Der Dokumentarfilmer ist Zeuge von Handlungen, Ereignissen oder Phänomenen der Zeitgeschichte, die er mittels Film erschließt, verdeutlicht, analysiert oder rekonstruiert, wobei er als Autor z.B. im Interview je nach künstlerischem Konzept als Fragender, Gesprächspartner etc. an- oder abwesend sein kann.

    Die Begriffsbildung des Dokumentarfilms war einer Praxis nachgängig, die bereits seit den Gebrüdern Lumière 1895 mit ungeschnittenen single shots nichtfiktionale Filme produzierte, in denen sichtbare Vorgänge der Wirklichkeit aufgezeichnet wurden. Frühe Formen des nicht-fiktionalen Films, v.a. Aktualitäten und Wochenschauen, sind mit journalistischen Arbeitsweisen verwandt, während die a-narrativen Landschaftsbilder Vorläufer in der Reisebeschreibung und literarischen Topografieschilderung des 19. Jahrhunderts haben.

    In den 1960er Jahren entbrannten mehrere Dokumentarfilm-Debatten, in der es um die Methoden des Dokumentarfilms ging, um die Zulässigkeit des Eingriffs, um die Rolle von Subjektivität und politischem Interesse, das (symbolische) Machtverhältnis zwischen Dokumentarfilmer und Gefilmten (vereinfacht gesprochen: das Direct Cinema begleitet soziale Prozesse, das Cinéma Vérité stimuliert sie).

    Auch wurden seitdem zahlreiche neue Subgattungen ausgebildet, wie z.B. das Doku-Porträt, der inszenierte und experimentelle Dokumentarfilm, der Interviewfilm sowie die Querschnitts-Dokumentation. Der investigative Dokumentarfilm übernimmt seine Methode vom investigativen, Stellung beziehenden Journalismus. Der Dokumentarfilm wird heute nur noch im Ausnahmefall im Kino ausgewertet – er ist fast ganz ins Fernsehen und seine Darstellungsformen abgewandert. 

  24. Jochen:

    @ Ingo

    Ah, wieder was gelernt :)

    Citizen K beispielsweise ist dann natürlich ein Dokumentarfilm und keine Dokumentation. Wobei mir das englische documentary dann noch besser gefällt …

    Dann sind Dokumentationen also eher zweckorientiert und Dokumentarfilme künstlerisch-kreative Schöpfungen oder Portraits (von Personen, Ereignissen oder Zeitepochen etc) in erzählerischem Stil.

  25. ijb:

    Ja, so kann man das sagen. Wobei „Dokumentation“ eben einfach ein sehr umfassender Begriff ist, eben wie wenn man „Tasteninstrument“ (oder sogar „Instrument“) sagt, obwohl man eigentlich meint, von einem Konzertflügel zu sprechen.

    Letzlich kann ein Dokumentarfilm auch „zweckorientiert“ sein, sagen wir als Propaganda-Mittel oder zur politischen Provokation oder auch, um eine gesellschaftlich oder sonstwie orientierte Aussage zu machen; aber das entscheidende ist eben, dass hinter einem Dokumentarfilm ein/e kreative/r Regisseur/in mit dem Anspruch einer künstlerisch-gestalterischen Auseinandersetzung steht.

    „Doku“ hat, auf Filme angewendet, da schon eher eine (oftmals) abwertende Funktion, da damit 08/15-Fernsehformate ohne eigene künstlerische / filmsprachliche Haltung gemeint sind, ein Beitrag in „Titel Thesen Temperamente“ oder in einem x-beliebigen Fernsehformat, oder auch eine Kochsendung, die Aufzeichnung eines Fußballspiels oder einer Rede von Angela Merkel oder so gemeint sein kann. (Deshalb sagen Filmemacher, Festivalmacher etc, wenn sie nicht alle Silben aussprechen wollen, üblicherweise „Dokfilm“ – im Unterschied zu Doku.)

    Ein Dokumentarfilm hingegen ist ein solcher, sobald er mit einer eigenen Sicht der Regieperson gestaltet wird — diese kann klar und deutlich im Film formuliert werden wie zumeist in amerikanischen Filmen oder in Form einer Off-Stimme (aus dem Mund eines Erzählers, eines Interviewten oder des Filmemachers selbst, sie kann aber auch (und das sind oftmals ja auch die interessanteren, wenn nicht gar besseren Filme) „zwischen den Zeilen“ erzählt werden, wie etwa in komplett kommentar- und interviewfreien Filmen, wie es etwa in bekannten Filmen wie „Sein und Haben“ der Fall ist oder im Gesamtwerk des großen Dokumentarfilmemachers Frederick Wiseman. Filme wie z.B. „Rivers and Tides“ oder auch mein Film „Voice“ liegen quasi zwischen diesen beiden Extremen, in dem Sinne, dass es durchaus Off-Stimme(n) gibt, ggf. in Form von Gesprächen oder Interviews, dass aber dennoch die Sicht des Filmemachers nicht explizit formuliert und ausgesprochen wird.

    Ich sehe bei Netflix auch viele eindrucksvolle Dokumentarfilme, allerdings muss man natürlich sagen, dass ein Großteil davon einem relativ ähnlichen Schema folgen, also ausgehend von unterschiedlichen Interviews, die in Kombination mit Archivmaterial und manchmal situativem neuen Material ihr Thema beleuchten. In „The 13th“ haben sie für die Interviews zumindest eine sehr ungewöhnliche visuelle Form gewählt, aber dennoch ist es im Wesentlichen einer dieser US-typischen Filme, in denen sehr viel von den Interviews ausgeht. Interessant fand ich z.B., wie in der 4-teiligen „Trump“-DokSerie recht subtil die Interviewsituationen inszeniert werden (d.h. die Momente drumrum miterzählt werden, die man konventionellerweise weglässt).

    Einer der besten und ungewöhnlichsten (auch filmsprachlich reizvollsten) DokFilme, die ich in den letzten Jahren gesehen habe, ist auch bei Netflix: „Strong Island“.

  26. Michael Engelbrecht:

    „Sie denken also, dass da draussen irgendeine auferstandene Zivilistin mit ihrem eigenen Heiligenschein rumläuft!?“

    Ganz fabelhaft witzig, herrlich trashig, und die Schauspieler hatten spürbar alle Spass, fiese Kirchenfürsten, korrupte Nonnen, absolut anrührende Szenen, un poco Stranger Things a la Spain, und doch originell, immer richtig schräg und durchweg spannend, crazy und alles, auch guter Humor – und sicher laufen die Meinungen unserer Mana-Serialisten weiter auseinander als mein letzter Camebert beim social distancing-Picknick, but i love it, yes, I do: NETFLIX, WARRIOR NUN. Four well deserved stars and a great flow and binge experience. Eigentlich fehlt nur Dead Can Dance im Soundtrack, aber vielleicht kommen die noch in den letzten Folgen.

    🙏 Amen!

  27. ijb:

    Aaahh! Das ist tatsächlich ein sehr wertvoller Hinweis. Jetzt kann ich die Begeisterung deutlich besser nachvollziehen. Denn tatsächlich konnte ich mit der Kategorie „Trash“ — oder wie von seinen Freunden besonders gerne bezeichnet „herrlicher Trash“ nie wirklich was anfangen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, „Mit ‚Trash‘ kann man mich jagen.“ Da muss ich dann wahrscheinlich eingestehen, dass ich ein bisschen in die Schublade lasse, die man „elitär“ nennt. Für mich ist das ungefähr so, wie sich wohl Keith Jarrett fühlt, wenn Leute im Saal husten und Fotos knipsen.

    Ich erinnere mich mit Grausen an Filme wie „10.000 B.C.“, den ich mal mit einem Freund angeschaut habe, er amüsierte sich köstlich, ich dacht nur, „was für eine sinnlose Verschwendung an Geld und (meiner) Zeit!“

    Ohne Frage mag ich alberne Filme und Sachen, und auch für anarchische Filme bin ich absolut zu haben, aber das Konzept von „Trash“ geht tatsächlich komplett an mir vorbei. Danke also für die Aufklärung.

  28. Michael Engelbrecht:

    Da scheinen wir beide komplett andere Konnotationen von „Trash“ im Kopf zu haben. Manches von Quentin Tarantino, und gewiss auch der eine und andere Film, den du von ihm magst, finde ich auch „herrlich trashig“.

    Bestimmte berühmte B-Movies aus alten Zeitem wie „Tarantula“ finde ich gleichfalls „herrlich trashig“. Es gibt eine sehr faszinierende Spielart von „Trash“, die mit „grosser Kunst“ einhergehen kann. Somit war das nun wirklich keine Aufklärung.

  29. Michael Engelbrecht:

    @ Jochen: wow, 29 comments zu den Themen und Randthemen deines Textes, und kein Ende in Sicht. 🥁🥁🥁

  30. Michael Engelbrecht:

    Another masterpiece of high art – and beautiful trash in regards to most primitive recording techniques, lo lo lo – fi and utterly heartbreaking:

    THE MOUNTAIN GOATS : THE CORONER‘S GAMBIT

    The Velvet Underground, nearly everything: full of beautiful trash and profound art!

  31. Jochen:

    Wahrscheinlich ein Thema, das viele anspricht. Es wäre wünschenwert, wenn wir hier eine Debattenkultur der gepflegten Widersprüche etablieren würden (Bourdieus Die feinen Unterschiede …).

    Gestern versuchte ich nochmal, nach mehreren Versuchen, in Ozark reinzukommen, tat mich schwer damit. Las dann Rezensionen, die eine gewisse Abwehr bestätigten. Irgendwie kalt und resignativ …

  32. Michael Engelbrecht:

    Es geht mir bei „herrlich trashig“ um das kunstvolle Spiel mit Trash-Elementen. Das aber in gelungenen Filmen oder Serien sich nicht in diesem Spiel erschöpft. „Herrlich trashig“ als Zutat, nicht als durchgänig geltendes Merkmal. Ein Lehrbuchbeispiel dafür: IN FABRIC von Peter Strickland. Highly reccommended!

    In der schönen Post-Post-Moderne, und rückblickend, schon weit davor, gibt es immer wieder die schönsten Beispiele für die Auflösung der Gegensätze von low art und high art. Mehr ist dazu von meiner Seite nicht zu sagen. Oder doch, am 15. August, in der ziemlich japanische Zeitreise, zwischen 4.05 und 5.00 Uhr morgens, wenn es um „pazifische Brisen“ geht. Bis dahin, gilt, frei nach Wittgenstein, die Devise, bei „you and me and ambrose“: worüber man gut reden kann, kann man auch gut schweigen.

  33. ijb:

    Wie es scheint, muss ich tatsächlich noch einmal eine Erläuterung meines Kommentars hinterherschieben. Hätte nicht gedacht, dass ich in so kurz gefassten Beiträgen solche Irreführungen unterbringen könnte. Mit „Aufklärung“ meinte ich selbstredend nicht eine Definierung des Begriffs „Trash“, sondern die „Aufklärung“, dass ihr/du/ verschiedene Zuschauer die Serie The Sinner als „herrlichen Trash“ erleben, goutieren, genießen. Ich wollte allein sagen: Danke für diese Erläuterung; denn diese mögliche Lesart – konkret für The Sinner (aber im weiteren auch für manche andere hier erwähnte Serie, die hier über die Zeit hin begeistert kommentiert wurde, wo ich dachte „Naja, so der Hit ist das ja nun auch nicht.“) bislang einfach komplett an mir vorübergezogen, aus oben genannten Gründen. Und auch weil mir das aus den Rezensionen bei „Rotten Tomatoes“ nicht hervorging; ganz offenkundig auch den anderen Zuschauer, die dort Halbe-Stern_Urteile vergaben, nicht.

    Und ich verstehe auch total, wenn du schreibst, die Schauspieler hatten großen Spaß am Spielen. Auch das meine ich mit „Aufklärung“, wenngleich das vielleicht nicht 100% die richtige Wortwahl war …

    Und was Tarantino betrifft: In der Tat habe ich deutlich größere „Probleme“ — naja, das klingt so wertend bzw. urteilend, das meine ich gar nicht … vielleicht eher: Es lässt mich völlig gleichgültig, wenn nicht gar gelangweilt, wenn Tarantino sich in diese „Trash“-Richtung austobt. Sei ihm gegönnt, und ich kenne auch viele Leute, die daran große Freude habe, mich hingegen langweilen die Filme, in denen die Trash-Aspekte überhand nehmen (Death Proof, Django und ja, auch Teile von Once Upon A Time u.ä.), einfach. Raffiniert hingegen finde ich es, wie du womöglich im Hintersinn hast, wenn er es schafft, große Regiekunst(stückchen) mit „herrlichen“ Albernheiten zu verbinden, etwa in Inglorious Basterds oder Pulp Fiction (keiner meiner persönlichen Lieblingsfilme). Auch wenn ich alles andere als ein Tarantino-Fanboy bin, muss ich absolut anerkennen, dass seine Regiekunst zu den großen Filmautoren der letzten 30 Jahre zählt, und das führt dann schon zu einem signifikanten Unterschied zu dem, was ich in manch einer filmsprachlich mediokren Serie sehe. Vielleicht muss ich also zum besseren Verständnis ergänzen: Wenn „Trash“-Elemente in einem Kontext eingesetzt werden, wo mir dieses Spiel mit diesen Zitaten und Frechheiten bzw. Albernheiten klar als bewusstes Stilmittel erkennbar ist, kann ich das Element „Trash“ durchaus goutieren. Aber da „Trash“ ja auch immer als Affront gegen Geschmäcker gemeint ist, gibt es auch immer wieder Fälle, wo ich das blöd finde, siehe den letzten Abschnitt von Tarantinos Once Upon a Time… Und bei The Sinner fehlt mir absolut ein „kunstvoller“ Rahmen / Gegengewicht. Da ist die „Kunst“ von Kameraarbeit, Regie, Drehbuch einfach bei weitem nicht mit Strickland oder Tarantino vergleichbar, sondern doch sehr viel konventioneller und streckenweise auch echt uninspriert (so viel Anmaßung traue ich mir dann doch zu ;-) )

    (Ich kann auch mit Musikern wie Daniel Johnston oder vielen anderen, die für ihren sog. „Dilettantismus“ gefeiert werden, nichts anfangen, finde das gerade unerträglich anzuhören. Und ich kenne Leute, die sonst ganz andere „große Kunst“ schätzen, die Daniel Johnston total verehren. Ich muss mir z.B. auch nicht die geklampften Home Demos von Kurt Cobain anhören.)

  34. Jochen:

    Nur mal vorsorglich abgesichert: ich bin nicht immer meiner eigenen Meinung und selbst die ändert sich ständig ;)

    The Sinner sehe ich nicht als Trash. Auch Ozark (oder Sons of Anarchy) sind imo kein Trash. Wenn ich versuche, in eine Serie hineinzukommen, stellt sich mir die Frage: „Willst du darin deine Zeit investieren?“ Bei The Sinner wollte ich das, bei Ozark bis dato nicht.

  35. ijb:

    Ich kann verstehen, wenn man Ozark kalt und unerträglich findet. Ich würde das auch nicht als „Trash“ beurteilen. Dafür ist die Regie und gestalterische Gesamtleitung von Jason Bateman zu souverän. Er hat sichtlich einen großen Teil seiner Regie aus dem Werk von David Fincher [Noch so einer, wo mir der „Trash“-Aspekt von Gone Girl total entging und mich entsprechend frustriert und gelangweilt hat als totaler Käse.] gelernt, und an dessen „Regiekunst“ scheiden sich bekanntlich auch sehr die Gemüter.

    Kleiner YouTube-Essay-Tipp:

    How Jason Bateman Became One of TV’s Best Directors

    Auch das, noch mit kleinem Dank, finde ich einen wertvollen Hinweis: „Wenn ich versuche, in eine Serie hineinzukommen, stellt sich mir die Frage: ‚Willst du darin deine Zeit investieren?'“ – auch wenn ich das natürlich letztlich nicht anders mache …

  36. Jochen:

    Kleiner Dank zurück für den Essay-Tipp, Ingo.

    Vielleicht klappt´s ja noch mal mit dem Ozark-Einstieg …


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