Manafonistas

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Archives: Mai 2020

2020 31 Mai

heute

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„For as long as there have been people, there have been storytellers. The philosopher Paul Ricoeur attributed it to the human desire for meaning, which naturally spills over to the human search for narrative. We desperately want to believe that our lives are building up to something, that all this makes Chekhovian sense, even as the world reminds us every day of its absurdity and randomness. We tell ourselves stories in order to live, because otherwise, we’d have no urge for going. We are all storytellers, because we cannot fathom existing otherwise.“

Deany Cheng beginnt so eine meiner liebsten Filmbesprechungen der letzten Jahre. Etwas Profundes beiläufig zu erzählen, gelingt ihm bezaubernd, während er die Filme Lady Bird und Call Me By Your Name Revue passieren lässt. Sein Text zündete, obwohl ich Lady Bird einfach nur sehenswert fand, aber sicher nicht, wie so viele, hingerissen war. Den anderen habe ich bis heute nicht angeguckt. Aber Deanys Text habe ich gleich mehrere Male mit Genuss gelesen, so unabhängig haben sie sich vom Gegenstand der Betrachtung gemacht. Gleichzeitig sind die beiden „Coming-of-age“-Filme auf meiner nicht wirklich existenten watch-list ganz oben in der Kategorie „so um Weihnachten rum, und mit Feuerzangenbowle“. (Bei der letzten Feuerzangenbowle stand Ananas-Express auf dem Programm 😂😂😂). Am liebsten würde ich ein Buch von ihm lesen, und das habe ich ihm auch gesagt, mit dreiunddreissig Kapiteln über dreiunddreissig die Stationen seines bisherigen Lebens begleitenden Filmerlebnisse, wobei er nichts googeln und recherchieren dürfte – die Erinnerung an die Filme würde also grob lückenhaft sein, Irrtümer aufweisen, die aber allesamt unerheblich und sogar reizvoll wären, weil die natürlich auch fehlerhaften Erinnerungen seiner privaten Stories den Aspekt der blitzgescheiten Filmkritikfragmente auf paradoxe Weise aushebeln und kompensieren würden. Und das wäre der Clou eines fantastischen Filmbuches: an die Stelle des klugen Filmnarren mit literarischem Knowhow träte der  gleich mal im doppelten Sinne unverlässliche Erzähler. Italo Calvino hätte daraus einen Klassiker der trickreichen Avantgarde machen können! Also, Deany, hau rein! Sonst schreibe ich das Buch, und dann würde es mit einem Kinobesuch in Dortmund-Hombruch beginnen, anno 1967 oder 68: „Man nannte ihn Hombre“. Ein Western, basierend auf einer Story von einem gewissen Elmore Leonard.

 

2020 30 Mai

In the year 1981

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Der wesentliche Grund, warum ich nie in Versuchung geriet, über meine Schulsprachen hinaus, eine weitere Fremdsprache zu lernen, lag an den Dingen, die ich bei unserm Englischlehrer Dr. Werlich erfuhr. Noch heute hallt vieles nach, was er uns damals erzählte, mitteilte, z. B. diese Verwandlung des Denkens und Empfindens, die eintritt, wenn man von einem Sprachraum in den anderen wechselt, bei Reisen von Deutschland nach England, oder, wenn man lernt, englisch zu denken. Diese Verwandlungen empfand ich stets dermassen faszinierend, dass ich lieber in den englischen Modus wechselte als mich in einer Vielzahl von Sprachen so nett wie anfängerhaft zu verzetteln. Auf mein Airport-Spanisch kann ich gerne verzichten.

Etwas anders liegt der Fall, wenn man von der eigenen Sprache in die gleiche wechselt, ich meine nicht den Übergang vom Westfälischen ins Friesische, dergleichen, sondern die schöne Unheimlichkeit der Erfahrung, wenn man ein altes Lieblingsbuch in neuer Übersetzung liest. Solches war in den den letzten zwanzig Jahren möglich, als mir Neuübersetzungen alter Favoriten von Georges Simenon, Mark Twain, Dostojewski und anderen auf den Tisch kamen. Nicht immer nahm ich das Angebot wahr, aber wenn, dann wich der alte Zauber einem neuen, und die Freude ging weit darüber hinaus, einem jüngeren Ich zu begegnen, das sich grossenteils ohnehin aufgelöst hatte.

Wunderbar das zweite Lesen von Don Quixote, oder Günther Ohnemus‘ betörender Transfer von Richard Brautigans „Forellenfischen in Amerika“. Diese zweiten Begegnungen mit unvergesslichen, und nun auch noch leicht verwandelten, Büchern, sind Zeitreisen der besonderen Art, und einer der Gründe, wieso ich John Passos‘ „USA Trilogie“ entgegenfiebere. Nur, wann finde ich die Zeit, mich in diesen Schmöker für alle Sinne hinein fallen zu lassen? Ich visiere die Adventszeit an.

Ich sitze in einem Raum mit Aruan Ortiz, Andrew Cyrille und Mauricio Herrera. Nach langer Zeit habe ich wieder Lust auf argentinischen Mate-Tee entwickelt, was leicht passieren kann, wenn sich ein Buch von Julio Cortazar – diesmal ist es „62/Modellbaukasten“ – auf meiner Couch von den Schaumstoffschwestern breitmacht. Es ist dunkel, nur eine Kerze brennt. Aruan ist Kubaner, komponiert, und spielt Klavier, Andrew gehört zu den zehn luftigsten Schlagzeugern der Jazzhistorie, manchmal glaubt man, er bediene eine Windmaschine, und Mauricio Herrera bearbeitet mit unverschämter Lässigkeit Marímbula, Changüi Bongoes, Catá – und Kuhglocken. Wenn ich die Namen dieser Instrumente in mir nachhallen lasse, fühle ich mich an mein germanistisches Proseminar über Konkrete Poesie im westfälischen Münster erinnert: warum hat Eugen Gomringer nie einen Gedichtband mit Kling und Klang herausgebracht – ein Klassiker wäre das geworden über die Auflösung de Musikkritik in puren Sounds und flüchtigen Bildern. „Inside Rhythmic Falls“ ist ein fantastisches Album, eine Zeitreise in die Räume der Kindheit, tief hinein in die Provinz Oriente im Osten Kubas. Es ist bei Intakt Records rausgekommen. Julio, der alte Jazzlover, hätte es übrigens geliebt.

 
 

2020 26 Mai

Have a Good Trip

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Es muss etwa 40 Jahre her sein. Ich erinnere, wie ich ein paar Leute auf den wunderschönen Sonnenaufgang hinwies, dann aber von denen gesagt bekam, es sei 2 Uhr nachts.

Von ungefähr dieser Qualität ist die Netflix-Doku Have A Good Trip — Adventures In Psychedelics, die im US-Netflix zu sehen ist. Wer ernsthaft den Nerv hat, dem sich auf dem Sofa räkelnden Sting dabei zuzuhören, wie er sich daran erinnert, einmal nach dem Genuss einiger Magic Mushrooms einer Kuh beim Kalben geholfen zu haben, der ist sicherlich auch reif für den Rest: die durchweg kichernd dargereichten Drogenerlebnisse einiger prominenter und vieler nicht ganz so prominenter Künstler. Optisch ist das manchmal ganz hübsch gemacht, mit Zeichentricksequenzen und kurzen Parodien „wissenschaftlicher“ Warnungen, wie sie in den 1960er Jahren als After-School-Specials im US-TV gesendet wurden („This is your brain on drugs“), unterbrochen von kurzen Reportagebeiträgen der Marke „das versteht nur, wer dabei war“. Star Wars-Prinzessin Leias Erlebnisse führen ebenso ins Nichts wie die Bekenntnisse irgendeines Rappers. Das Ganze läuft knapp 90 Minuten; nach 30 spätestens hat man das Gefühl, einer Washmaschine beim Rotieren zuzuschauen.

„Getretner Quark wird breit, nicht stark“, schrieb, glaube ich, schon Goethe im Westöstlichen Divan. Hier ist der Trailer. Die Substanz des ganzen Films in zwei Minuten.

 

2020 26 Mai

Die Klanghorizonte vom 25. Mai mit Niklas Wandt

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2020 26 Mai

Wunderkind-Jazz

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Eine als Blitzgedanke maskierte Fragestellung gestern lautete: „Was macht eigentlich Joey Alexander?“ Vorzeiten schon bekam man ja den Tipp, sich dieses Wunderkind des Jazz mal anzuhören und reihte sich daraufhin ein in die Riege derer, die nicht fassen konnten, was ein Junge mit gerademal neun Jahren am Piano zelebrierte. Mittels YouTube entdeckte man das Stück „Warna“ aus dem in diesem Jahr erschienenen gleichnamigen Album des mittlerweile Siebzehnjährigen. Da man in diesen Tagen Carlos Santana näher unter die Lupe nahm, passte, was man hörte, wie die Faust aufs Auge: allerfeinster latin stuff. Die Recherche-Maschine namens Internet startete auch prompt – man muss ja heute nicht mehr pilgern, nicht einmal das Haus verlassen, um sein Instant-Wissen anzuhäufen – und enthüllte einige interessante biografische Details. Der Pianist kommt aus Bali, ist dann aber mit seinen Eltern irgendwann der musikalischen Kontakte wegen nach New York gezogen. Als Kind schon traf er Herbie Hancock, der zu ihm sagte, dass er an ihn glaube. Das stärkte den Entschluss, sein Leben der Musik zu widmen. Man hört es selbst, was auch seine namhaften Mitmusiker bestätigen: er kann alles antizipieren, hat ein fantastisches Gefühl für rhythmische Nuancen. Wen wundert es, wenn einer mit gerademal Sechs ein Stück von Thelonius Monk entdeckt und auf dem Spielzeug-Keyboard dann gleich spielen lernt!

 

2020 26 Mai

In praise of Bandcamp, for all the good reasons

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https://www.theguardian.com/music/2020/jun/25/bandcamp-music-streaming-ethan-diamond-online-royalties?utm_term=RWRpdG9yaWFsX1NsZWV2ZU5vdGVzLTIwMDYyNg%3D%3D&utm_source=esp&utm_medium=Email&CMP=sleevenotes_email&utm_campaign=SleeveNotes

2020 26 Mai

Yumiko zum Beispiel

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Sie musste fliehen vor einem gnadenlosen Feuer in Kalifornien, verlor so vieles, und ging zurück nach Japan. Verblüfft war sie von anderen Dingen, etwa davon, dass ihr Klavieralbum von 1987 neu entdeckt wurde. Eines von vier Pianoalben, die jüngst herausgekommen sind, oder, in einem Falle, kurz vor der Veröffentlichung stehen. Und die einen besonderen Platz einnehmen in den kommenden „Klanghorizonten“. Neben dem von Yumiko, das entweder in meiner „Sylt-Robinsonade“ auftauchen wird, am 20. Juni, oder in der „etwas anderen Klavierstunde“ der gleichen Radionacht, gewiss auch die so reichhaltigen Klaviermusiken von Benjamin Moussay (wieso gefällt mir das Cover so sehr, leerer kann es ja kaum sein, wahrscheinlich deshalb), sowie (mit ausführlichen Interviewpassagen ausgestattet) Ulrike Haage und Jon Balke. Man wird dort, am Rande, etwas von ausgestopften Eisbären hören, auch von den Halluzinationen, die ein Wasserfall auslösen kann. Und von jeder Menge Kaffee aus Plastikbechern.


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