Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 25 Apr

Stille bis zum Horizont

von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 4 Comments

 


Teile der Welt in einer Nusschale zu transportieren, ist ein normaler Aspekt des Reisens. Welche Dinge nehme ich mit, wenn ich in der kommenden Woche nach Sylt reise, einer derzeit so leeren Insel? Es ist heutzutage leicht, ganze Bibliotheken und Musikarchive mit sich zu führen, aber ich bevorzuge, wie in alten Zeiten, eine relativ sparsame Auswahl. Da ich dort nicht zuletzt in warmen Decken wie dezent verwitterten Strandkörben (der Horizont geöffnet bis zum Einbruch der Nacht), eine Art beschwingte Ruhe 
suche, Gedanken fliegen lasse, einsame Drachen steigen (ein Bild für flatterhafte Kindheitserinnerungen), in diesem besonderen Alleinsein, diesem kompletten Bruch der Routine, brauche ich keine Bücher, die mehr desgleichen anbieten, dafür mehr oder weniger fluchtfreudige Parallelwelten. Folgendes ist in meinem Toyota, meiner Stube, griffbereit, während ich Inselkünstler aufsuche, den Kapitän der Sansibar, und aus Zufallsbegegnungen am Meer psychdelisches Ozon schöpfe, entlegendste Räume auf mich wirken lasse: die neue Ausgabe der Zeitschrift „11 Freunde“ („Das Spiel geht weiter“), Michael Connellys jüngster, erstmals bei Kampa verlegter Roman „Late Show“ (liegt in der Hand wie ein altes Karl May-Buch – das Cover wie eine andere Variante von Geisterstadt), Benjamin Moussays Ende Mai erscheinendes Solopianoalbum, produced by Manfred Eicher (ein Traum!), der Soundtrack zu  Wim Wenders’ „Bis ans Ende der Welt“, die Serie „The Deuce 3“ (ein anderes altes New York, Mitte der Achtziger Jahre), sowie ein Kartenspiel für meditative Patiencen in vollkommener Windstille. Übrigens, in hoher Konzentration ist Ozon ein tiefblaues Gas. Und die Jukebox von Hörnum gibt weiterhin keinen Ton von sich.

 

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4 Comments

  1. Interaktionist:

    Der Soundtrack zu Wim Wenders ist wirklich eine wunderbare Reisebegleitung. Und der Film wird auch gerade im Kontext von Lockdown und Corona wiederentdeckt:

    wired.com / until-the-end-of-the-world …

  2. Michael Engelbrecht:

    Werter Interaktionist, reden wir nicht gross drum herum, mein Name ist Farber, Sam Farber!

    …….

    „Die Rockmusik, so scherzte der Regisseur Wim Wenders einmal in einem Interview, bot ihm und anderen Deutschen seiner Generation die „einzige Alternative zu Beethoven“. In der Aussage steckt wahrscheinlich ebenso viel Wahrheit wie Übertreibung; wenn man bedenkt, welche Rolle Reisen und weit entfernte Ziele in seinen Filmen spielen, scheint es sicher anzunehmen, dass Wenders mit dem brennenden Wunsch vertraut ist, von allem Deutschen (für das Beethoven nur Synecdoche war) wegzukommen.

    Jukeboxen, wie man sie so oft in seinen Filmen findet, machten ihn mit dem ursprünglichen amerikanischen Rock and Roll und der Melomanie bekannt. Für junge Ohren in den sechziger Jahren war Rock noch ein egalitärer, weitgehend anglo-amerikanischer Sound. Er versprach, den Zuhörer durch die ihm ureigene Kraft an einen anderen Ort zu entführen: das muss man hören, war ein Losungswort. Wenders begann das entscheidende Jahrzehnt des Rock als Teenager-Schüler, beendete es aber als Filmemacher.“

    Hier der komplette Essay zum Soundtrack …

  3. Jochen:

    Da war doch was – genau: ich fische das TV-Journal meines Vertrauens aus dem Altpapier. Dank der Sedimente meiner Erinnerung lese ich nochmals, was eine gewisse Mrs. Gong zu Late Show schrieb und mit einer Fünf bewürfelte:

    Der Erfinder der erfolgreichen „Harry Bosch“-Reihe hat sich eine neue Figur ausgedacht: Die ergeizige Polizisten Renée Ballard wird in Los Angeles in die harte Nachtschicht versetzt. Eigentlich muss sie ihre Fälle jeden Morgen abgeben, aber bei zwei brisanten Morddelikten ermittelt sie tagsüber auf eigene Faust weiter. Packend!

    Ganz ähnlich Bosch (wir freuen uns auf die sechste Staffel), der ja trotz zeitweiliger Dienstsuspendierung den Tätern weiterhin under cover auf der Spur blieb.

  4. Michael Engelbrecht:

    Im Folgeroman DARK SACRED NIGHT ermitteln Bosch und Ballard sogar zusammen :)

    And, in the words of Harlan Coben:

    „I do believe, however, that we are living in the golden age of crime fiction, if you want to call it a genre. In no particular order: Dennis Lehane, Tana French, Laura Lippman, Michael Connelly, George Pelecanos, Lee Child, Jo Nesbo, Alison Gaylin, Jeff Abbott, Susan Isaacs, Kate Atkinson, Linda Fairstein, Ian Rankin, Lawrence Block, Nelson DeMille, James Lee Burke, Robert Crais, Louise Penny, and the editor is making me stop so my apologies to those I love and left off this list, but you get my point. There has never been a time when so many are doing it so well and with such diversity. Revel in it, my friends.“


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