Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

2020 18 Apr

letter from homeoffice

von: Jochen Siemer Filed under: Blog | TB | 1 Comment

 

X für U

Hans hörte gerne Jazz, sammelte auch jede Menge Platten. Allerdings nur die mit ansprechendem Cover, die stellte er in seinen Schrein. Er konnte unerbittlich in der Wertung werden, richtig böse, wenn man ihm ein X für ein U vormachen wollte – wobei das Erste für Exzellenz stand und das Letztere für Unsinn. Einmal traute ich mich, es war zu Beginn der Neunziger, Sympathie für Prefab Sprout zu zeigen und er rümpfte gleich die Nase: „Ja, hör du man Prefab Sprout!“ (in other words: lass ihn doch im Mainstreamtümpel baden, derweil unsereins mit Sonic Youth seine proletarische Herkunft feiert). Später wagte ich auch ein Bekenntnis zu Steely Dan, die er auch nicht mochte. Für unsereins jedoch: real lifers, seit dem Maschinenhaus in Mopedtagen (zu Bremen auf den Höfen) und Royal Scam im Fürstentum Monaco. Dass Hans Charakterzüge eines narzisstischen Psychopathen hatte, dämmerte mir später erst. Interessante Typen, zumal schwer im Trend, denn daraus lassen sich die guten Serien drehen: Der Killer war ein Plattensammler, beispielsweise.

 

Batikhemden, Kriegstraumata

Weisser Stoff, mit Wachs behandelt und mit Fäden abgebunden, in verschiedene Farbbäder getaucht, zum Abschluss imprägniert mit Kochsalz. Dann die Überraschung, was dabei herauskommt: Sommerfreude, Schmetterlinge, Hippiefreiheit. Eine Wohltat in den späten Wiederaufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg, der noch immer diesen obskuren Schatten warf. Grossartig ist die jetzt neu verfilmte Fassung von Der Überläufer (ARD) aus der Feder des Schriftstellers Siegfried Lenz (wir „hatten“ ihn in der Schule, dass er so gut ist, war mir nicht klar). Nicht nur der flow zeichnet eine gute Serie aus, sondern auch der Umstand, dass man sich mittendrin wähnt im Geschehen, als sei man selbst dabei. Und am Ende der Etappe packt einen dann die Sehnsucht, an diese Orte zurückzukehren, den Akteuren nochmals zu begegnen. Alles ist so dicht und empathisch erzählt, dass eine abendlich portionierte Dreiviertelstunde in der Mediathek vollkommen ausreicht, um emotional auch mitzukommen. Viel Eros ist dabei. Findet Orpheus seine Eurydike vielleicht zu einem herzergreifend guten Schluss?

 

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1 Comment

  1. Uwe Meilchen:

    Eine wichtige Kinderfrage ist „Warum?“ – und eine solche Frage bringt Antwort. Auch Erwachsenen. „Warum hörst Du ab und an die alten deutschen Schlager so gerne?“ „Weil die mich an die Musiktruhe meiner Eltern erinnert, an die alten Zeiten.“

    Das muss ich nicht nachvollziehen, aber ich kann akzeptieren, dass es so ist. Wie so vieles, was in dem Kopf des Anderen vor sich geht. Schnittmengen suchen. Und am Ende des Tages muss es immer erst mir selbst gefallen. Austauschen darüber, was der Andere denkt, bringt ein Weitergehen. Nicht nur bei der Musik.


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