Es ist eine einmalige Edition, die einem modernen Klassiker der deutschen Gegenwartsliteratur bevorsteht. Noch im Laufe seiner Arbeit an einem für manche Kritiker eher einfältigen Werk, Die linkshändige Frau (Marcel Reich-Ranicki war gnadenlos im Literarischen Quartett seinerzeit), änderte sich die Schreibrichtung des Meisters: ab November 1975 begann Peter Handke in seinen Notizbüchern zu einer »Aufzeichnung zweckfreier Wahrnehmungen« zu wechseln. Ein schrittweises Abgehen von einem bis zu diesem Zeitpunkt praktizierten thematischen, werkorientierten Notieren. Diesen Übergang bezeichnete Handke in der Vornotiz zu Das Gewicht der Welt, in der er die Entwicklung des ersten Journalprojekts erklärt, als »Befreiung von gegebenen literarischen Formen und […] Freiheit in einer mir bis dahin unbekannten literarischen Möglichkeit«. Nun soll zu Sommeranfang eine reich bebilderte Edition (zum Teil mit nie erblickten Zeichnungen des Autors) dieses Klassikers „schwebend-sinnlicher Momente wahrer Empfindungen“ (Gregor Heinzel) zusammen mit einer fünfbändigen CD-Box veröffentlicht werden, die das Lesetempo verlangsamen – und eine Art „ambient reading experience“ ermöglichen soll, wie jüngst bei einer deutsch-englischen Zoom-Konferenz verlautete. Eine vollständige Tracklist liegt noch nicht vor, aber es sollen Stücke dabei sein von den Butthole Surfers, Paul Anka, The Troggs, Air, Michel Polnaref, Zarah Leander, Popol Vuh, Harfenmusik aus der Provence, Peter Thomas, Lee Marvin, Paul Young, Abi und Esther Ofarim, Freddy Quinn, Karel Gott, Hans Zimmer, Andreas Vollenweider, dem Appenzeller Spaceschöttel, den Regensburger Domspatzen, sowie Max Richter und einer neu abgemischten Version seiner vergleichsweise weichgespülten Yoga- und Einschlafmusik „Sleep“. Ein fulminantes Projekt, dem auch Handke-Kritiker verlegerischen Mut attestieren. „Ein gute Mischung aus Leichtem und Profundem,“ so eine Verlagsangetellte, „möge in diesen Zeiten die Bürde des Alltags erleichtern, und es ermöglichen, mit dem mitunter völlig unangemessen elitär rüberkommenden Autor zu chillen.“ Als bei der Videokonferenz Kritik an der Auswahl aufkam, und man mehr musikalische Schwergewichte wie Scott Walker, Brian Eno, Jon Hassell und Arvo Pärt ins Feld führte, reagierte ein Verlagslektor mit einem freundlichen Lächeln in die Runde: „Why so serious?“