Der Pool war abgesperrt, das Meer sowieso, da bekam ich die Nachricht, die nächsten Klanghorizonte müssten flugs vorproduziert werden. Da herrschte schon Ausnahmezustand auf Lanzarote, und es gab kaum eine Chance, die Hotelanlage zu verlassen, ausser zum Supermarkt zu gehen. Die Insel hatte zu dem Zeitpunkt anders als Tenneriffa nur fünf Meldungen von Infizierten, und doch machte sich eine unheimliche Stimmung breit. Ständig ging ein frischer Wind, und wenn die Sonne mal ein Loch in die Wolken brannte, knallte es von oben. Gespenstische Stimmung wurde mit small talk überbrückt. Aber alle Regeln der Distanz brachen am Flughafen, und es war eine Leistung, einen halbwegs sicheren Abstand herzustellen. Riesenschlangen, Tunnelblicke, und einige Idioten, die das mit dem Husten in die Armbeuge nicht mitbekommen hatten. Zwischendurch Notizen für die Klanghorizonte vom 18. April, und kurz vorm Abflug meinte der Nachbar, da würde sich hinter uns wohl wieder ein Sandsturm zusammenbrauen. Seltsam sandfarben sah das schon in Wolkenhöhe aus. Nichts wie weg.
Daheim dann gleich in den nächsten Ausnahmezustand. Es ist einfach gut, sich möglichst wenig von Panik anstecken zu lassen – gute Schutzmasken waren immerhin da (vor zwei Jahren besorgt, als von dem nahen belgischen Atomkraftwerk nur Unerfreuliches zu hören war). Schnell lag eine Bescheingung der „Unabkömmlichkeit“ im Briefkasten, um meine Anfahrten zum Kölner Sender zu sichern. Und so entstanden vorgestern und vorvorgestern die Vorproduktionen von fünf Stunden für die Radionacht am 18. April. Maske auf, Maske ab, Maske auf, das leere „Ministerium für Genauigkeit und Seele“ im siebzehnten Stock, Desinfektionsmittel, zwei sehr gute Tontechniker – und so nahm eine Nacht Gestalt an aus einer ungewissen Zukunft, von der nur zu hoffen ist, dass der „peak“ der Infektionen bald erreicht sein wird, eine Art von „Normalisierung“ stattfindet, „Geisterspiele“ im Fussball „social life“ simulieren, keine Freunde an Atmungsmaschinen hängen oder sterben, und man selber auch davonkommt, aber wer weiss das schon!?
Da hatte die Abteilung der Zeitreisen in den „Klanghorizonten“ schon etwas Nostalgisches, allem Abschiednehmen zum Trotz. Jon Christensen, McCoy Tyner – Erinnerungen auch an Arthur Russell und daran, dass es schon bald fünfzig Jahre her ist, dass ich an einem Samstagmorgen den Toast röstete, die Marmelade und den Honig mit in mein Zimmer schleppte, und eine Platte wieder und wieder auflegte, die mein junges Herz verzauberte, und ein Leben lang nur einen Handgriff entfernt war, Bo Hanssons „Lord of the Rings“. Zuletzt hatte mich die Musik des Schweden in ihren Bann gezogen, als ich in der Woche nach dem Tod von David Bowie mit einem Land Rover durch die North Western Highlands fuhr. Nach grossen Überschwemmungen alles menschenleer. Einmal stellte ich den Wagen an einer Klippe ab, liess die Wagentür offen, und blickte endlos lang zu den Orkney-Inseln herüber. Aus dem Auto ertönte diese andere schwebende Welt, und ich hatte keine Ahnung ob ich nicht ziemlich genau in der Gegend war, in der Mr. Tolkien seine Hobbits auf Abenteuerreise geschickt hatte. Eingepackt in einen dicken Mantel, ging der Blick übers Wasser, und ich rührte mich, zum Heulen schön war das alles, lange nicht vom Fleck.