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2020 11 Mrz

Max Benedicte Jan

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Max von Sydow ist vor 3 Tagen verstorben. Anlass für meine letzten Beiträge waren also Todesfälle. Diesen schreibe ich nur deshalb, weil mir Benedicte Maurseths Buch To Be Nothing zugekommen ist, ein Buch, mit dem ich mich gründlich beschäftige. Bei der Lektüre musste ich immer wieder an Jan Troell denken – wieder eine dieser Assoziationen, die mich überfallen, die mir willkommen sind.

In den Nachrufen auf Max von Sydow findet man zwar den Namen Blofeld, aber nicht einmal die Süddeutsche Zeitung erinnert daran, dass Max von Sydow in mehreren eindringlichen Filmen Jan Troells Hauptrollen spielte. Jan Troell lebt noch. Im Jahr 1973 wurde er für die Romanverfilmung Utvandrarna, dt. „Die Auswanderer“, als erster Schwede für den Regie-Oscar nominiert. Fünfmal wurde er mit dem nationalen Filmpreis Schwedens, dem Guldbagge ausgezeichnet. Er ist neben Ingmar Bergman Schwedens bedeutendster Filmemacher.

Ich glaube, „Die Auswanderer“ und die Fortsetzung „Die Neubürger“ (Nybyggarna) waren die ersten Filme Troells, die ich kennenlernte und mit meinem ersten SONY Videorecorder aufnahm. Von den frühen 80er Jahren an wurden bei ARD und ZDF einige Filme Troells gezeigt, die ich alle mitgeschnitten habe: „Hier hast du dein Leben“ / „Der Flug des Adlers“ / „Hamsun“ / Sagolandet, dt. „Das Märchenland“ …

Die Nordischen Filmtage Lübeck 2001 widmeten Jan Troell eine Retrospektive. An ihn wird schon lange nicht mehr erinnert. Kein Wunder, sind seine Filme doch Lichtjahre entfernt vom Mainstream. Fast fünfeinhalb Stunden dauern „Die Auswanderer“ / „Die Neubürger“, drei Stunden Zeit nehmen sich „Der Flug des Adlers“ und „Das Märchenland“. Fast alle Filme, die ich kenne, behandeln Themen der schwedischen Vergangenheit.

Benedicte Maurseth ist 1983 in Eidfjord, Hardanger geboren, im gleichen Jahr wie Troells Tochter Johanna. Aber nicht deswegen musste ich bei der Lektüre von Benedictes Buch an Jan denken, sondern weil sie, geprägt vom tiefen Humanismus ihres Mentors Knut Hamre, fern aller Moden dem reichen Erbe ihrer Heimat die Ehre erweist, es lebendig erhält. Wohl deswegen ist mir Troell immer wieder eingefallen, habe dann nachgeforscht, ob nicht doch DVD Editionen seiner Filme, die ich in fürchterlicher Bildqualität besitze, erhältlich sind. Ja, Glück gehabt – allerdings in Schwedisch!

Den ersten Film mit Max von Sydow, den ich je im TV gesehen habe – „Der nächtliche Besucher“ – habe ich gleich mitbestellt. Auf die Troell-Filme muss ich noch warten. Am letzten Montag, einen Tag nach seinem Ableben ist Sydows Film eingetroffen.

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3 Comments

  1. Michael Engelbrecht:

    Die Welt ist voller beeindruckender, ungesehener, oder besser, wenig gesehener Filme. Der Name Benedicte Maurseth löste etwas aus, und es dauerte, bis mir einfiel, ja, ihr Soloalbum mit Hardanger Fiedel. Aus Oslo kam vor Monaten gleich ein anderes hinterher, mit ihr, und mit Gedichten von J. Fosse, glaube ich. Die CD ist irgendwo im Archiv, ungehört – was sich vielleicht nun bald ändern wird. Bei all dem ist zu bedenken, dass wir immerzu eine Auswahl treffen, mainstream oder kein mainstream, ganz egal, und jeder so, in der Selektion, eine eigene Welt kreiert. Jenseits von Kanonisierungen – ein Lieblingsthema :)

    Gruss von der Insel unweit Marokko.
    Endzeitblues auf dem Planeten.
    Hard times.

  2. Michael Engelbrecht:

    P.S. Bewusst kenne ich keinen Film des Schweden, vielmehr hatte ich in letzter Zeit wieder vermehrt zu nie gesehenen Filmen des britischen Kinos aus den Vierziger und Fünfziger Jahren gefunden, vorzugsweise black as black can be. In black and white.

    Für mich ist jeder dieser Filme eine Zeitreise, z.B. in ein altes London.

    Einer dieser Filme aus dem Jahr 1948 hat mich so sehr gefesselt, dass ich ihn dreimal sah. IT ALWAYS RAINS ON SUNDAY. Das zerbombte Nachkriegslondon, bevor die Stadt sich erholte und jene Farbbilder produzierte, die wir aus der Schule kennen.

    „…a masterpiece of dead ends and might-have-beens, highly inventive in its use of flashbacks and multiple overlapping narratives…“

    Und natürlich, man begegnet in diesen Filmen stets einem Stück von sich selber, und was früher schön schaurig war, wird mit der Zeit anders erlebt. Man spürt die Flüchtigkeit von allem, in den Spuren der Zeit, trotz perfekter Überarbeitung der alten Quellen.

    Die Zeit rast, und jetzt, mit der Pandemie, rückt sie uns alle noch etwas näher an das, was Raymond Chandler mal „The Big Sleep“ nannte. Wie wunderbar, wenn Musik die Zeit anhält, für eine kurze lange kurze lange Weile, und irgendwann heute kam mir DISCREET MUSIC in den Sinn.

  3. Rosato:

    Oh, das sind 2 Alben aus dem Jahr 2019. Die hab ich angehört. Zum Buch To Be Nothing die Musik, um die es geht, zu hören, ist von starker Wirkung. Jon Fosse hat in diesem feinen Buch auch Spuren hinterlassen. Er war mir unbekannt, d.h. ich kannte nicht einmal seinen Namen und musste mich mithilfe von Wikipedia informieren.

    Das eine Album heißt so wie die Musikerin: Benedicte Maurseth. Sie spielt traditionelle Musik, darunter das wunderschöne Huldre mi, das Steve Tibbetts – gespielt von Knut Hamre – auf dem Album Å verwendet hat. Dazu kommen eigene Kompositionen. Das imponiert mir. Tradition wird nicht in ein Museum eingesperrt, sondern ist die Grundlage für Neues. Das hat mich schon damals als wir uns mit der Hardingfele beschäftigten zum Staunen gebracht. Ich erinnere nur an Nils Økland und Erlend Apneseth …

    Das zweite Album dürfte Blått Svev sein, eigentlich ein Album für Norweger oder Leute, die perfekt Norwegisch verstehen. Gedichte von Jon Fosse werden gelesen, teilweise mit Musik unterlegt und ergänzt. Neben Benedicte wirkt Stein Urheim mit und bringt mit elektronischen Hilfen schöne mysteriöse Klänge ein. Es kann auch wirken, wenn man nichts davon versteht. Der Klang der Sprechstimme, die Sprachmelodie und die eigenartig reizvollen Laute des Norwegischen werden zu Musik.

    Zu Jan Troell: ich habe von Lichtjahre messender Entfernung vom Mainstream gesprochen, weil so mancher professionelle Filmkritiker Troells Stil für „altmodisch“, sogar für „altbacken“ hält. Da kann ich richtig zornig werden und würde solchen Ignoranten, diesen Deppen, die jeder Mode auf den Leim gehen gerne kräftig ans Schienbein treten.

    Cool down HDK. Hör dir mal die beiden Alben an in einem dunklen Raum …


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