Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

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Archives: Februar 2020

2020 3 Feb

Frühlingsmärchen

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Frei nach Georg Kreisler;
in memoriam Renitenztheater Stuttgart, 1973


 

Spielt auf Sylt die Jukebox Palestrina,
öffnet sich der Platten Schranktür weit.
Ein Wolkenamtmann knabbert brav sein Mana.
Bei den Fonistas gibt es keinen Streit;

Denn es ist Frühlingszeit
es ist Frühlingszeit
denn es ist Früh-hüh-lingszeit

Ja, dann teilen sich die Wolken über China,
die Zahl der Päpste lautet heuer zwei.
Doch hat jeder ein eignes Mikrofina,
dann ist das ohnehin einerlei.

Denn es ist Frühlingszeit
es ist Frühlingszeit
denn es ist Früh-hüh-lingszeit

Die Texte werden immer kecker,
zum mainstream fehlt nicht mehr der Mut.
„Lecker lecker“ rufen alle Zuckerbäcker.
„Das tut den Manas gut!“

Es wird alles gut
es wird alles gut
es wird alles gut

 

2020 2 Feb

Private Parts (6)

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Er saß und dachte über Gehorsam nach

Er hatte sich für eine der beiden Arten entschieden,

Die Art, die jede Botschaft von Ordnung, Regel, Gesetz nimmt, hat Fehler

Dass jeder, der diese Botschaften weitergibt

Der die Gebäude verabscheut

Der der inneren Stimme widerspricht

Der sich widersetzt, kurzum, der war

Und dass die andere Art, wie könnte es sein?

 
 
Ein passender Titel. Und dabei stammt er nicht mal von ihr selbst. Er stammt aus einem Nico gewidmeten Gedicht von Juliane Liebert.

Es gehört zu den Problemen dieses Buches, dass Nico selbst kaum etwas hinterlassen hat, das zur Klärung irgendwelcher Sachverhalte ihres Lebens beitragen könnte. Wer über sie schreiben will, muss sich damit begnügen, dass sie da war, dass es sie gab. Dass sie eine der wenigen wirklich außergewöhnlichen Erscheinungen in der Popmusik war, steht außer Frage, wenn man von Popmusik hier überhaupt sprechen kann.

Das von Manfred Rothenberger und Thomas Weber in Zusammenarbeit mit dem Institut für moderne Kunst Nürnberg herausgegebene Buch ist eine Sammlung von Essays, Fotos, Gedichten und Interviews, die um Nico kreisen. Soweit es möglich und sinnvoll ist, folgt das Buch der Chronologie, angefangen mit Kindheitserinnerungen an die junge Christa bis hin zu Betrachtungen nach ihrem Tod. Die Interviews und Gespräche mit Nico selbst sind oft schlecht geführt und springen vom Hölzchen aufs Stöckchen, doch liegt das natürlich auch daran, dass diese Frau überhaupt nicht daran interessiert war, interviewt zu werden, und an ihrer offenkundigen Unfähigkeit, überhaupt bei einem Thema zu bleiben, ohne ins Reich ihrer Phantasie und Träume abzudriften. Nico hat Songs Andreas Baader oder Charles Manson gewidmet, ohne dass das im Buch ernsthaft hinterfragt wird, wie sie auch das „Lied der Deutschen“ mit allen drei Strophen zu Gehör brachte, wohl wissend, weshalb die ersten beiden nicht mehr gesungen werden sollten (sie war nicht so blöd, dass sie das nicht genau gewusst hätte). Aber auch darin steckt natürlich eine Aussage über die Person.

Deutlicher werden da schon die Essays, Filmkritiken und Konzertberichte, sofern sie sich nicht auf den allzu naheliegenden Holzweg begeben, auf ähnliche Weise in den Nebel abzudriften wie Nico selbst. Nicos Karriere als Model, als Filmschauspielerin, als Andy-Warhol-Superstar, als Gastsängerin der Velvet Underground, ihre Soloalben, ihre Drogensucht, ihre Konzertauftritte (die sie im Zweifel auch ohne Mikrofon bewältigte) und ihre Verwandlung vom Heinz-Östergaard-Model zur düsteren Gothic-Vorreiterin werden aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert und eingeordnet. Einige Beiträge sind schlicht überflüssig, andere werden von einer Tendenz zur Heldinnenverehrung beeinträchtigt; Nicos Musik wird oft für wichtiger erachtet, als sie bei aller Einmaligkeit und Gutwilligkeit nun doch war. Nico selbst wird hier manchmal in einer Weise zu einem Überwesen hochstilisiert, die es schwer macht, noch die wirkliche Person dahinter zu erkennen. Aber vielleicht ist genau das der Punkt. Vielleicht war die wirkliche Nico nur sichtbar für diejenigen, die unmittelbar mit ihr gearbeitet und/oder zusammengelebt haben. Vielleicht war sie für andere wirklich nur ein Image, eine Projektionsfläche. Wer sie allerdings so sah, konnte unter Umständen sehr konkret erleben, dass das vermeintliche Imagewesen — wie alle Junkies — hochgradig gemein sein konnte. Am aufschlussreichsten sind die Beiträge von/mit John Cale, Gerard Malanga, Helmut Salzinger, Ecki Stieg, Susanne Ofteringer und natürlich Lutz „Lüül“ Graf-Ulrich.

Das Gefühl, das bleibt: Ich bin mir nicht sicher, ob ich Nico gern kennengelernt hätte. Letztlich bleibt sie auch nach den 630 Seiten dieses sorgfältig aufgemachten Buches ein Rätsel, wenn auch ein durchaus faszinierendes. Und es bleibt die Anregung, mal wieder in ihre Platten hineinzuhören. Mein Tip, noch immer: Live In Tokyo von 1986. Es enthält nicht nur „The End“, sondern auch „Das Lied vom einsamen Mädchen„, geschrieben 1952 von Werner Richard Heymann („Irgendwo auf der Welt“) und Robert Gilbert. Vielleicht ist das das wirkliche Portrait.
 
ISBN 978-3-922895-34-3
Fürth 2019

Edmund Husserl war Philosoph und Mitbegründer der Phänomenologie. Seine Schriften werden als „Husserliana“ bezeichnet und sind streng katalogisiert, zum Beispiel als „Husserliana-Band Nr. (römisch), Seite (arabisch)“ (z.B. Hua XI, 120), und die außerhalb der Husserliana erschienenen Werke Husserls als „Werkabkürzung, Seite“. Als ich im ersten Semester in Münster studierte, Germanistik und Philosophie für das Lehramt an Gymnasien, machten mir nicht zuletzt eine tumbe Vermittlerin des Althochdeutschen und ein philosophisches Mammutwerk einen Strich durch meinen Traum vom Lehrerberuf, den ich sicher mit Freude ausgeübt hätte. Aber ich hatte Rosinen im Kopf von einer durchweg aufregenden Studentenzeit, stürzte mich voller Euphorie in Husserls Cartesianische Meditationen und seine „Ideen zu einer reinen Phänomenologie und Philosophischen Phänomenologie“. So nach und nach ebbte meine Begeisterung ab, bis ich in dem Buch nur noch ein Schlafmittel erster Güte entdecken konnte, bei allem Respekt vor den Leistungen des Philosophen. Ich ging in Fellini-Filme, hörte Leonard Cohen von alten Tonbändern, scheiterte an den zwei hinreissendsten Studentinnen der Stadt (deren unendliche, auch phänomenologisch unzweifelhafte, Schönheit ich heute noch vor mir sehe), und kaufte mir an einem Hochsommertag mittags, an einem Plattenstand vor der Kantine, Eberhard Webers „The  Colours of Chloe“. Auch wenn die Stunden zur „Konkreten Poesie“ im Rahmen eines germanistischen Proseminars unvergessen waren, entschloss ich mich, nach all diesen Ernüchterungen und Verzauberungen, umzusatteln und Psychologie zu studieren. Und aus „Husserliana“ wurden irgendwann „Hasselliana“, Und Jon Hassell, neben Miles Davis und Don Cherry, zu meinem Lieblingstrompeter. Ich erinnere mich an den Tag, an dem ein Paket aus London kam, mit dem Album „Possible Musics“, das in der alten BRD noch nicht zu haben war, und ich hörte es Stunden lang in einer Badewanne mit Kerzenlicht, und legte immer wieder die Seite um, ich liess auch ständig heisses Wasser nachlaufen, mit dem ersten Ton nahm mich diese Musik gefangen. Hier eine historische Radiosendung aus dem Jahr 1990.

 

 


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