Zur Radionacht Klanghorizonte im Deutschlandfunk am 15. Februar
„Soul singing and shining goes outward towards the cold and dark. Soul silent and cold comes inward to the shining, to the singing at the fire. Owl flies without sound; coyote goes in darkness; soul listens and holds still.“(Ursula Le Guin)
Es beginnt alles mit einem Blick zum Pazifischen Ozean. Ben Chasny ist Six Organs of Admittance und liefert eine furiose Variante von Americana ab – als würden Robbie Basho und My Bloody Valentine kosmische Musik entwickeln! Es beginnt auch mit der spannenden Leere, die entsteht, wenn die Gebrüder Eno sich über Jahre Klänge zusenden, bis mit „Mixing Colours“ ein kompletter Farbenkatalog entstanden ist. Da Roger Eno seinen Schubert, Satie und Joplin kennt (den Ragtime-Pianisten Scott Joplin, Sie erinnern sich ja wohl an die Gaunerkomödie „Der Clou“!), erscheinen die gesammelten Farbforschungen gar bei der Deutschen Grammophon Gesellschaft.
Samuel Rohrer, Ben Chasny und Thomas Köner haben ihre neuen Werke in dezenter Abgeschiedenheit aufgenommen: der erste arbeitet mit Trommeln und Elektronik, der zweite verwandelt sein Haus in ein unheimliches Gitarrentheater, der dritte fragt sich, wie könnte Musik der fernen Zukunft klingen – jedenfalls nicht nach Retrocharme! Und alle haben etwas zu ihrer Musik zu erzählen.
Genauso wie (aus aktuellen Interviews) Brian Eno, Roger Eno – und Colin Newman von Wire, der Einblicke gibt in „Mind Hive“ das erste grossartige Rockalbum des Jahres 2020. Wo bleiben die Norweger, fragen sich nun einige Stammhörer – gemach, gemach: in den ersten zwei Stunden laufen auf: Espen Sommer Eide, Stein Urheim, und ein für den März angekündigtes Duoalbum der Herren Eivind Aarset und Jan Bang. Zwei aus der Punkt-Bande. Eine kleine Welturaufführung gibt es aus ihrem Album „Snow Catches On Her Eyelashes“. Die beiden Stunden mit Neuerscheinungen werden abgerundet mit Carla Bleys „Life Goes On“, einer Melange aus indisch-brittanischem Folk, und Sam Lees Erkundungen in Englands Hinterland.
Nach dieser Doppelstunde werden sich einige Hörer glücklich schätzen, ihren Sinn für Raum und Zeit nicht vollends verloren zu haben – und dann kommt ausgerechnet ein Meister der Entgrenzungen ins Spiel – erleben Sie „Das dunkle Leuchten“ – eine Art Mixtape führt kreuz und quer durch das Spätwerk Brian Enos aus den Jahren 2010 bis 2020. Er selbst wird sich äussern zu seinen Kollaborationen mit Rick Holland, Karl Hyde und Bruder Roger. Für unsere ausländischen Hörer trägt diese Themenstunde den launigen Arbeitstitel „Homegrown Sounds for Future Space Retreats“.
Zwischen 4.00 und 6.00 Uhr morgens hat dann die Abteilung „Zeitreisen“ geöffnet. Trompetenmagus Jon Hassell trifft auf Trommler aus Burundi. Ansonsten stromern wir rückwärts durch ein altes, mal fiktives, mal reales Amerika. Todd Barton und Ursula LeGuin erforschen die imaginäre Sprache und Kultur der Kesh; ein an den Rollstuhl gefesselter Musiker namens Ernest Hood spielt in seiner Radiosendung „Audiopostkarten“ aus seiner Jugendzeit in Portland, Oregon, und bastelt daraus Mitte der Siebziger Jahre das Feld-, Wald- und Weed-Opus „Neigborhoods“. Randy Newman streift durch die Südstaaten und strandet auf seinem Meisterwerk „Good Old Boys“, en passant, in der Hochwasserkatastrophe von Louisiana, anno 1927.
Und kurz vor der Morgendämmerung begleiten wir die Horizonterweiterer der Gruppe Oregon durch ihre Meilensteine auf dem Label „Vanguard Records“. Einer aus der Viererbande, der Blasinstrumentenspieler Paul McCandless liefert dazu einige Stories. Und wer zu diesen Zeitreisen die passende Lektüre braucht, dem sei wärmstens empfohlen: Richard Brautigans „Forellenfischen in Amerika“, und Ursula Le Guins „Always Coming Home“.
Wie man am besten durch die ganze Nacht kommt: wir empfehlen grünen Tee, ein paar Yoga-Übungen, den Rest erledigt die fantastische Musik. Erstmalig kann die Radionacht Klanghorizonte nach der Live-Ausstrahlung eine Woche lang on-line nachgehört werden, auf der offiziellen Webseite des Deutschlandfunks.