„Wie Hegels ganze Philosophie darin besteht, den Gedanken dabei zu begleiten, wie er sich denkt, ist Monks ganzer Gesang, so etwas wie Ausstellen einer Stimme, die sich beim Singen staunend zu hören vermag …“
(Dietmar Dath)
Gestern Abend trat Meredith Monk in dem alten Betriebsbahnhof vor ausverkauftem Haus auf, davor war sie mit ihrer Truppe in der Elbphilharmonie zu erleben. Dieses Mal hat sie sich mit urbiologischem Thema, wie „der Zelle“ beschäftigt, das sie auf die gesellschaftliche Ebene projeziert. Sie nennt ihr Konzert „Cellular Songs“. Kein leichtes Fingerspiel.
Erstaunlicherweise beginnt die Meisterin der Klangperformance mit richtig zu verstehenden Lauten:
Oh I am a happy woman
Oh I am a hungry woman
Oh I am a tired woman
Oh I am an artist woman
Oh I am a lying woman
Es nähern sich in schlichten, fast antiseptisch wirkenden, weissen Gewändern 4 Frauen ihrer „Priesterin“. Wie sie mit ihrer kleinen, stämmigen Figur, ihren unvermeidlichen „Tschotschi – Zöpfen“ dasteht, lediglich ihre Hände tanzen lässt und dann den tiefen Ton vorgibt, der klar die tragende Klangbasis für den ganzen Abend sein wird.
Das Piano, eine Violine und ein Keyboard sind die Orte, wo sich die fünf Frauen am deutlichsten zusammenstellen und so an eine Zelle erinnern. Einmal spielen sie zu fünft auf dem Piano, um sich dann auf der riesigen, schwarzen Bühne auszubreiten. Sie singen Vokale, hauchen ins Mikro, Kurt Schwitters hätte hier dazu gelernt. Ihre hohen Töne „jii … hach“ haben eine Klangbreite, die an die Weite der Alpinkatze von Hubert von Goisern erinnern. Ja, Jodeln ist auch dabei. Was für eine Klangzauberin ihre Kunststücke hier vorführt. Meditatives und sehr Leises wechseln mit hohen Kieksern, immer hört das Publikum gebannt zu, keiner traut sich zu husten.
Am Ende des dritten Parts stehen die fünf hervorragenden Künstlerinnen eng wie unter einer Glocke zusammen. Sie klingen meisterlich. Unglaublich, was Sprache und Stimme können.
Stürmischer, befreiter Applaus. Wir dürfen wieder husten.
Meredith gibt drei lustige Zugaben.
I still have my hand
I still have my money
I still have my headphones
I still have my memory
Sie lacht, schüttelt sich und bringt noch die Insektennummer. Wer sich spätestens jetzt nicht die Gänsehaut kratzt, hat Sinnlichkeit nicht begriffen.