Manchmal taucht ganz unvermittelt eine Neugier oder ein Interesse auf und schon ist man drin in einem selbstgestrickten Film („XYZ ungelöst“). Es muss so zwischen Nikolaus und Weihnachten gewesen sein, das Tablet war zur Hand, die Körperhaltung war entspannt und wie ein Trojanisches Pferd stand die entscheidende Frage im Raum: „Gibt es eigentlich Alben von Tyshan Sorey?“ Sorry, what, mag sich jetzt der Leser fragen, zumal jener, der sich in der politischen Parteienlandschaft besser auskennt als in der Jazz- und Avantgardeszene New Yorks. Und so kommt der Schreiber dieser Zeilen um eine Statement nicht herum: der gesuchte Interpret ist ein Schlagzeuger von imponierender Gestalt, recht jung noch, spielt ebenfalls Posaune und Klavier. Man sah ihn einst in Hamburg live und fand ihn gut. Das Ergebnis einer durch einen Streamingdienst des Vertrauens gestützten Internetrecherche führte flugs zu einem Album namens Koan, dass mit Zen erstmal recht wenig zu tun hat. Dort musiziert im Trio neben Sorey am Schlagzeug und Thomas Morgan am Bass auch Todd Neufeld an der Gitarre. Dieser Gitarrist war auf meiner Karte bislang nicht verzeichnet gewesen und ist insofern eine Überraschung auf dem Gebiet massgeblicher, hörenswerter und richtungsweisender Gitarrenmusik. Genau der Klang, der mir seit langem auch vorschwebt beim Spielen. Jedem, der irgendein Instrument spielt, steht es frei, einen Vertrag zu kündigen, der so auch nie abgeschlossen wurde, nämlich Dienstleister zu sein im Feld akustischer DIN-Normen, als Sklave des Rhythmus, mit dem jeder mit muss, und als hart ackernder Mojo im begrenzten Feld strikt vorgegebener Funktionsharmonik, wie man sie aus simplen Schlagern kennt, aber auch den höherwertigen Jazz Standards oder dem reizvollen Bossa Nova. Wer hier die Flucht ergreift, tut gut daran, lässt Altes hinter sich, und entdeckt Neuland. Oder eben Todd Neufeld. Vorbilder hinsichtlich gelungener Ausbruchsversuche gab es ja schon immer. Sein Spiel kann man als eine verblüffende Mixtur verschiedener Einflüsse hören, in Wahlverwandschaft zu David Torn etwa, Mary Halvorson, Derek Bailey, Marc Ducret, vor allem auch John Abercrombie. Als Gitarrist für mich die Entdeckung des Jahres Zwei-Null-Neunzehn, und bis auf Weiteres, was das eigene Musizieren angeht, die Referenz. Vorhang auf und alle Klänge offen, zu hören ist „Embed“.