Manafonistas

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2019 8 Dez

Jacky Terrasson – 53

von: Hans-Dieter Klinger Filed under: Blog | TB | 3 Comments

Ein Leser hat vor kurzem die vollkommene Leere der rechts oben platzierten Rubriken beklagt. Als bald darauf unter den „Albums of December“ Jacky Terrasson versteckt lag, wurde dies nicht goutiert.

Hier ist mein Geständnis:

 

Terrasson 53 ist von mir. Es war eine kleine Übung in Sachen „Album of December“. Die Rubrik oben rechts hatte ich immer links liegen lassen.

Die Frage „Konnte das nur M.E.?“ hat meinen Ehrgeiz angestachelt, Alter forscht …

Ich lösch das sofort wieder. Es handelt sich aber um ein schönes Album.

 

Ja, es ist ein schönes Album, und nicht nur eines für December. Vermutlich ist Jacky Terrasson den Autorinnen und treuen Lesern des Manafonistas-Blogs gar nicht bekannt, denn er tritt selten in Deutschland auf, ist obendrein kein ECM-Artist und nimmt vorwiegend bei BLUE NOTE auf, wo dieser sog. Art-Blakey-Bullshit zu Hause ist.

Aber langsam! Es gibt auch Gemeinsamkeiten beider Labels. Dieses Jahr sind sie Jubilare. BLUE NOTE ist 80, ECM 50 Jahre alt geworden. Die ihnen verbundenen Artisten gehören zur Crème de la Crème der improvisierten Musik, und nur bei wenigen anderen Labels dürften Toningenieure derart legendären Ruhm erworben haben wie Rudy van Gelder (BLUE NOTE) und Jan Erik Kongshaug (ECM).

 

 

 

 

Jacky Terrasson wurde 1965 als Sohn einer Afro-Amerikanerin und eines Franzosen in Berlin geboren und wuchs in Paris auf. Noch während seiner Schulzeit studiert er Klassische Klaviermusik, wendet sich aber bald dem Jazz zu. 1986 verlässt er Paris, um am Berklee College of Music zu studieren.

Ich habe ihn zum ersten Mal in einer TV-Aufzeichnung des Ron-Carter-Trios bei der Jazzwoche Burghausen 2006 gesehen. Dieser Auftritt enthielt eine beeindruckende Version von My Funny Valentine.

Terrasson ist ein technisch brillanter Pianist. Das kann Bewunderung auslösen, aber Faszination stellt sich erst dann ein, wenn Originalität und Einfallsreichtum im Überfluss sprudeln. Darauf kann ich mich bei Jacky verlassen. Deswegen befinden sich mehrere seiner Alben in meiner Sammlung. In gewisser Weise folgte er den Spuren Keith Jarretts, nicht stilistisch, sondern auf den Pfaden der Standards, unter denen sich ja auch harmlose, geradezu banale Früchtchen befinden. Wenn ich höre, wie er zusammen mit Cassandra Wilson Tea For Two in einen raffinierten Mantel kleidet, dann allerdings leuchten meine Ohren.

Das Album 53 enthält Eigenkompositionen, bis auf eine Ausnahme: eine melancholische Ballade von Mozart. Auf seiner Homepage schreibt Terrasson über das neue Album.

 

Why 53? – Simply because I conceived of and recorded this music during my 53rd year and on this occasion I wanted to make a record that really reflected me. At the age of 53, a man begins to feel he has reached a form of maturity, is at his peak, and so can look at life with a certain distance and see things more clearly. With this record I wanted to give everything of myself, to take risks, while assuming my career, my artistic choices, my life … and my age!

 

In diesen musikalischen Spiegelbildern verbergen sich auch Reverenzen vor Künstlern, die ihm viel bedeuten. Diese sind nicht leicht zu erkennen. Soweit es mir gelungen ist, habe ich es hier angedeutet.

This entry was posted on Sonntag, 8. Dezember 2019 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

3 Comments

  1. Hans-Dieter Klinger:

     

    My Funny Valentine
    Internationale Jazzwoche Burghausen 2006 – Ron Carter Trio
     

    Diese erste Begegnung mit diesem wunderbaren Pianisten veranlasste mich, nach Liveauftritten zu suchen. Im Jahr 2009 spielte er mit seinem Trio im Kleinen Saal der Laeiszhalle Hamburg. Nach dem Konzert hatte ich eine Frage an ihn. Mir war absolut unerklärlich, wie er das folgende pianistische Akrobatenstück hinbekommen hat.

    Isn’t She Lovely
    Album Smile
     
     

    Nach diesen Vorbemerkungen lege ich das Augenmerk auf 3 Alben, nämlich
    53
    Rendezvous
    Smile
     
     
    The Call
    Album 53

    Beim ersten Hören musste ich sofort an Ahmad Jamals Version von Poinciana denken, die er 2015 in Paris spielte. Es ist Jackys Verbeugung vor einem Musiker, dessen Einfluss gerne unterschätzt wird. Eine der genialsten Versionen von Poinciana ist auf dem Album Whisper Not des Keith-Jarrett-Trios
     
    Kiss Jannett For Me
    Album 53

    Eine weitere Reverenz vor einem großartigen Pianisten. Man braucht den Titel nur laut zu lesen und hinzuhören, dann ist sofort klar, wer gemeint ist. Das Video ist nur für Abonnenten des YouTube Premium Dienstes sichtbar.
     
    Nausica
    Album 53
     
    Resilience
    Album 53

    Diesen Song hat Terrasson seiner verstorbenen Mama gewidmet.
     
     

    Von seinen früheren Alben gefallen mir ganz besonders Rendezvous (mit Cassandra Wilson) und Smile. Aus diesen Alben folgt noch je ein Track, in exzellenter Aufnahmequalität (das richtige Futter für Manger Lautsprecher ;)
     
    Tea for Two
    Album Rendezvous
     
    Smile
    Album Smile

    Was für eine Version dieses von Charlie Chaplin komponierten Stücks! Gespielt im 5/4-Takt, völlig freies Schweben über dem Metrum. Natürlich könnten „Landvermesser“ die Pflöcke der Zählzeiten und Taktschwerpunkte einrammen, aber nur, wenn sie Ohren dafür haben …

  2. Jochen:

    53 werde ich mir gelegentlich mal in Ruhe anhören.

    Kurz reingehört („Kiss Jannet For Me“) – mir gefällt dieser kraftvoll sparsame Anschlag.

  3. Jochen:

    Ein sehr hörenswertes Album und ein bemerkenswerter Pianist, voller Überraschungen. Erinnert mich in den „rockigen“ Passagen etwas an Aaron Parks. In der Zeit vor dem Internet nahm ich durch das Radio schon einmal Witterung auf mit Herrn Terrasson, fand sein Spiel bemerkenswert, verlor die Spur dann aber wieder (wie so viele andere auch).


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