Im vergangenen Jahr fand das Album Vortex von Sonar mit David Torn in den Jahresbestenlisten recht viel Resonanz und war sicherlich eines der bemerkenswertesten Alben von 2018 was die Konzeption, aber auch die Vitalität anging. 2019 haben nun zwei konzeptionell unterschiedliche, aber musikalisch höchst interessante Folgealben das Licht der Welt erblickt. Das Erste, Fractal Guitar vom Sonar-Kopf Stephan Thelen, der hier einige Side-Projekte mit Markus Reuter, David Torn und Henry Kaiser in bemerkenswert differenzierter und komplexer Weise umsetzt. Thelen schreibt in den Liner-Notes:
After a few years of playing without effects apart from reverb in Sonar, I felt the urge to compose and record some pieces in which effects were an integral part of the music. I especially wanted to use an effect I worked with before Sonar, which I call “Fractal Guitar” — a rhythmic delay with a very high feedback level that creates cascading delay patterns in odd time signatures such as 3/8, 5/8 or 7/8.
Daraus ergeben sich hochkomplexe Patterns, die von seinen Mitspielern – dabei auch Manuel Pasquinelli von Sonar – in fünf kongenialen Stücken treibend, tanzend und eine sogartige Tiefe entwickelnd entwickelt werden und selbst nach mehrmaligem Hören noch neue verschachtelte Räume und Klangnuancen offenbaren.
Im Gegensatz zu Vortex, bei dem die Beiträge David Torn’s eher spontan enstanden sind, wurden die aktuellen Stücke des Sonar-Albums speziell für Torn komponiert, wobei eigentlich mehr die Pattern und Strukturen entwickelt wurden um den Raum für eine improvisatorische Erkundung der minimalistischen, repititiven und rhythmisch komplexen Muster zu schaffen. Diese wurden dann in einer fünftägigen Marathonsession eingespielt, wobei so viel Energie und Material freigesetzt wurde, dass Sonar entschied, daraus zwie Veröffentlichungen zu machen, von denen Tranceportation Volume 1 mit vier Stücken jetzt erschienen ist. Dadurch, dass die Musik sich hier ganz sensibel und iterativ im intensiven aufeinander Hören entwickeln konnte sind die Stücke tranceartiger (was der Name bereits andeutet), ruhiger und hypnotischer. Stephan Thelen vergleicht die zugrunde liegenden Ideen gerne mit den Bildern M.C. Escher’s, die durch Wiederholungen und Verzerrungen, ungewöhnliche Kachelungen und Farbnuancen komplexe Vexierbilder ergaben, die oft erst ihre Substanz nach längerem Hinschauen offenbaren. Tranceportation ist wahrlich das akustische Pendant zu Escher’s Mosaiken in denen die tritonal gestimmten Gitarren und Bässe einen verschroben-versetzten Klangteppich erzeugen über dem Torn’s Gitarre ätherisch-zehrend schwebt und den Hörer erst in das lange und vielschichtige Labyrinth lockt, um ihm dann in der Falle akustischer Doppeldeutigkeiten zu partitionieren (Partitions), ihm eine scheinbare Pause in Red Sky (vielleicht eine kleine Anspielung auf Torn’s letztes Soloalbum Only Sky) gönnt und ihn dann im finalen Tunnel Drive in eine faszinierende Tiefe zu ziehen, bei der sich der Ausgang aus dieser Klangreise möglicherweise erst im kommenden Frühjahr, wo dann der zweite Teil der Sessions erscheinen soll, offenbaren könnte. Bis dahin könnte es passieren, dass der eine oder andere Hörer mit Tranceportation im Kreis herumdriftet, ohne diesen als solchen zu erkennen. Geht bei Escher-Bildern ja auch …