Keine Einträge gefunden. Ein leeres Blatt hier auf diesem Blog? Ich mag es kaum glauben, dass scheinbar über all die Jahre sich noch keiner dem französischen Trompeter Erik Truffaz gewidmet hat. Seit Bending the Corners Ende des letzten Jahrtausends erschien und eine ganz eigene Welt erschuf in der sich Wah-wah-E-Pianos, französische Rapper und neue Strukturen, getragen von einem Trompetensound, der mal schwebte und sich mal durch vertrackte Rhythmen mäanderte, hat Truffaz etliche, teilweise auch weit genreübergreifende Alben vorgelegt. Dabei die musikalisch sehr spannenden kulturübergreifenden Experimente von Rendez-Vouz, u.a. Mit Sly Johnson, Murcof und indischen Musikern oder das fast ambienthafte Being Human Being mit Enki Bilal (dessen Comics und Filme einen doppelbödigen, morbiden Charme und eine ganz eigene Bildersprache haben). Dazwischen gab es aber immer wieder Alben mit seiner Band, in der ihn der Keyboarder Benoît Corboz und der Bassist Marcello Giuliani schon sehr lange begleiten. Auch war er neben Nils Petter Molvaer einer der ersten Jazzmusiker, die vor fast 20 Jahren ein ganzes Album als höchst hörenswerten Remix bearbeiten ließ: Erik Truffaz Revisité. Eine Empfehlung!
Ein leeres Blatt liegt auch bei Beginn der Aufnahmen zu seinem aktuellen Album Lune Rouge auf dem Tisch. Nur die Idee die bisherige Klangsprache weiterzuentwickeln, wozu der zuletzt hinzugestoßene Drummer Arthur Hnatzek gebeten wurde die perkussiven Grundstrukturen für die gemeinsamen Sessions vorzubereiten. Dies hat er sehr minimalistisch und treibend getan, was selbst bei dem stets für Neues offenen Erik Truffaz angesichts des konsequenten Reduktionismus anfangs etwas irritiert haben muss. So begannen die Sessions der miteinander inzwischen sehr vertrauten Musiker und danach wurde geschnipselt und geschnitten. Teo Macero lässt grüßen. So gehen Sessionelemente und Komponiertes oft nahtlos ineinander über. Das Album beginnt mit Tanit, einer kurzen rhythmischen Überraschung, treibt weiter durch Cycle By Cycle. Jedes Stück mit sehr eigener, fast tranceartiger Atmosphäre und auch in sich sehr abwechslungsreich. Five to the Floor stellt das elegante Jazzpendant zum technotragischen, unendlich ausgelutschten Four-to-the-Floor dar, ET Two eine sehr gelungene Improvisation und Tiger in the Train ein massiv treibendes Stück, wo die Vitalität des Tigers im Rhythmus des Eisenbahnschienenholperns direkt unter die Haut geht. Danach folgt das Titelstück, das auch zugleich das längste des Albums ist, ein echter Höhepunkt in seiner sensiblen Differenziertheit, Vertracktheit und innovativen Schönheit. Mit Algol und Alhena folgen zwei perkussive Skizzen, die die arabischen Namen zweier Sterne tragen und durch teils gepresste, teils schwerelose Passagen der Trompete getragen werden. Nostalghia reizt dann die etwas gefälligere Seite aus, ohne sich dabei zu arg in Klischees zu verlieren, was aber leider zwei weitere Stücke mit Gesang etwas zu zwanglos tun und so auf dem sonst beeindruckend frischen Album wie sentimentale Fremdkörper wirken. Gerne mischt Truffaz mal zwei Gesangsstücke auf seinen Alben unter den Rest, was aber vor etwa 10 Jahren mit der großartigen Sophie Hunger zum letzten mal wirklich gut gegangen ist. Zum Ausklang gibt es das schwerelos impressionistische und zeitlose Houlgate, das in einer sanftestmöglichen Landung endet. Ich sitze auf meiner Urlaubsterrasse und schaue auf das Meer, in dem der fast volle Mond sich spiegelt und imaginiere den für den Blutmond erforderlichen Erdhalbschatten hinzu. Der Atem der sehr alten Trompete Truffaz‘ schwingt weiter und mischt sich mit dem Pfeifen des Abendwindes und dem Zirpen der Grillen. Noch mal von vorne …