Manafonistas

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2019 7 Okt.

Eine der spektakulärsten Kamerafahrten der Filmgeschichte

von: Martina Weber Filed under: Blog | TB | Tags:  | 2 Comments

 

Mitte der 70er Jahre funktionierte das: Einfach das Passfoto mit einer Rasierklinge entfernen und ein anderes einzukleben. Zwei Passfotos, zwei Pässe, schon sind zwei Identitäten vertauscht. In einem kleinen Hotel in der zentralafrikanischen Wüste, wo gerade nur zwei Gäste sind, die einander ähnlich sehen und die das Personal sowieso nur flüchtig wahrgenommen hat, fällt das nicht auf. So wird der britische Kriegsjournalist David Locke in Michelangelo Antonionis The Reporter (Beruf: Reporter) zu David Robertson. Doch was macht seine neue Identität aus? Große Lücke jetzt, erwähnen möchte ich nur die junge Architekturstudentin, gespielt von Maria Schneider. Und, what a serendipity, ein pinkfarbenes Flugzeug am Münchner Flughafen, das einmal kurz im Hintergrund zu sehen ist. Um dem Vorwurf zu entgehen, er selbst hätte es bemalen lassen, hatte Antonioni einige Tage abgewartet. Schließlich, das kleine, weiß getünchte Hotel de la Gloria im südlichen Spanien. Zwischenstation auf dem Weg nach Tanger. Flucht in eine andere Lebensform. Robertson erzählt der Frau von einem blinden Mann, der, als er schließlich doch sehen konnte, die Welt nicht ertrug. Robertson ist müde geworden, er legt sich rücklings aufs Bett. Das Fenster, das hier zu sehen ist, entspricht im Bild oben dem Fenster ganz rechts.

 

 

„What can you see?“ fragt er die Frau. Da ist eine freie, unasphaltierte Fläche. Ein Junge wirft einen Ball. Ein alter Mann lehnt sich an die Mauer. Und Staub, viel Staub. Die Frau nimmt ihre Jacke vom Garderobenhaken, steckt sie in ihre Reisetasche und geht. Robertson steckt sich eine Zigarette an und schaut selbst aus dem vergitterten Fenster. Jetzt beginnt die siebenminütige, irreale Kamerafahrt. Sehr langsam focussiert sich der Blick, immer näher ans Gitter und – wie das?, es gab keinen Schnitt! – durch zwei Gitterstäbe hindurch, hinaus auf den Platz, den Blick nach links, ankommende, wegfahrende Autos, den Blick nach rechts, Menschen steigen aus einem Wagen, sie betreten das Hotel durch den Haupteingang, die Kamera (alles ein Shot) hat einen 180 Grad Winkel aus einem vergitterten Fenster heraus gemacht und schließlich schauen wir mit der Kamera durch das Fenster, von dem die Kamerafahrt ihren Ausgangspunkt nahm. Schnitt, Abenddämmerung in Andalusien. Die Wolkendecke eine grau marmorierte Wand. Ein pinkfarbener Horizont leuchtet. Der alte Mann, der vorher an der Mauer lehnte, geht die Straße entlang, ins Licht. In der Eingangshalle des Hotels wird die Lampe eingeschaltet. Ein Mann tritt aus dem Hotel, er zündet sich eine Zigarette an. Eine Frau kommt dazu, sie reden laut, der Mann geht Richtung Dämmerung. Die Frau schaut ihm kurz nach und setzt sich auf die Treppe vor dem Eingang des Hotels. Der Zauber der Schönheit, die Unbarmherzigkeit der Natur und der Menschen, und eine kleine Bemerkung, die eine Verbindung verrät, ganz nebenbei.

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2 Comments

  1. Jan:

    Ist es in “M” oder ist es in “Das Testament des Dr. Mabuse” — ich weiß gerade nicht aus dem Kopf, in welchem der beiden Filme Fritz Lang eine ebensolche Kamerafahrt durch ein Fenster in eine Kellerkneipe hinein macht. Ich habe den Trick mit Hilfe der Einzelbildschaltung schließlich herausgefunden: Die Fensterscheibe besteht aus zwei Hälften, die nach rechts und links weggezogen werden, ganz kurz bevor die Kamera die Scheibe berühren würde. Wenn man es weiß und genau hinschaut, sieht man es. Ich vermute mal, bei Antonioni ist der Trick ähnlich.

  2. Martina:

    Antonioni hat es anders gemacht. Jack Nicolson hat es in seinem Audiokommentar verraten: Das Hotel wurde nur für diesen Shot gebaut. „The entire hotel could be mounted on a crane and broken in half. So that they could go out into the courtyard, shoot film back toward the hotel after they´d exited with the hotel having been pushed back together and reconstructed for the remainder of the shot.“


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