Etwas abseits der großen Bühne saß Erik Satie in einem recht ruhigen Salon auf einer scheinbar viel zu großen Chaiselongue, die mit weinrotem Plüsch bezogen war und putzte seinen Kneifer. Nicht, dass er ihn hier noch wirklich benötigen würde, wo er gerade war, aber er mochte ihn als liebenswerte Reminiszenz an sein vergangenes Leben. Außerdem hatte er einfach das schöne Gefühl dadurch die Auswirkungen seines Schaffens in dem großen Spiel ein kleines bisschen deutlicher zu sehen und das erfüllte ihn mit Freude. Der Vorhang des Salons schob sich zur Seite und ein dunkelhaariger wuscheliger Kopf schaute hinein: „Darf ich eintreten?“ Erik Satie wendete den Kopf und sah den Ankömmling erstaunt an: „Du hier?“ Arvo Pärt schmunzelte uns schaute Erik sanft an, „Du weißt doch, für die etwas grösseren Missionen behalten sich viele von uns ein Standbein in der geistigen Welt. Das erleichtert vieles.“ „Hatte ich fast vergessen,“ schmunzelte Erik zurück, „setz Dich“ und rückte ein bisschen auf der Chaiselongue zur Seite. „Weißt Du,“ fing Arvo ganz direkt an (so war er halt), „mich beschäftigt etwas seit längerem, für das ich keine wirklich gute Lösung finde. Ich habe inzwischen so einige Türchen zwischen den Welten gebaut, Spiegel im Spiegel und Tabula rasa und immer mehr Wesen nutzen sie auch, aber es mag mir nicht gelingen ein Türchen hinter den großen Fluss zu komponieren. Vielleicht hast Du ja eine Idee?“ „Wiederholungen, endlose Wiederholungen kommen da am nächsten dran. Beim Hören der Vexations sind einige da schon irgendwie durchgeschlüpft. Aber leider habe ich das auch nicht stabil bekommen.“ Bevor einer von beiden etwas sagen konnte schlurfte es auf dem langen Flur vor dem Salon und ein etwas behäbiger Herr trat in Begleitung eines etwas blassen jungen Mannes ein. Er trug hier keine Flaschenböden mehr vor den Augen und auf die Zigarren konnte er hier auch gut verzichten, was er beides als Erleichterung empfand: „Hab ich hier etwas von Wiederholungen gehört?“ brummelte er, „ja Wiederholungen sind der Schlüssel. Erst durch sie kommt man in den Zustand, den er eigentlich vorher bräuchte, um etwas zu komponieren, das die Zeit einfach anhält.“ „Das ist aber ein schwieriger Zirkelschwung,“ antwortete Arvo und sah Morton Feldman tief und nachdenklich in die Augen. Morton seufzte und nickte nur langsam und bedächtig mit dem Kopf. „Meditationen,“ warf der junge Mann, den Morton mitgebracht hatte ein ohne sich der illustren Gesellschaft vorzustellen, „Meditationen sind stationäre Prozesse und wenn es gelänge Momente absoluter Stille auf einer kinetischen Zeitlinie aneinanderzureihen, könnte es passieren, dass die Welten nicht nur in Verbindung treten, sondern ganz leise ineinander übergehen wie zwei Liebende. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das alleine schaffen kann.“ Es schien, als ob es merklich heller in dem Salon wurde und Erik, Arvo und Morton schauten sich einen Moment schweigend an. Der junge Mann fuhr fort: „ein amerikanischer Mathematiker hat erst kürzlich gezeigt, dass das Vorhandensein des Raumes durch die Verschränkung des gesamten Universums zustandekommt und dass Zeit eine Funktion der Komplexität des Universums ist. Es müsste also doch möglich sein …“ Nach einer Pause erhob Arvo seine Stimme leise, „wenn das so ist, können wir es vielleicht gemeinsam entstehen lassen,“ und schob langsam seine Hand in die Mitte der kleinen Gesellschaft. Erik legte seine darauf und dann Morton und zuletzt, tief von der Unterstützung berührt, der junge Mann und die Szene löste sich in befreienden Zwielicht und feierlicher Stille auf.
Satoshi Ashikawa wollte, dass in der Musik von Still Way die Zeit zu einem Ende kommt, einfach stillsteht, so wie sie manchmal tut, nachdem ein Windstoß durch den Garten gefahren ist oder ein Regen unversehens eine kurze Pause macht. Er liebte das Werk von Erik Satie Und Brian Eno, studierte Stockhausen intensiv und fand Momente der Zeitlosigkeit im Verklingen eines Shamisentones in den Wellen der Alltagsgeräusche. Ein reichliches Jahr vor seinem viel zu frühen Unfalltod mit 30 Nahm er Still Way 1982 mit Mitgliedern des Mkwaju Ensembles und anderen auf. Midori Takada schreibt in ihren Liner Notes, dass er ihnen beim Einspielen aufgetragen habe, den Ausdruck soweit wie möglich zu reduzieren, das Piano ohne Pedal, die Flöte ohne Crescendo und das Vibraphon so trocken wie es nur ging zu spielen. Das Ergebnis sei eine Hingabe der Musiker auf den Moment und die Momente in denen sich Töne zart überlappen, gewesen. Die sieben Stücke das Albums mit Harfe, Piano, Vibraphon und Flöte im Kleinensemble und Solo eingespielt brauchen nur Minuten, um wirksam zu werden. Sie ist so klar, reduziert und unprätentiös, dass man kaum bemerkt, wie die Zeit einfach stehen bleibt. Und einfach schön in ganz ungeschliffener Weise, wie ein Rohdiamant, dessen Glanz aber sofort in der unmittelbaren Vorstellung des Diamantschleifers entsteht. Eine leise, zärtliche Berührung einer Welt, die sich nicht mehr hinter ihren Unterscheidbarkeiten verstecken will.
Und ein Reissue, dass nicht das Beste eines Monats oder Jahres seien könnte, denn diese Musik steht jenseits der Zeit und tritt in Erscheinung, wenn vielleicht drei altgediente Musiker ihre Kräfte zusammenführen oder ganz einfach, wenn sie gehört werden will.