Musik Produktion Schwarzwald (Teil 7)
Schuld hat einmal mehr Jochen. Sein kürzlich hier geäußerter, großartiger Tipp, den 3Sat-Film Brüder Kühn – Zwei Musiker spielen sich frei von Stephan Lamby anzuschauen, animierte mich dazu, die Serie um das Plattenlabel MPS um weitere zwei Folgen zu erweitern: eine, die heutige, beschäftigt sich mit dem älteren der Brüder, Rolf Kühn, die nächste mit dem sehr viel jüngeren Bruder Joachim Kühn (bei beiden geht es natürlich ausschließlich um deren MPS-Zeit).
Erinnert sei an ein Ereignis, das nun auch schon wieder ein gutes Jahr zurückliegt: zum 50-jährigem Bestehen des Villinger Labels MPS traten die Brüder am 8. September letzten Jahres im Franziskaner Konzerthaus auf. In Lambys Film sieht man einen kurzen Ausschnitt, aber auch eine Filmsequenz, in der die Brüder anlässlich des Jubiläums das legendäre SABA/MPS-Studio besuchen.
Was die Zusammenarbeit Kühn-Hans Georg Brunner-Schwer angeht, begann alles im September 1965, als Rolf Kühn mit Friedrich Gulda, Sahib Shihab, Freddie Hubbard, Jay Jay Johnson, Stan Roderick, Robert Politzer, Kenny Wheeler, Erich Kleinschuster, Harry Roche, Rudolf Josi, Alfie Reece, Herb Geller, Tubby Hayes, Pierre Cavalli, Ron Carter und Mel Lewis Music For 4 Soloists And Band No.1 einspielte. Es folgte ein dem Free-Jazz doch sehr nahe kommendes Album Transfiguration mit dem Rolf & Joachim Kühn Quintet und Karl Berger 1967 (als CD 2009).
Rolf Kühn veröffentlichte 1970 Going To The Rainbow. Auf Seite 1 der Platte findet man das 18:21 minütige Titelstück “Going To The Rainbow“ – hier geht aber richtig die Post ab. 1971 brachte Rolf Kühn mit seiner Jazzgroup Devil In Paradise heraus, zu der Eberhard Weber, Tony Oxley, Wolfgang Dauner, Joachim Kühn, Alan Skidmore und Albert Mangelsdorff gehörte – auch eine eher dem Free-Jazz zuzuordnende Platte, auf der es ordentlich zur Sache geht.
“The Day After“ erscheint bei MPS 1972, mit dabei, neben Rolf Kühn, Phil Woods, Peter Warren, Oliver Johnson, Nana Vasconcelos auch Joachim Kühn. The Rolf Kühn Group spielt 1975 dann das Jazzrock-Album Total Space ein, auch hier lohnt ein Blick auf die Besetzung; Bo Stief, Daniel Humair, Kasper Winding, Joachim Kühn, Philip Catherine, Gerd Dudek.
Musik ganz anderer Art begegnet uns auf der 1978 erschienen Platte Symhonic Swampfire des Rolf-Kühn-Orchestras, hier geht es eher gefällig zu, trotzdem, eine schöne Platte (allerdings, für meinen Geschmack wirklich der Streicher zu viel). Auch diese Scheibe wurde 2009 wiederveröffentlicht. Jazzrock hören wir dann auf der 1973 produzierten Platte Connection 74, es gibt allerdings eine Ausnahme, das wunderschöne Stück “Music For Two Brothers“, ein achtminütiges Duospiel der Kühn-Brothers. (Wiederveröffentlicht 2017)
1980 kam dann Cucu Ear heraus, feiner Jazzrock, besonders das Titelstück “Cucu Ear“ und der Titel “Sultans of Jazz“ haben es mir angetan. Manches erinnert mich an Klaus Doldingers Jazzrock-Zeit und in der Tat, mit ihm nahm Kühn Rolf Kühn feat. Klaus Doldinger auf. Allerdings hat diese LP nun überhaupt nichts mit dem späteren Rock-Jazzer Doldinger zu tun, hier spielt er 1962 feinsten Jazz, mit dabei der Organist Ingfried Hoffmann. Tenor Sax, Klarinette und nun noch die Hammond B3, eine ungewöhnliche und richtig gute Soundkombination. Das Brunswick-Label zeichnet allerdings für diese Aufnahme verantwortlich, nicht MPS.
Aber zurück zur Plattenfirma des Hans Georg Brunner-Schwer MPS und damit zu einer Riesenüberraschung. Rolf Kühn feiert in vier Tagen, am 29.9. seinen 90. Geburtstag. In Zusammenarbeit mit dem Jubilar bringt MPS eine auf 1000 Exemplare limitierte 9-LP-Vinyl-Box heraus. Hier finden wir drei der oben erwähnten Platten: Total Space, Symphonic Swampfire und Cucu Ear. Gespannt bin ich auf zwei hier erstmals veröffentlichte Live-Mitschnitte, einmal auf den des “Rolf & Joachim Kühn Quartett“ von den Berliner Jazztagen 1966 und dann auf die Aufnahme vom Newport Festival 1967. Hinzu kommen noch die Alben Stereo (2015), Spotlights (2016) und Yellow & Blue (2018). Ein 12-seitiges Booklet vollendet die Box.