Ich sitze im Dortmunder Stadion neben einigen Arabern. Es findet kein Spiel statt. Ein grosser Schlacks, orientalisch wirkend, geht auf die Gruppe zu, bleibt vor der Araberin (oder doch Spanierin?) stehen, und gibt seiner Freude Ausdruck, sie wiederzusehen. Sie reagiert hart, sagt, er solle verschwinden, und jedes Stück seines Herzens mitnehmen. Offensichtlich bestürzt geht er weg. Ich sitze mit einem alten Klassenkameraden ein paar Stühle daneben, und X. Y. regt sich sehr über das Verhalten der Frau auf. Ich beruhige ihn und sage, das täte mir auch Leid für den Mann, aber wir kennen ja die Geschichte nicht. Trotzdem echauffiert sich X. weiter. Auf einmal kommen zwei Deutsche vorbei, die anfangen, die ausländische Gruppe zu beleidigen. Ich stehe auf, und sage den beiden, sie möge sich verpissen. Der Eine fixiert mich und sagt mir, wir sehen uns wieder. Dann unterhalten sich X. und ich über seine Lust an einem aussergewöhnlichen Fitnesstraining, er berichtet mir von einem neuen Zentrum nahe dem Stadion, in das zweimal die Woche gehe. Er würde dort zwei Stunden verbringen, und, tatsächlich, er wirkt auf mich fit wie selten zuvor. Schnitt. Ich stehe mit Jadon Sancho am Rande des Stadions, und ich bin froh, endlich kurz vor der Rückkehr ins Team zu sein. Vom Empfinden her bin ich ca. 25, und habe einen Vertrag beim BVB. Ich sage Sancho, wir unterhalten uns auf Englisch, dass ich ihm bei meinem nächsten Spiel ein Tor auflegen werde. Wir lachen und machen ein paar Spässe. Plötzlich wird mir bewusst, dass ich gar keine Fussballschuhe besitze. Was mich sehr verwirrt. Ich frage Sancho, wo er seine Schuhe gekauft habe, und er gibt mir eine Adresse. Ich mache mich auf den Weg dorthin, bin aber erst kurz hinter dem Stadion, als mir die dunklen, tief hängenden Wolken auffallen. Und der kleine Rassist ist nur ein Metallgitter und einige Meter entfernt. In dem Moment ist mir bewusst, dass er ein Messer dabei hat, und ich keine Chance. Er ist noch ein paar Schritte hinter mir, und, ohne dass ich erkenne, in einem Traum zu sein, erinnere ich mich daran, dass ich ja fliegen kann, und der bösartige Kerl nicht. Ich mache die entsprechenden Bewegungen, und fliege in den dichten Wolkennebel hinein.
Archives: August 2019
2019 27 Aug.
Green Book
Jan Reetze | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Don Shirley, Green Book | 4 Comments
Der New Yorker hat diesen Film ziemlich heftig verrissen, und die Gründe sind bestimmt diskutabel. Die Familie des realen Pianisten Don Shirley ruft zum Boykott des Films auf oder wünscht zumindest, man möge ihn sich erst ansehen, wenn er im Kabel-TV gezeigt wird, weil dann die Produzenten weniger daran verdienen.
Ich bin da etwas anderer Meinung. Dass Green Book deutliche Parallelen zu Driving Miss Daisy aufweist, ist nicht nur mir aufgefallen, aber das liegt im Sujet und ist wohl kaum zu vermeiden. Im übrigen kann man dem Film nur eines wirklich vorhalten: dass er vorhersehbar ist.
Der afroamerikanische Pianist Dr. Don Shirley (von dem ich bislang nie gehört hatte — sorry für den Fall, dass das eine Bildungslücke ist), lebt in den frühen 1960er Jahren in einem museumsgleichen Apartment über der New Yorker Carnegie Hall. Für eine zweimonatige Tournee durch die USA heuert er Frank „Tony Lip“ Vallelonga als Fahrer an, den italoamerikanischen Rausschmeißer einer New Yorker Bar. Die beiden Männer sind so grundverschieden, wie sie überhaupt nur sein können — hochgebildet, eloquent und bestens erzogen der eine, verfressen, grammatikalisch zweifelhaft und straßenerprobt der andere. Green Book zeigt, wie diese beiden Typen eine Reihe von Abenteuern im tief rassistischen „Deep South“ der Vereinigten Staaten zu überstehen haben, sich dabei zunächst zaghaft, dann zunehmend vertrauensvoll, manchmal heftig streitend, einander immer weiter annähern, voneinander lernen, sich helfen und letztlich dicke Freunde werden. Der eine kapiert, dass es Situationen gibt, in denen ein trockener Fausthieb in die richtige Visage das einzg mögliche Argument ist, der andere kapiert, dass es in anderen Situationen wichtiger sein kann, seine Würde zu wahren als draufzuhauen. Das alles ahnt man von Anfang an, und genau so kommt es.
Was Green Book trotzdem sehenswert macht, ist das, was quasi „nebenbei“ erzählt wird: Der tiefsitzende Rassismus war viel mehr als nur Gesetz. Er war in die DNA der Menschen eingeschmolzen, sicher bis weit über das offizielle Ende der Rassentrennung hinaus (bis heute), und selbst viele Schwarze hatten ihn irgendwie als „normal“ absorbiert. Es gibt eine Szene in dem Film, die Bände spricht: Bei einer Autopanne behebt Tony über den dampfenden Motor gebeugt den Schaden, während Don danebensteht und zuschaut. Einige schwarze Feldarbeiter beobachten das Geschehen — und können einfach nicht glauben, was sie da sehen. Es widerspricht ihrer gesamten Lebenserfahrung. (Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch gern nochmals an Joan Didions Buch „South and West“, auf das ich letztes Jahr hier hingewiesen hatte.) Die Zumutungen, denen Schwarze seinerzeit ausgesetzt waren, machen nicht selten sprachlos; desgleichen die Polizeiwillkür, die in den Südstaaten völlig normal war. Nicht zu sprechen von den heruntergekommenen Motels und Spelunken, in denen Schwarze unterkommen konnten. Letztere waren verzeichnet im jährlich zwischen 1936 und 1966 erscheinenden „Negro Motorist Green-Book“, herausgegeben von seinem Namensgeber Victor Hugo Green.
Das Ganze ist manchmal ziemlich dick aufgetragen, die Fallhöhen sind oft sehr hoch angelegt. Das ist natürlich Absicht, aber es funktioniert. Don Shirleys Familie liegt mit ihrer Kritik an dem Film insofern falsch, als Green Book eben nicht, wie sie anscheinend glaubt, die wahre Lebensgeschichte des Musikers Don Shirley zeigen will, sondern dass eine Episode seines Lebens als Folie für eine Geschichte dient — nicht mehr und nicht weniger. Was vielen (besonders deutschen) Kritikern offenbar ebenfalls nicht passt: dass der Film sein Thema nicht mit empörtem Gebrüll und ständig hängenden Mundwinkeln anpackt, sondern als Komödie daherkommt — na gut, als Tragikomödie. Das allerdings ist auf ganzer Breite gelungen, und deswegen halte ich den Film für sehenswert. Seine Oscars hat er allemal verdient.
2019 27 Aug.
„The Strangest British Band You‘ve Never Heard Of“
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 4 Comments
Genau darum dreht sich der neue Roman von „Cloud Atlas“-Autor David Mitchell, der den Titel Utopia Avenue trägt. Und natürlich für ein manafonistisches Parallelleseabenteuer sorgen wird. David Mitchells Ausgangspunkt ist der nun auch nicht mehr ganz taufrische Spruch, dass – war es Laurie Anderson, die es erstmals aussprach – das Schreiben über Musik wie das Tanzen über Architektur sei. Mein Interview mit dem Briten zu seinen „Bone Clocks“ ist mir noch in bester Erinnerung, genauso wie seine da bekundete Begeisterung für reine Soloalben von John Surman. Ich zitiere, was er nun zu Utopian Avenue kundtat:
“Songs (mostly) use language, but music plugs directly into something below or above language. Can a novel made of words (and not fitted with built-in speakers or Bluetooth) explore the wordless mysteries of music, and music’s impact on people and the world? How?”
Es wird die Geschichte erzählt einer englischen Band gleichen Namens, die aus Londons psychedelischer Szene von 1967 hervorging, mit dem Folksänger Elf Holloway, dem Gitarrenhalbgott Jasper de Zoet und dem Bluesbassisten Dean Moss. In ihrer kurzen Karriere zwischen den Clubs in Soho (natürlich spielten sie im Marquee Club) verrauchten Tanzhallen, bis hin zu Auftritten bei „Top of the Pops“ veröffentlichten sie leider nur zwei LP‘s. Sie landeten einmal sehr weit oben in den Charts, ernteten Ruhm in Amsterdam, landeten auch einmal im Knast in Rom. Schicksalhaft wurde es während eines 14-tägigen Aufenthalts in den USA, im Herbst 68. Mehr wird nicht verraten, ausser, dass das Buch erst im nächsten Sommer in England erscheint. Der Brexit wird dann lange vollzogen, und der Vollpfosten Boris Johnson neugewählter PM sein. Holy moly.
2019 26 Aug.
Seven completely different, (very) good movies
Manafonistas | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Comments off
2019 26 Aug.
… to my near faraway …
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | 1 Comment
„I’m like a singer on the stage
With the golden lights and liquid rage
Down from the mountains to the sea
Cool running love keeps cleansing me“
1
„Will To Love“ is an absolutely sublime love song by Neil Young, and one of two highlights („Like A Hurricane“ being the other one) of his otherwise not-so-great album American Stars ‚n‘ Bars. As far as the recording of „Will To Love“ goes, according to Neil (in an excerpt from the Shakey biography), Neil recorded himself by the fireplace playing the song on his acoustic guitar (supposedly on a crappy boom box!). Then Neil and his long-time companion David Briggs ended up in a studio, and for one crazy session, Neil overdubbed himself playing all kinds on instruments (bass, electric guitar, vibes, even drums). So what you hear on the album is a combo of Neil by the fireplace and odd goings on in the studio.
2
In an early edition of „Klanghorizonte“ at the Deutschlandfunk I played a remix of the song, with the help of a good sound engineer. I always thought this song could easily last „forever“, so we mixed a version in which the original song was played three times in a row, with the suggestion of a rare extended version. To blur the impression of simple repetition, we added, between the two endings and two „new“ beginnings, slightly treated synth notes from Brian Eno‘s Discreet Music and those „windharp“ noises from the opening passage of Jan Garbarek‘s album Dis. Both sounds (from two classics!) perfectly merged with the overall atmosphere of that jewel of a song. And, in regards to the „extended version“, what ya wanna more than to have Eno, ECM, and Neil Young in one track of thirty minutes of timelessness?!
2019 25 Aug.
Beirach Maestro Naura Rihm – MIX
Hans-Dieter Klinger | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Shai Maestro | 4 Comments
Die Zutaten für den Mix sind alphabetisch geordnet. Den Impuls zum Mixen gab Shai Maestro, dessen surname ich nicht übersetzen möchte – ein paar wenige Leser verstehen eventuell, warum. Ordne ich in zeitlicher Reihenfolge, dann muss ich mit Richie Beirach anfangen.
Neue Musik, die wichtig ist, muss eine Grenze berühren. Sie muss an einen Ort geraten, hinter dem etwas Unbekanntes liegt. Ob es die Grenze überschreitet, das ist nicht immer möglich. Aber dieser Punkt muss erreicht werden, wo man spürt, hier geht es nicht weiter – vorerst, ja. Aber die Musik zeigt diese Grenze auf. Warum ist es wichtig, dass wir einen neuen Ort erreichen oder an eine Grenze kommen? Es lief etwas, was noch nicht dagewesen ist.
(Björn Gottstein – AUDIO 1)
Richie Beirach habe ich am Freitag, den 16. August 2019, im Quartett live gehört mit einem Auftritt beim Jazzfest Passau. Beirach war vor Wochen Thema hier im Blog mit dem tief berührenden Interview-Film von Ingo J. Biermann und der davon inspirierten Milestones-Sendung Michaels im DLF. Es ist nicht schwer zu erraten, was mich veranlasste, Richie zu hören und persönlich zu treffen. Es war ein schönes Konzert, es war ein solides Konzert sehr versierter Musiker, aber es war kein Erlebnis, das eine Grenze berührt hätte. Man hörte handfesten Post Bop, den ich inzwischen zum Old Time Jazz zähle.
Shai Maestros erstes ECM Album The Dream Thief stand auf meiner Favoritenliste des Jahres 2018 und vorgestern begegnete ich erstmals 2 Grenzen überschreitenden Alben, die schon seit Langem vorliegen, aber fest gebucht sind für meine 2019-Liste. Sie haben mich in extremer Weise berührt und gehören zu den wenigen Alben, deren Tiefenwirkung jener eines Live-Erlebnisses gleicht. Zu naheliegenden Beispielen zählen dafür Jarretts Facing You und Solo Concerts Bremen/Lausanne oder Miles Davis’ Kind of Blue (wenn ich mich auf Jazz beschränke).
Shai Maestros Musik amalgamiert zwei Eigenschaften, die nur von wahren Meistern überzeugend verbunden werden können: Wohlklang, Eingängigkeit, betörende Melodik einerseits und subtile Raffinesse gepaart mit Wildheit andererseits. Er erfindet Harmonien, die unter den Chord Symbolen des REAL BOOK so gut wie gar nicht zu finden sind – was sind das schöne Überraschungen!
Eigentlich hätte ich meine Sendung überschreiben müssen ‘Plädoyer für Toleranz am Beispiel von Keith Jarrett’, denn Erfolg – und mag er noch so groß sein – schließt ja nicht aus, dass auch Kritik laut wird. Im Fall von Jarrett erregen sich einige Leute bei gewissen Passagen seiner Soloklavier-Auftritte. Diese Passagen hören sich an wie Zitate aus der Klassischen Klavierliteratur, und genau bei so einer Stelle flüsterte mir in einem Jarrett Konzert ein eher mäßig begabter Klarinettist zu “Scheiß Heile Welt”. Was war daran so heil? Die nachvollziehbaren Melodien, der köstliche Anschlag, die durchschaubare Harmonik? Kurz danach wechselte Jarrett die Stimmung und spielte wie rasend Cluster über Cluster. Wieso konnte der Kollege von der Free-Jazz-Fraktion nicht 5 Minuten Wohlklang ertragen? Warum war es ihm unmöglich, Tonalität als etwas nicht Bedrohendes zu empfinden?
Michael Naura – AUDIO 2
Ähnliches ist mir 1976 in Nürnberg bei Jazz-Ost-West passiert, als ein guter Freund von mir – ebenfalls Mitglied der Free-Jazz-Fraktion – meine Begeisterung für den Auftritt des Keith-Jarrett-Quartetts mit der Bemerkung “zu viel Schönklang” nicht schmälern konnte. In diesen Post-68er-Jahren geriet jegliche ästhetischen Genuss bereitende Musik allzuoft in den Verdacht, System stärkend zu sein, von politischen Missständen abzulenken. Nun ist es ohnehin fraglich, wie weit die semantische Deutlichkeit von Instrumentalmusik reicht. Spontan könnte ich nur 2 Beispiele nennen für Instrumentalmusik, deren politische Dimension einst ruchbar war. Beethoven ist eines der beiden Exempel. In seiner Epoche, und vor allem durch ihn, emanzipierte sich Musik aus funktionalen Bindungen. Das 19. Jahrhundert wird dafür den Terminus “Absolute Musik” erfinden. Beethovens Zeitgenosse J. N. Dolezalek berichtet: Kaiser Franz I. wollte von Beethovens Musik nichts wissen: ‘Es steckt etwas Revolutionäres in der Musik!’ Was Michael Naura beschreibt findet eine ungefähre Analogie im Zusammenhang mit Wolfgang Rihm.
Rihm ist da ausgeschert. Er war derjenige, der von Anfang an […] tonal komponiert und die Klassische Formenwelt bedient [hat]. […] Es war der große Skandal, dass ein zeitgenössischer Komponist, ein junger Komponist, so verständlich, so sinnlich, so wuchtig, so haptisch, so, dass es den Menschen sofort erreicht, komponieren kann und sich über alle Regeln hinwegsetzt!
Eleonore Büning AUDIO 3
ich empfehle ergänzend
AUDIO 4 und
AUDIO 5 anzuhören.
Ein Musiker, der sich dem ästhetisch Schönen verschrieben hat ist freilich per se kein unpolitischer Mensch, wie man im letzten Titel von Shai Maestros Album The Dream Thief hören kann. In What Else Needs To Happen? lässt Shai Maestro an 2 Stellen Barack Obamas Stimme während einer Rede hören, in der er sich für die Waffenkontrolle einsetzt.
We all change as human beings … we will probably never stop changing.
in learning to take time, fearing less, daring more and accepting
the occasional stumbling – the music changes with us.
We are slowly learning to let the music be a representation of
who we are as people. For good or bad.
Shai Maestro, Nov. 14
DIE EPIK DES ABGRUNDS – zur 6. Symphonie Gustav Mahlers – ein einstündiges Radio-Feature (ich nenne es lieber eine Entdeckungsreise), von Michael Engelbrecht, eine Collage mit O-Tönen und Texten von Bruno Walter, Georg Solti, Alma Mahler-Werfel, Leonard Bernstein, Carla Bley, Scott Walker, Terje Rypdal u.v.a. (die Quellen stammen aus Archivmaterial und, zum kleinen Teil, eigenen Interviews, der genaue Sendetermin wird noch bekanntgegeben)
Die Sechste Symphonie ist vielleicht das größte Rätsel, das uns Mahler hinterlassen hat; jenseits des technischen Aufbaus entzieht sie sich sämtlichen Erklärungs- und Deutungsversuchen aller Mahler-Interpreten, deren Bemühungen folglich auch entsprechend unterschiedlich ausfallen. Mehr denn sonst sollte der Hörer daher ohne Vorbehalte nur der Sprache der Musik lauschen, sie auf sich wirken lassen und seine eigenen Bilder sich unvoreingenommen entwickeln lassen.
In Absprache mit einem Redakteur für Klassische Musik kommen in dieser Stunde weder Klänge von Gustav Mahler vor, noch Texte von ihm selber. Somit wird ganz bewusst, gegen jede standardmässige musikpädagogische Methodik, auf Anschauungs- resp. Anhörungsunterricht verzichtet. Dass viele Zuhörer nach diesem „Feature“ geradezu begierig sein werden, Mahlers Sechste zu erleben, zum ersten Mal, oder mit „anderen Ohren“, darf vermutet werden.
2019 24 Aug.
Samson und Delilah
Michael Engelbrecht | Filed under: Blog | RSS 2.0 | TB | Tags: Exsurrealist, Fabel, Hundegeschichten, Konstruktivismus, Niklas Luhmann, Parabel, Systemische Therapie, Walt Disney, Yellow Submarine | 1 Comment
„Fährt man auf der Autobahn, kann man entspannt das Radio einschalten und vielleicht den alten Beatles-Song hören: „We all live in a yellow submarine“. Man kann dann auch eine Kassette der sogenannten Autobahnuniversität einlegen, in der originale Universitätsvorlesungen eingespielt sind und kann etwas über Niklas Luhmanns Systemtheorie hören. Wenn man beides kombiniert, hat man den optimalen Einstieg. In einem U-Boot findet nämlich die Realitätsortung durch Echolot und Funkpeilung statt. Wale, Eisberge und Luxusdampfer kommen nur in der Form von Frequenzen auf dem Schirm vor, obwohl sie tatsächlich da draußen vorhanden sind. Auch die neurochemischen Signale unseres Hirns machen nur Klick, Klick, Klick und erzeugen so die ganze bunte Welt einschließlich Niklas Luhmann und seine Systemtheorie. Diese Überlegungen kennzeichnen die Erkenntnistheorie des Konstruktivismus, die grundlegend ist für das Verständnis der Systemtheorie. Vorläufer waren der an den Universitäten der 20er Jahre herrschende Neukantianismus, die Vaihinger-Rezeption um die Jahrhundertwende und natürlich Nietzsche und dann Kant, und sie reicht ganz weit zurück bis in Platos Höhle.“
Man sieht es Samson und Delilah nicht auf den ersten Blick an, aber sie sind erschöpft. Sie tragen nicht an der Bürde ihrer geschichtsträchtigen Namen, sie hatten ganz anderen Stress hinter sich. Das heisst, hier greift die Fürsorgepflicht. Nun bin ich zwar mal als Hundeflüsterer aktiv gewesen, aber nur bei meinem eigenen Hund. Und das ist schon eine Weile her. In diesem doppelten Fall blieb mir nichts anderes übrig, als mit Engelszungen auf die Besitzer einzureden, die ich von manch fröhlichem Gelage, Weisskohleintopf, und geisteswissenschaftlichen Disputen her gut kenne.
Aber Habermas, Luhmann, Bateson, Sartre, Schopenhauer und die ganze Rasselbande rücken erstmal in weite Ferne, wenn es um unsere treuen Begleiter geht, die sich am Rande des Nervenzusammenbruchs bewegen, ähnlich wie die schönen Frauen in Pedro Almodóvars Film. Wie gesagt, man sieht es ihnen nicht an, sie versuchen Haltung zu bewahren, und schweigen lieber als zu bellen, geben auch ihren Menschenfreunden gutgemeinte Ratschläge, aber sie sind einfach zu selbstlos, um in den Spiegel zu schauen, und sich einen Burnout ersten Ranges zu bescheinigen.
Dann nämlich könnten professionelle Hundeheiler und Tierärzte, die ihr Handwerk verstehen, ganze Arbeit leisten. Nun bin ich vorgestern bei Samson und Delilah vorstellig geworden, habe mich in einen sprechenden Golden Retriever verwandelt, und ihnen, in bester Walt Disney-Manier, ein paar ernsthafte Worte zugeflüstert: „Freunde des einst so fröhlichen Gebells, nehmt euch eine Auszeit, denkt an euer eigenes Wohlbefinden, bis der Geist wieder aufklart, und die Seele sich hebt.“
Der Laie mag annehmen, dass solch geschraubte Worte leicht ihr Ziel verfehlen, aber glaubt mir, nach so vielen Lassie- umd Rintintin-Folgen, sowie lebenslangen Hundefreundschaften, weiss ich, welcher Ton anzuschlagen ist – und er wird sein Ziel nicht verfehlen. Es ist gut, dass Samson und Delilah Hunde sind ohne Arg, wären sie Menschen, man könnte ihnen leicht einen Hang zum Pharisäertum attestieren, aber das können wir in diesem Fall komplett ausschliessen.
2019 23 Aug.
moments from real life (für Frank Nikol)
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