Seit Jahrzehnten schon begleitet mich eine Fernsehzeitschrift mit klangvollem Namen sicher durch die Medienwelt wie einst die Obhut meiner geliebten Grossmutter durch das junge Leben. Immer wieder habe ich mich gewundert, wie zutreffend dort Filme und dergleichen beurteilt werden. Dies geschieht in der Form von Würfelaugen: eine Sechs heisst „grandios, aussergewöhnlich gut“, eine Fünf bedeutet „sehr gut, sehenswert“, eine Vier ist noch recht gut im Ranking und eine Drei hat bereits deutliche Schwächen. Ein Auge heisst soviel wie nicht mehr einäugig sondern bereits blind. Mit anderen Worten: No-Go, Drop-it, Failure. Neuerdings werden auf der vorletzten Seite der Zeitschrift neben Büchern, CDs und Kinofilmen auch Serienstreams vorgestellt und beurteilt. Das ist auch der Grund, warum ich hier darüber schreibe, denn auch auf diesem Feld liegen sie verblüffend richtig. Aus dem Altpapier fische ich soeben die Zeitschrift der letzten Woche wieder heraus, denn da war doch was – genau: Haus des Geldes, zu dem ich gestern (nach dem Supercup) verblüffend schnell den Einstieg fand, wurde mit fünf Augen bewertet. Das wird ein Spass werden in den nächsten Wochen, that´s for sure. Comedians auf Kaffeefahrt bekam die gleiche Anzahl, vielleicht schaut man da mal rein beizeiten. Als „eitles Alterwerk“ benannt bekommt ein Film von Almodóvar nur drei. Zugehört und Augen auf nun: Sibylle Bergs Hörbuchversion des Romans GRM bekommt sechs Augen – das wird vorgemerkt und dreifach angestrichen! The Boys und Orange Is The New Black bekommen vier, will heissen: muss man nicht, kann man aber, oder auch „lassen wir“.
18 Comments
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Michael Engelbrecht:
Also, ich war zögerlich vor Jahr und Tag, als mir jemand diese Serie empfahl, und ich nur flüchtig die erste Folge sah.
Das änderte sich vor zwei Wochen – kurz vor dem Ende der Staffeln 1 und 2 von DAS HAUS DES GELDES „würfelte“ ich zweimal die SECHS. Almodovar meets Hitchcock meets Tarantino, aber so gut, dass nichts zur Groteske erstarrt – und auf Wahrscheinlichkeit hat schon Hitchcock gepfiffen.
Absolut grossartige Serie, allerdings, Jo, solltest du die Fernsehkritik mit „ACHTUNG SPOILER“ versehen :) – wobei diese Serie so gut ist, dass neben der äusseren auch die innere Spannung immens ist. Das war ja auch bei CERVANTES so, der hat vor jedem Kapitel von DON QUIXOTE auch erzählt, was darin passieren würde …
Im übrigen gucken das sowieso nur wie beide 😉
WUNDERBARES SÜCHTIGES HINEINFALLEN IN DIE WELT DES PROFESSORS, DER COMMISSARIA, UND ALLER ANDEREN.
And, in other words, for our foreign readers: The mundane title belies its promise: the better title is the original Spanish: La Casa de Papel (House of Paper). It is, essentially, the cleverest heist ever.
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Michael Engelbrecht:
Ich glaube zudem nicht, dass LA CASA DEL PAPEL einfach nur gute Unterhaltung ist.
Es geht, wie die besten Komödien von Moliėre, wie die besten Tragikomödien von Preston Sturges, einfach auch verdammt tief.
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Jochen:
Erstaunlich, dass ich den spanischen Originalton (mit deutschen, nur peripher wahrgenommenen Untertiteln) als angenehm empfand – ganz ähnlich wie den schwedischen in der (von mir ebenfalls mit „fünf“ gewürfelten) Serie Quicksand.
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Michael Engelbrecht:
Ist das aus der GONG?
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Jochen:
Yep.
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Michael Engelbrecht:
Früher hatten die auch Superradiotipps, da sass die ganzen Neunziger Jahre hindurch ein DLF JAZZ FAN in der Redaktionsstube, und veröffentlichte viele unserer Pressetexte.
Jetzt höre ich gerade für die Zeitreise durch fünf ECM-Jahrzehnte eine wunderbare Soloplatte von John Surman an, unter Kopfhörern. Gleich geht es mit dem E-Bike in die Niederlande, green fields, no hills, später dann ein Date mit Nairobi in LA CASA DEL PAPEL.
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Jochen:
Have fun! E-Bikes sind ´ne feine Sache …
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Lajla Nizinski:
Wie viele Würfelaugen bekommt die Sendung heute über Klaus Dinger auf Arte 23:00 Uhr 😊?
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Jochen:
Alea iacta nondum est … ;)
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Michael Engelbrecht:
Also, gestern das Finale der zweiten Staffel gesehen.
Umwerfend. Wann habe ich das einmal gesagt, von einer Episode, in der es, ähem, u.a. eine wilde und lange Schiesserei gibt!? Aber „umwerfend“ passt ja auch …
Die Serie war auf zwei Staffeln angelegt, und hat ein pures grossartiges Kinofinale. So vieles ist komponiert aus Zitaten, und kriegt doch den eigenen Dreh! Die Schauspieler sind so gut, dass man sich gar nicht vorstellen mag, sie könnten was anderes spielen. Und hier kriegen von mir sogar die deutschen Synchronsprecher einen doppelten „Tokyo“.
Dritte Staffel ist dann für Weihnachten, das Finale ist einfach zu rund, um es nicht eine ganze Zeit nachwirken zu lassen.
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Jan Reetze:
Ach, der gute alte „Gong“. Den hatte ich viele Jahre lang, bis ihn irgendwann der Zeitschriftenladen nicht mehr hatte.
Ich wusste gar nicht, dass es ihn immer noch gibt …
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Jan Reetze:
Lajla, wie war denn überhaupt die Sendung über Klaus Dinger? Ich kann sie natürlich hier mal wieder nicht sehen.
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Jan Reetze:
Nun habe ich den Film über Klaus Dinger doch sehen können, irgendjemand hat da wohl etwas freigeschaltet. Gelohnt hat es sich aber nicht, ich habe selten einen so sturzdummen Portraitfilm gesehen. Arte scheint auch nicht mehr das zu sein, was es mal war.
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Michael Engelbrecht:
Das Radioteil ist leider abgeschafft in der GONG. Aber bei so viel angemessenen WÜRFELWERTEN werde ich mir mal ein Nostalgieexemplar gönnen. Als Kind hatten wir immer die HÖRZU daheim. ORIGINAL UND FÄLSCHUNG war natürlich klasse :)
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Jochen:
Den Radioteil gibt es noch, in verschlankter Form als „Radio und Rätselzeitung“ in der Mitte des Heftes, auch zum separat herausnehmen.
And to the folks in Pittsburgh I send this overseas (teilweise mit Würfelwerten).
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Lajla Nizinski:
Jan, auch von mir nur 1 Würfelauge. Das war ja eher Werbung für ein Fitnessstudio.
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Jan Reetze:
Die Hörzu hatte den deutlich besseren Radioteil, aber aufs Ganze gesehen war mir der Gong sympathischer, u.a. wegen der Würfel- bzw. überhaupt der Kurzkritiken. Meistens trafen sie den Kern.
Jochen, danke für den Link.
Hierzulande gab es Programmzeitschriften überhaupt nicht. Angesichts der Vielzahl von Programmen wäre das kaum machbar gewesen. Hier sahen die Fernsehseiten in der Zeitung so aus …
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Michael Engelbrecht:
Da ich in diesen Tagen ausser X und der Vorbereitung der ECM-Show wenig zu tun habe, gönne ich mir vielleicht eine GONG.
Als es mich auf Jans Blog verschlug, dachte ich, oh, er hat ja auch was über GONG geschrieben, bis mir, nach Sekunden, klar wurde, es war die Band, und nicht die Zeitschrift 😂
Also, wenn ich die GONG habe, steht das Duell der Würfelwerte an: Herr Gong vs. Michael E. – ich wähle Filme und Serien aus, die ich kenne, und dann kommt es zum Showdown. 😅😅
Ein kleines Beispiel: in dem von Joey bereitgestellten Screenshot wurde von Herrn Gong der Spielfilm EIN PERFEKTER MORD, mit Michael Douglas gewürfelt. Er bekam fünf Würfelpunkte. I‘m so sorry, that movie only deserved three ones.
Ich weiss nicht, ob GONG das gewürfelt hat. Aber derzeit kann man in der Mediathek von ARTE noch eine 23-minütige Doku über die historischen Filmaufnahmen zu PEARL HARBOUR 1941 sehen, und, ganz klar, 5 Würfelaugen!