Manafonistas

on life, music etc beyond mainstream

L: Helma, du hast deine Doktorarbeit über den Jazz in der DDR geschrieben, Ende des Jahres kommt sie als Buch bei der Cambridge University Press heraus. Wie bist du auf dieses Thema gestoßen?

 

H: Ich wohne in New Orleans. Dort habe ich vor vielen Jahren James C. Booker getroffen. James war häufiger Gast in der DDR. Er hatte dort Ende der 70er Jahren bei Amiga Plattenaufnahmen gemacht. Die wirklich letzte Amiga LP ist ja: „Let’s make a better world“. Booker hat mich nie ganz losgelassen. Während meines PHD Programms kam ich dann auf die Idee, mich mit dem Jazz in der DDR auseinander zu setzen. Und zwar unter der Betrachtung der historischen Gegebenheiten. Der Titel meines Buches lautet auch deswegen: „A People’s Music: Jazz in East Germany 1945 – 1990.“

 

Wie sahen denn nun die Anfänge des Jazz in der DDR aus?

 

Amiga war das erste deutsche Jazz Label. Eigentlich war der Gründer Ernst Busch mit seiner Firma: Lied der Zeit. 1948 machte der amerikanische Trompeter Rex Stewart die ersten Plattenaufnahmen bei Amiga. Er war geschickt worden, um die amerikanischen Soldaten zu entertainen. Er trat u.a. im Delphi-Palast auf, damals ein großer Tanzpalast. Es spielten ausschliesslich schwarze Musiker in den amerikanischen Bands. Jazz galt bei den Staatsobrigkeiten als „amerikanische Unkultur“. Geschickt nutzten einige Jazzfans die Gunst des Zeitgeistes, allen voran Josh Sellhorn, einer der Pioniere des DDR Jazz, und proklamierten ihn um zum „proletarischen Ausdruck der unterdrückten Neger“.

 

Welche Jazzmusiker nutzten ihre Chance zu ihrer Entwicklung einer eigenen Szene im Osten?

 

Dazu gehörten sicherlich der eben erwähnte Sellhorn, dann Petrowsky (1968 in Montreux), Klaus Lenz, der als Meister des Modern Jazz galt. Klar, Manfred Krug, Gumpert, Uschi Brüning, Conrad Bauer, Baby Sommer, Joachim Kühn … Da kommen eine Menge zusammen. Zunächst wurde der Jazz als freie Musik und vorallem als kollektive Erfahrung empfunden. Das grosse Jazzfestival z.B. in Peitz (1972) im Spreewald wurde absolut als Nische empfunden, leider dann 1982 vom Staat verboten. Erstaunlicherweise  waren einige Musiker ziemlich priviligiert. Sie hatten Pässe und konnten somit reisen. Einige besaßen sogar Wohnungen im Westen. Trotzdem verließen einige ihre Heimat und wurden von den Dagebliebenen ziemlich vermisst, wie z. B. Manfred Krug.

 

Im Tal der Ahnungslosen – in Desden – konnte man wahrscheinlich auch schlecht die Radiosender AFN und RIAS empfangen. Der berühmte Maler A.R. Penck stammt ja aus Dresden. Er gründete eine Jazzband mit dem lustigen Namen „Archaik-Fri-Jazz“. Zu seinen Bildzeichen war sie eine herrliche Klangkulisse. Gab es andere Städte, wo sich eine eigene Jazzszene herausbildete?

 

Ja, besonders in Leipzig. Dort wurden schon früh kleine Jazzfeste organisiert. In den 70ern kam es dann zu den öffentlich angekündigten Leipziger Jazztagen. Natürlich darf der Boss vom Leipziger Jazzclub nicht unerwähnt bleiben. Bert Noglik. Bis 2007 war er künstlerischer Leiter der Leipziger Jazztage, später dann ja sogar vom Berliner Jazzfest.

 

In meinen Dresdner Arbeitsjahren waren seine Sendungen im Figaro, wie der MDR noch damals hieß, genüssliche Highlights.

 

Ja unvergessen seine Interviews mit Jazzmusikern, verewigt in „Jazz im Gespräch“ im Verlag Neue Musik Berlin 1980.

 

Noch eine letzte Frage. ECM feiert in diesem Jahr sein 50 jähriges Bestehen, Amiga ist bereits über 70 😊. Gab es zwischen den beiden Labels mal eine Gemeinschaftsproduktion?

 

Darüber ist mir nichts bekannt. Eher wohl nicht. Wenn ich an die getrennten Aufnahmen von ECM und Amiga vom Keith Jarrett Konzert in Köln 1975 denke …

 

Ha, ich frage jetzt nicht, welche Pressung die bessere ist. Helma, danke und viel Erfolg mit deinem Buch „A People’s Music: Jazz in East Germany 1945-1990.“

 

This entry was posted on Donnerstag, 1. August 2019 and is filed under "Blog". You can follow any responses to this entry with RSS 2.0. Both comments and pings are currently closed.

2 Comments

  1. Jan Reetze:

    Conrad Bauer war einer der Komponisten/Musiker, die einen Soundtrack für “Menschen am Sonntag” gemacht haben. 75 Minuten mehr oder weniger improvisierte Soloposaune.

    Lief irgendwann mal im DDR-Fernsehen und ist mit ziemlicher Sicherheit nicht auf DVD erschienen.

  2. Lajla Nizinski:

    Was mich wirklich erstaunt, ist, dass es so wenige Jazzfrauen gab. Die DDR-lerinnen waren ja per se emanzipierter.


Manafonistas | Impressum | Kontakt | Datenschutz