Video-Wallpapers? Ja, Videotapeten. Im Prinzip ist es ein politisches Projekt und es geht darum, Erwartungshaltungen (Konditionierungen) zu zerstören, die die konventionelle Dramaturgie der Mainstreamfilme im Fernsehen mit sich gebracht hat: Der Zuschauer (Konsument) hatte sich daran gewöhnt, still zu sitzen und ein bestimmten Mustern folgendes Verhalten von Menschen zu betrachten. „Ich bin an einer Arbeit interessiert, die nicht notwendig dieser Beziehung bedarf, sondern eine mehr statische, bildgebundene Arbeit ist, die man betrachten kann und von der man sich abwenden kann wie von einem Gemälde. Es bleibt stehen und man selbst bewegt sich.“ So beschrieb Brian Eno den Ansatz seiner Videoarbeiten. In der Juli-August-Ausgabe der Jazzthetik 1988 analysiert Peter Dietz diese Arbeit in einem klugen Essay mit dem Titel „Die Eno-tapes“. „Wenn ich mich recht entsinne“, schreibt Dietz, „war es Terry Riley, der seine minimalistischen Kompositionen mit den Ereignissen an einem bewölkten Himmel verglich.“ Der Mikrokosmos wird zum Makrokosmos. Dies sei auch das Prinzip von Enos Videokunst. Das Gesamtereignis solle wie ein optisch-akustisches Mantra wirken, bei dem man nach Belieben hinschauen oder auch mal zwischendurch ein Telefonat führen, einen Artikel lesen oder ein Essen zubereiten könne. Peter Dietz teilt Enos Videoarbeiten in vier Phasen ein, und stellt schließlich fest, dass der Bildschirm für Enos Konzept nicht das geeignete Medium ist, dass die Grundidee jedoch am besten bei den Manhatten-Tapes, Mistaken Memories of Mediaevel Manhatten, funktioniert. Probieren Sie es aus. Ich fand die Tapes mit ihrer Hintergrundmusik, über die Dietz schreibt, sie wolle die Fiktion eines Stillstands von Zeit suggerieren, durchaus interessant: es gibt hier viel Himmel zu sehen und verschiedene Sequenzen, Blicke auf Manhatten in der Zeit 1980/81, jeweils mit Standkamera betrachtet. Für einen öffentlichen Raum, einen Flughafen oder eine U-Bahn-Station vielleicht, stelle ich mir die Manhatten-Tapes als Dauer-Videotapete ziemlich cool vor. Für eine Party, die sich auf mehrere Räume verteilt, eignen sie sich sicherlich auch. Eine meiner Schulfreundinnen hatte einen Technikfreak als Bruder, der schonmal die Versorgung mit Videoclips übernahm, was dazu führte, dass immer ein Teil der Partygäste schweigend vor dem Bildschirm herumstand. Enos Manhatten-Tapes hätten wahrscheinlich zu mehr Bewegung und Gesprächen geführt. Für mein Wohnzimmer bevorzuge ich ein ruhiges, aber dennoch inspierendes Bild, das nie langweilig wird, zum Beispiel eine riesige Schwarzweißfotografie, die wahrscheinlich ebenfalls aus der Zeit der frühen Achtziger stammt: Der Blick auf einen Teil von Manhatten, als säße die Kamera auf einem sehr hohen Gebäude gegenüber dem Flat-Iron Building. Dieses Foto, das den Himmel nicht zeigt, sehe ich seit vielen Jahren jeden Tag. Es verändert sich mit dem Einfall des Lichts, ich entdecke in den Straßenzügen, den Schatten winziger Menschen und den Wassertanks auf den Dächern immer wieder neue Details und wenn ich die Häuser betrachte und die beleuchteten Fenster, weiß ich immer noch nicht, ob das Bild an einem frühen Morgen aufgenommen wurde oder bei Einbruch der Nacht.