Zu meinen Lieblingsplatten aus der Rubrik „field recordings“ zählt die Schallplatte „Trains in the Night“, auf der sympathische Verrückte im Morgengrauen mit ihren Mikrofonen den Dampflokomotiven auflauern wie einst Räuber im Wilden Westen den Postkutschen. Als kleines Kind liebte ich den Sound der alten Loks, und hörte sie, wenn ich bei der Grossmutter war, vom Bahnhof gegenüber, tief im Essener Westen. Für alle, die Zügen gern hinterherschauen, und ein Herz für „steam engines“ haben, oder die keuchenden Weisswolkenfabrikanten gerne als Zeitreiseportal nutzen, habe ich eine besondere Filmkiste zur Hand. British Transport Films, 1949 aus der Taufe gehoben, sollte die Tugenden des neuen britischen Transport-Netzwerkes ins allgemeine Bewusstsein heben. So entstanden, über Jahrzehnte, kleine Reisefilme und Kuriositäten, die ihren Weg ins Vorprogramm der Lichtspieltheater fanden. Niemand anderes als John Schlesinger gab bei der BFI sein Debut als Regisseur, und heimste mit „Terminus“ (1961) gleich mehrere Preise ein – 24 Stunden Waterloo Station, keine Erzählung, Fiktionales und Reales brilliant verwoben, ein Traum. Wir rasen und schleichen durch die Jahrzehnte, eine wunderbare Art, die Vergänglichkeit unseres Lebens in einen Leinwandrausch zu verwandeln. Nicht alles dreht sich um Züge. „They Take the High Road“ fängt die kurvenreichen Wege alter Lastkraftwagen durch die schottischen Highlands ein, und ich spürte sanftes Wirbelschauern, als ich meinte, eine Strasse zu erkennen, auf der ich vor Jahr und Tag mit einem geliehenen Land Rover rumkurvte. Bestimmt eine Halluzination. Die Naturfilme aus Wales und Northumberland sind unsentimental – das Träumen erledigen wir Zuschauer ganz allein. An anderer Stelle tauchen Schulkinder, Sonnenbadende und Nonnen auf, keiner fühlt sich beobachtet, als die Kameras auf ihnen ruhen. Das unverfälschte Leben, sozusagen. Bewegend in aller Stille und Ruhelosigkeit. Eine bezaubernde Anthologie.
2019 30 Mai
„The Best of The British Transport Films“
von: Michael Engelbrecht Filed under: Blog | TB | 5 Comments
5 Comments
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Martina Weber:
Schade, dass es die wunderbare Entdeckung aus der Filmkiste nicht auf DVD gibt.
Atmosphärische Eisenbahn „field recordings“ enthält auch das Album „El Tren Fantasma“ von Chris Watson.
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Jan Reetze:
Das hört sich sehr interessant an — bestimmt besser als die “Führerstandsmitfahrten”, die seinerzeit im Ersten liefen …
Über die Zukunft der BluRay bin ich mir überhaupt nicht klar. Samsung war der größte Hersteller von BluRay-Playern, aber die haben die Produktion gerade eingestellt, weil sie wohl doch nicht der große Bringer waren.
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Michael Engelbrecht:
BluRay ist von der Bildqualität überragend, eine weite Welt entfernt von DVD. Man kann natürlich Filme in jedem Format prinzipiell geniessen, und muss sicher nicht stets dem neuesten Stand der Technik hinterher jagen. Und wenn die Geräte verschwinden – mein kleines Archiv braucht die Hardware:)
Was etwa die BluRays von Criterion betrifft: unfassbar, welche Auflösung und Klarheit da möglich ist, selbst bei alten Kinofilmen, ganz und gar verblüffend. DETOUR zum Beispiel:
„This new 4K restoration, the result of over a decade of research, is awesomely pristine, rich, and detailed. To those who first came to Detour through subpar VHS editions and online streams and have come to associate it with a lurid crumminess that suggests the film equivalent of a beat-up E.C. comic, the transfer will likely look and sound too beautiful. But one quickly adjusts, as this Criterion edition honors Ulmer’s artistry, emphasizing the beauty he conjured even with a few thousand dollars and a week-long shooting schedule. Close-ups are vivid, revealing people’s wrinkles and creases, and clothing textures are shown to be pivotal illustrations of character. Above all, there’s a silkiness to the image, a velvety sheen that honors its aesthetic virtuosity.“ (Slant Magazine)
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Jan Reetze:
Na, schaunmermal.
Dass die BluRay-Qualität der DVD überlegen ist, ist mit Sicherheit wahr, aber es wäre nicht das erste Mal, dass sich ein System trotz besserer Qualität nicht am Markt durchzusetzen vermag (Video 2000 oder auch die SACD fallen mir da ein). Als ich das letzte Mal einen Saturn-Markt von innen gesehen habe (was jetzt auch schon wieder drei jahre her ist), da fiel mir jedenfalls auf, dass sicherlich 40 Regalmeter DVDs dort standen, während die BluRays auf ein kleines Regälchen irgendwo am Rande begrenzt waren. Frage ist, ob das „noch“ oder „schon“ so war.
Wir immerhin haben seit ca, 1 1/2 Jahren einen BluRay-Player, der allerdings bis heute unausgepackt in seinem Karton wohnt. Wir hatten keine BluRays (die erste, die ich habe, ist die aus der „Inner Sanctum“-Box), und ich bin mir nicht mal sicher, ob unser rund zehn Jahre alter Fernseher die Bildqualität überhaupt adäquat wiedergeben könnte.
Außerdem wäre das so ein Dauergetüddel mit der Verkabelung, weil unser DVD-Player ein Multiregionsgerät ist, auf dem ich deutsche und amerikanische DVDs spielen kann, was auf dem BluRay-Player nicht ginge … Es ist ein Kreuz mit der Technik …
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Michael Engelbrecht:
Okeydokey, aber anders als bei SACD und VIDEO200O bekommst du seit Jahren alles, was das Herz begehrt, auf BluRay. Also das Format ist schon lange kein Exot mehr.